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Augsburg: Stören diese Bäume die ewige Grabesruhe?

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Stören diese Bäume die ewige Grabesruhe?

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    Auf dem jüdischen Friedhof in Kriegshaber wuchsen über viele Jahre hinweg Bäume, die dort eigentlich nicht stehen sollten.
    Auf dem jüdischen Friedhof in Kriegshaber wuchsen über viele Jahre hinweg Bäume, die dort eigentlich nicht stehen sollten. Foto: Michael Hochgemuth

    Ein geplanter Kahlschlag auf dem alten jüdischen Friedhof in Kriegshaber sorgt für Ärger. Auf dem die Bäume zu fällen.

    Im Umweltausschuss des Stadtrats sorgte das Thema bereits für Debatten. Nun kritisiert Landesrabbiner Henry Brandt, es sei versäumt worden, ihn über den Vorgang zu informieren. Auch bei Anwohnern und innerhalb der jüdischen Gemeinde löst die geplante Aktion Diskussionen aus.

    Mindestens 40 alte Bäume sollen gefällt werden

    Laut Grünamtsleiterin Anette Vedder geht es auf dem jüdischen Friedhof um ein „Wäldchen“ von mindestens 40 alten Bäumen, die gefällt werden sollen. 20 von ihnen sind doppelt geschützt – nicht nur durch die Augsburger Baumschutzverordnung, sondern auch durch den geltenden Bebauungsplan. Er sieht einen Erhalt dieses Grüns vor. Ein Ortstermin des Amtes für Grünordnung ergab jedoch, dass ein Teil der Bäume am Eschentriebsterben erkrankt und nicht mehr verkehrssicher ist. Andere Bäume wachsen so nahe an den Grabsteinen, dass es Probleme mit den Grabmälern gibt.

    Joino Pollak vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden ist zuständig für die verwaisten jüdischen Friedhöfe in Bayern. Er erklärt, warum die Bäume aus seiner Sicht weichen müssen. Pollak sagt, grundsätzlich seien Bäume auf jüdischen Friedhöfen nicht verboten. Auf dem Friedhof in Kriegshaber drohen aber zahlreiche alte Grabsteine zu kippen oder zu zerbrechen, weil Bäume zu nahe stehen. Wie Pollak weiter erläutert, würde durch den Verlust von Grabsteinen nach dem jüdischem Glauben die „ewige Grabesruhe“gestört. Andere Bäume auf dem Friedhof seien vom Pilz befallen und nicht mehr verkehrssicher. Auch in diesem Fall bestehe Handlungsbedarf.

    Die Bäume zerstören Grabsteine auf dem Kriegshaber Friedhof

    Pollak betont weiter: „Die Gräber waren vor den Bäumen da.“ Die Bäume auf dem Friedhof seien nicht gepflanzt worden. Sie seien vielmehr aus angeflogenen Samen gewachsen. Allerdings räumt er auch ein: Es sei versäumt worden, sie im Laufe der vergangenen 30 Jahre rechtzeitig zu entfernen.

    In die neuen Pläne des Landesverbandes und der Augsburger Kultusgemeinde waren offenbar nicht alle eingeweiht. Landesrabbiner Henry Brandt regierte überrascht, als er auf Anfrage unserer Redaktion von der beantragten Baumfällung erfuhr. „Ich habe davon keine blasse Ahnung“, so Brandt. Er ist der Meinung, man hätte ihn fragen müssen, wenn aus religiösen Gründen Baume weichen sollen. Dies sei allerdings nicht geschehen, auch die Stadt habe ihn nicht in den Fall eingebunden.

    Nach Auffassung des Landesrabbiners gibt es keine verbindliche Vorschrift im Zusammenhang mit der jüdischen Halacha, wonach auf jüdischen Gräbern keine Bäume stehen dürfen. Brandt befürwortet allerdings auch, dass im alten jüdischen Friedhof in Kriegshaber Bäume entfernt werden müssen, die Grabsteine zerstören oder nicht mehr verkehrssicher sind.

    Einige Anwohner des Friedhofs sind dagegen, dass die Bäume gefällt werden

    Einige Anwohner des Friedhofs in Kriegshaber beklagen, dass ihnen wichtiges Grün verloren gehe. Sie wünschen sich, dass die Friedhofsbäume stehen bleiben. Im Januar seien schon sehr viele Bäume und Büsche entfernt worden. In der „schönen grünen Wand“ gebe es jetzt beträchtliche Lücken. Nach Informationen unserer Redaktion gibt es auch innerhalb der Israelitischen Kultusgemeinde konträre Meinungen über die geplante Fällaktion. Einige Mitglieder seien darüber empört und würden „antijüdische Reaktionen“ befürchten, ist zu hören.

    Fakt ist, dass es viele jüdische Friedhöfe mit umfangreichem Baumbestand gibt, beispielsweise in Fischach im Landkreis Augsburg, aber auch in deutschen Großstädten wie Berlin. Auch beim Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden spricht man davon, dass es sehr viele alte jüdische Friedhöfe mit umfangreichen Baumbeständen gebe. Pollak sagt, dort seien aber keine Grabsteine von der Zerstörung durch Bäume bedroht.

    Wie geht es mit den Baumfällungen in Kriegshaber weiter?

    Augsburgs Umweltreferent Reiner Erben ist auch für Friedhöfe in der Stadt zuständig. Er weist den Vorwurf zurück, die Stadt habe Beteiligte bei diesem sensiblen Thema nicht ausreichend informiert. Erben zufolge gab es Gespräche mit der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Landesverband, außerdem einen Ortstermin. Der Landesrabbiner sei ebenfalls schriftlich über die Büroadresse der Gemeinde eingeladen worden. „Wir wollten sicherstellen, dass die jüdische Gemeinde Augsburg dahinter steht“, sagt der Referent. Jetzt will Erben noch einmal gesondert auf den Landesrabbiner zugehen.

    Und wie geht es mit den Baumfällungen in Kriegshaber nun weiter? Pollak sagt, „wir wollen aktiv werden, sobald wir die Genehmigung von der Stadt bekommen“. Sonst bestehe die Gefahr, dass Jahrhunderte alte Grabsteine auf dem denkmalgeschützten Friedhof unwiederbringlich verloren gehen. Wann die Stadt eine Genehmigung für die Abholzaktion geben wird, ist noch offen. Im Umweltausschuss hatten Stadträte quer durch die Parteien umfangreiche Prüfungen gefordert, bevor im jüdischen Friedhof an der Hooverstraße Fakten geschaffen werden.

    Erben sagte, er werde sich in den kommenden Monaten die Grundlagen für eine Entscheidung genau anschauen. Wenn Bäume fallen, muss nach der städtischen Baumschutzverordnung ein Ausgleich geschaffen werden. Die Israelitische Kultusgemeinde müsste dann die Pflanzung von Ersatzbäumen finanziell übernehmen, wenn sie so wie andere Antragsteller in Augsburg behandelt wird. Auch diese Frage sei noch nicht geklärt, sagt Erben.

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