Für einige Augsburger läuft das Staatstheater jetzt unter neuem Namen: Sie nennen es die „Lechphilharmonie“. Doch wirklich überrascht über die neuesten Kostensteigerungen sind offenbar wenige, im Gegenteil: Die Nachricht, dass die Sanierung statt 186 nun bis zu 321 Millionen Euro kosten könnte, scheint nur eine weitere in einer Reihe von Hiobsbotschaften der letzten Jahre zu sein. Nicht einmal von der neuen, erstarkten Opposition kam allzu viel Gegenwehr.
Und doch kann man diese Tatsache nicht einfach hinnehmen, ohne ein paar Punkte zu hinterfragen. Einer ist die Informationspolitik der Stadt. Erst jetzt – vier Jahre nach dem Grundsatzbeschluss für die Sanierung – haben Planer und Bauverwaltung eine Kalkulation für mögliche Baupreissteigerungen vorgelegt, aus denen konkret Zahlen abzulesen sind. Warum, fragt man sich, war das nicht bereits 2016 möglich? Auch damals gab es Richtwerte, wie sich die Baupreise entwickeln könnten. Doch womöglich hätte das Millionenprojekt im Stadtrat keine Mehrheit bekommen, wären damals schon Summen genannt worden.
Fehleinschätzungen bei der Sanierung des Staatstheaters Augsburg
Auch andere Aussagen müssen heute infrage gestellt werden: Die 25 Millionen Euro Kostenpuffer für die Sanierung des Großen Hauses verkauften die Planer als ausreichend großzügige Summe für Unwägbarkeiten. Doch das Geld war weg, noch bevor auch nur ein Stein bewegt war. Eine weitere Fehleinschätzung war, dass es beim Neubau keine bösen Überraschungen geben könne. Wenig später wurde bekannt, dass der hohe Grundwasserspiegel und die schlechte Statik der Nachbargebäude den Bau um 20 Millionen verteuern würden.
Nun also liegen neue Zahlen auf dem Tisch. Für den Neubau von Werkstätten, Verwaltung und zweiter Spielstätte sind die Planer wieder annähernd bei der Summe, die sie ganz am Anfang genannt hatten: Je nach Ausführung, hieß es 2015, würde das sogenannte Bauteil II zwischen 79 und 120 Millionen Euro kosten. Obwohl seitdem an vielen Ecken gespart wurde, könnte es – Stand heute – letztlich auf 115 Millionen Euro hinauslaufen. Und auch beim Großen Haus kann niemand sicher sein, dass die veranschlagten 113 Millionen am Ende Bestand haben. Noch sind dafür ja erst 30 Prozent der Arbeiten ausgeschrieben.
Kann sich Augsburg die Sanierung des Theaters noch leisten?
Kann sich Augsburg dieses Projekt noch leisten? Der Stadtrat steht vor einer schwierigen Entscheidung. Dennoch lässt sich mancher Vorschlag sofort vom Tisch wischen. Ein Ausstieg aus der Sanierung, wie ihn zum Beispiel Stadtrat Roland Wegner von der V-Partei fordert, macht keinen Sinn. Erstens hat Augsburg für die Sanierung bereits Kredite aufgenommen und einiges Geld ausgegeben. Zweitens ist das Gebäude denkmalgeschützt. Es kann also weder abgerissen, noch in seinem derzeitigen Zustand belassen werden – man muss es sanieren. Doch wie sollte die Stadt das Haus danach nutzen, wenn nicht in seiner Bestimmung als Theater? Es leer stehen zu lassen, ist keine Option. Die Stadt müsste ja trotzdem für den Bauunterhalt aufkommen.
Man wird also nach weiteren Einsparmöglichkeiten suchen müssen. Ein Verzicht auf den kompletten Neubau ist nicht möglich, weil das Große Haus als Theater ohne Werkstätten, Verwaltung und Probebühnen nicht funktioniert. All diese Räume gibt es zwar auch an den Übergangsspielstätten Martinipark und Gaswerk. Doch sie sind zu klein, um das Große Haus nach seiner Wiedereröffnung daraus bedienen zu können. Man wird also zumindest einen Teil des Projektes realisieren müssen.
Wo Augsburg bei der Sanierung des Theaters sparen könnte
Einsparen könnte die Stadt durch den (vorläufigen) Verzicht auf die zweite, kleinere Bühne neben dem Großen Haus. Der Neubau würde laut Bauverwaltung damit um 27 Millionen Euro billiger. Doch auch diese Zahl ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn irgendwo wird das Staatstheater eine zweite Spielstätte brauchen. Egal, welche die Stadt behielte – sie müsste Miete bezahlen, die an einem Zeitpunkt X die Ausgaben für einen Neubau erreichen und später übersteigen würde. Zudem ist da ein weiteres Problem: Selbst durch den Verzicht auf die kleine Spielstätte am Kennedyplatz lägen die Baukosten immer noch bei bis zu 294 Millionen Euro – und damit auch weit über dem einst im Stadtrat beschlossenen Kostendeckel von 186 Millionen, auf dem SPD und Linke bestehen.
Eine reelle Chance, das Projekt ohne Änderungen weiterzuverfolgen, böte sich wohl nur, würde der Freistaat seine Förderquote von derzeit 75 Prozent entweder erhöhen oder die gesamten Mehrkosten übernehmen. Aufgrund der Mehrausgaben, die durch die Coronakrise auf das Land zukommen, ist dieses Szenario aber äußerst unwahrscheinlich.
CSU und Grüne stehen nach wie vor zur Sanierung, doch die Reihen der schwarz-grünen Regierung sind dem Vernehmen nach nicht mehr geschlossen. Irgendwelche Einsparungen wird die neue Koalition also präsentieren müssen, will sie sich eine Mehrheit für die weitere Sanierung sichern und die nach wie vor wichtige Sanierung des Theaters garantieren.
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