Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim – in diesen fünf Städten könnte nach den Gedankenspielen der Bundesregierung ein kostenloser Nahverkehr erprobt werden, um die Stickoxidbelastung zu senken. Voraussetzung: Diese Städte müssten den Gratis-Nahverkehr auch wollen. In den Rathäusern der betreffenden Städte ist man teils skeptisch, denn so etwas wie ein Konzept hat die Bundesregierung bislang nicht vorgelegt.
Darauf verweist auch Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) wenn man ihn fragt, ob Augsburg als Modellstadt für den Gratis-Nahverkehr zur Verfügung stünde. „Der Ansatz ist interessant, aber weder abgestimmt noch abschließend durchdacht.“ Dass eine Stadt wie Augsburg mit Blick auf die Größe und Struktur als Modellstadt in Betracht käme, sei „durchaus naheliegend“. Allerdings seien elementare Fragen noch offen, bevor man konkrete Aussagen mache könne, vor allem zur Finanzierung und deren Dauer. „Zudem müssten ja auch Schnittstellen zu den Verkehrsverbünden geklärt sein“, so Gribl.
Stadtwerke: Stärkere Bezuschussung des Nahverkehrs wäre gut
Die Stadtwerke hatten sich bereits am Donnerstag offen für die Idee einer stärkeren Bezuschussung des Nahverkehrs durch den Bund gezeigt. „Es wurde jetzt eine Diskussion angestoßen, von der man sicher sagen muss, dass sie länger andauern kann“, so Sprecher Jürgen Fergg. Ein 365-Euro-Ticket, bei dem die bisherige 9-Uhr-Grenze wegfällt, könne man sich gut vorstellen, wenn es denn gegenfinanziert wird, so die Stadtwerke, die wegen der seit 1. Januar geltenden Tarifreform in der Kritik stehen.
Das würde für den ganzen AVV (Stadt Augsburg sowie Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen) 20 Millionen Euro jährlich kosten. Eine Vorverlegung der Grenze auf 8.30 Uhr würde laut AVV-Rechnung 1,5 bis 3 Millionen Euro kosten, eine Vorverlegung auf 8 Uhr mit 2,5 bis 5 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen. Die relativ große Spannweite liegt daran, dass nicht exakt prognostiziert werden kann, wie viele Fahrgäste um welche Uhrzeit fahren würden.
Grüne: Autofahrer-Abgaben sollen in den Nahverkehr fließen
Ein Anstoß kommt von den Grünen. Der kleinste Regierungspartner hatte der in die Kritik geratenen Tarifreform mit der Maßgabe zugestimmt, dass sie der erste Schritt in Richtung eines insgesamt günstigeren Nahverkehrs sein müsse. Die Grünen würden gerne die 9-Uhr-Grenze beim 365-Euro-Abo vorverlegen.
Damit die Stadt Augsburg innerhalb des AVV ihren Beitrag dazu leisten kann, fordern sie, dass alle Einnahmen der Stadt aus dem Straßenverkehr (Parkgebühren, Parkausweise, Strafzettel und Tempo-Verwarnungen) in nachhaltige Mobilität wie Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr gesteckt werden. Dadurch kämen zusammengerechnet im Jahr etwa vier Millionen Euro zusammen.
Auch das Thema Semmeltaste, mit der eine halbe Stunde Gratis-Parken möglich ist, könne man auf den Prüfstand stellen, so Stadträtin Stephanie Schuhknecht. Zudem lassen die Grünen von der Verwaltung gerade eine Aufstellung darüber machen, wie sich die städtischen Parkgebühren im Vergleich zu den Nahverkehrspreisen entwickelt haben.
Das Ergebnis ist schon jetzt klar: Die Steigerungsraten im Nahverkehr liegen ein Vielfaches über denen der Parkscheine. Zur Forderung, die städtischen Parkgebühren zu erhöhen, ist es da nicht mehr weit, auch wenn Schuhknecht erst einmal die städtischen Zahlen abwarten will. Schuhknecht verweist aber darauf, dass das viel gerühmte Wiener Modell mit dem 365-Euro-Jahresabo, das rund um die Uhr gilt, von einer deutlichen Preiserhöhung für die dortigen Parkscheine flankiert war.
Zudem wollen die Grünen prüfen, ob die Stadtwerke künftig von der jährlichen Zahlung von 3,6 Millionen Euro an Zinsen für die städtischen Grundstücke im Trinkwasserschutzgebiet befreit werden könnten. Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband hatte die Stadt allerdings vor zehn Jahren dazu angehalten, dieses Geld zu verlangen.