Während wahrscheinlich Millionen Deutsche zur besten Tatort-Zeit vor den Fernsehern saßen, um sich von der Authentizität der neuen Serie „Babylon Berlin“ zu überzeugen, genossen die Hochzoller in ungleich intimerer Atmosphäre die Erinnerung an die 1920er- und 1930er-Jahre bei den Hochzoller Kulturtagen. Während es im TV eher exzessiv und kriegsverwirrend zuging, beschwor das Ensemble von „Café Arrabbiata“ mit Charme nur die schönen, wohlklingenden Seiten dieser Zeit herauf.
Agnes Reiter, wenngleich hochschwanger, sorgte mit fünf weiteren Musikern in der Grundschule Hochzoll-Süd für einen beswingten Abend mit bekannten Melodien von Zarah Leander bis Comedian Harmonists. Mittlerweile können die Organisatoren der Hochzoller Kulturtage – kurz HoKuTa – auf eine zwölfjährige Erfahrung mit ihrer Veranstaltungsreihe zurückblicken. Dank des wachsenden Renommees ist es ihnen auch in diesem Herbst gelungen, 26 Veranstaltungen zu generieren. HoKuTa-Vorsitzender Gregor Lang freute sich insbesondere darüber, gleich zu Beginn André Bücker unter den Besuchern beziehungsweise Ehrengästen begrüßen zu dürfen. Der Intendant des Staatstheaters Augsburg gab das Kompliment seinerseits zurück. Noch vor Konzertbeginn zollte er den Veranstaltern seinen vollen Respekt ob der Vielfalt des Programms im kommenden Monat. Als er die Fülle des Angebots sah, sei er „völlig von den Socken“ gewesen, sagt er zur Begrüßung. Und was ihm noch mehr Respekt abnötigte, ist, dass sich so etwas auf Spendenbasis bewerkstelligen lasse, sodass Kulturinteressierte unabhängig vom Geldbeutel alle Veranstaltungen besuchen können – wenn nicht anders möglich, kostenfrei. Wie er betonte, ist ihm und seinen Kollegen vom Staatstheater die Bildungs- und Vermittlungsarbeit an Menschen jeden Alters – also nicht nur für Schüler – sehr wichtig. Und mit Blick auf den Stadtteil ist er überzeugt: „Wir werden gar nicht umhinkommen, uns theatral mit Hochzoll zu beschäftigen.“
Ächtung jüdischer Kollegen
Zu hören gab es zumeist Lieder über die Liebe und ihre Befindlichkeiten, so von Theo Mackeben oder Franz Grothe. Diese Künstler, die sich mit der NS-Herrschaft arrangierten, konnten von der Ächtung jüdischer Kollegen wie Friedrich Hollaender profitieren. Auch von den Comedian Harmonists waren Songs zu hören – sie bekamen wegen ihrer jüdischen Mitglieder 1935 Auftrittsverbot.
Diese beiden Seiten gehörten in der NS-Zeit zusammen: Heitere Lieder zur Ablenkung, aber auch Judenverfolgung und Krieg“, sagt Zuhörer Michael Friedrichs. Wie er im Nachgang sagt, fehlte ihm diese Tatsache ein wenig in der Moderation. Das Konzert war zunächst ganz der leichten Muse gewidmet.
Fünf Stadträte mit dabei
Hausherr und Schulleiter Jochen Mayr hieß das seit zehn Jahren bestehende Ensemble willkommen, das auf jeden seiner Beiträge einfühlsam von Agnes Reiter einstimmen ließ. Außerdem wünschte sich der Rektor für den kommenden Monat „tolle und volle Veranstaltungen“, wie sie schon in den vergangenen zehn Jahren immer wieder die Aufmerksamkeit auf die Kulturszene des Stadtteils lenkten. Auch eine Reihe von Stadträten überzeugte sich diesmal von ihrer Qualität – darunter Benedikt Lika, Max Weinkamm, Andreas Jäckel und Regina Stuber-Schneider sowie Mitorganisatorin Pia Haertinger. Gesanglich brillierte Agnes Reiter mit Lieder wie „Frauen sind keine Engel“ oder „Puttin’ on the Ritz“, teilweise im Duett mit Brachistin Kirstin Arndt. Christoph Teichner arrangierte die Tanz-Klassiker und „entstaubte“ sie. Dabei halfen auch Stefan