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Augsburg: So lebt es sich an der Coca-Cola-Kreuzung in Oberhausen

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So lebt es sich an der Coca-Cola-Kreuzung in Oberhausen

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    Der Blick von oben: Die Bärenwirt-Kreuzung war früher auch als Coca-Cola-Kreuzung bekannt – die Liegenschaften sind aber längst abgerissen und durch ein Handelszentrum ersetzt, das unter anderem einen Rewe-Supermarkt beherbergt.
    Der Blick von oben: Die Bärenwirt-Kreuzung war früher auch als Coca-Cola-Kreuzung bekannt – die Liegenschaften sind aber längst abgerissen und durch ein Handelszentrum ersetzt, das unter anderem einen Rewe-Supermarkt beherbergt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es ist hier selten wirklich ruhig. Es fließt hier selten nur wenig Verkehr, außer vielleicht irgendwann nachts. Die Bärenwirt-Kreuzung in Oberhausen ist ein wuseliger Knotenpunkt: Autofahrer auf dem Weg aus der Stadt, Autofahrer auf dem Weg in die Stadt, die Straßenbahnen der Linie 4, die Busse der Linien 21,27 und 35, Fußgänger, Radfahrer. Nirgendwo in Augsburg passieren mehr schwere Unfälle. Alle müssen sich hier zu den Stoßzeiten arrangieren, aufmerksam sein, ein wenig Rücksicht nehmen, mal ein Auge zudrücken. So läuft es nun mal. Ein Radfahrer, der an diesem Tag die Donauwörther Straße kreuzt, hat allerdings die Faxen ziemlich dicke.

    Ein Mann in einem Mercedes hat es bei zähem Verkehr noch über die Ampel geschafft, offenbar gerade so eben, vielleicht war sie auch schon kirschgrün, nun blockiert er einen Teil des Weges für Radler und Fußgänger während ihrer Grünphase. Alle kommen locker vorbei, man könnte die Sache also auf sich beruhen lassen. Aber der Radfahrer hat schlechte Laune, einen schlechten Tag oder ist einfach ein schlechter Mensch, jedenfalls beschimpft er den Mann im Auto mit einiger Ausdauer, bevor er weiterfährt. „Scheiß Mercedes-Fahrer“, ist noch das Freundlichste, was er zu ihm sagt, und das Einzige, was man in einer Zeitung drucken kann, die den Anspruch hat, dass sie Familien am Küchentisch lesen.

    Die Bärenwirt-Kreuzung also, benannt wohl nach einer früheren Brauerei. Auch bekannt als: Cola-Kreuzung, weil Coca-Cola hier einen Standort hatte. Kein idyllischer Platz in Augsburg, aber ein markanter und einer, der typisch für Oberhausen ist.Ein Ort, in dessen Umfeld sich unter anderem ein Asiate, ein Italiener, ein arabischer Lebensmittelmarkt, ein Barbershop, ein Internetcafé mit Western Union und eine Zahnarztpraxis mit dem etwas verwirrenden Namen „Zähne und Co“ angesiedelt haben. Wofür das „und Co“ im Namen steht, ist eine gute Frage. Zahnfleisch?

    Wie gefällt es Ladenbesitzern an der Coca-Cola-Kreuzung in Augsburg?

    Für Arkan Habel, 40, ist die Kreuzung ein Platz, an dem er eine berufliche Heimat gefunden hat. Schawarma Picknick heißt sein Döner-Laden, es gibt Falafel für 3 Euro, Döner für 3,90 Euro, Pizza für 5 oder 6. Habel, ein freundlicher Mann in weißer Arbeitskleidung, sitzt draußen vor der Tür an einem kleinen Tisch, blickt auf die Kreuzung und kennt etwa jeden Zweiten, der vorbeikommt. Seit elf Jahren lebe er in Deutschland, erzählt er, seit fünf Jahren habe er den Imbiss, der an der viel befahrenen Donauwörther Straße liegt.

    Arkan Habel leitet „Schawarma-Picknick“ an der Bärenwirt-Kreuzung.
    Arkan Habel leitet „Schawarma-Picknick“ an der Bärenwirt-Kreuzung. Foto: Silvio Wyszengrad

    Arkan Habel grüßt eine Frau, die gerade in den Laden geht, gibt einem jungen Mann einen Faustcheck, der den Imbiss mit einer Tüte in der Hand verlässt, unterhält sich mit dem Nachbarn vom Barbershop in einer fremden Sprache. Aramäisch sei das, erklärt er, Habel ist irakischer Aramäer, die innerhalb der christlichen Bevölkerung in dem Land die Mehrheit stellen. Er hat dennoch ein „Halal“-Zertifikat erworben, dessen Logo am Fenster klebt, was bedeutet, dass die hier angebotenen Speisen den Reinheitsgeboten des Koran entsprechen.

    Wie es läuft? Es läuft, sagt er. Anfangs, als er angefangen habe, sei es noch schwierig gewesen. Heute kenne man ihn am Standort. „Ich bin zufrieden, meine Kundschaft auch.“ Heute arbeitet er auch etwas weniger, zumindest ein bisschen. Das Geschäft hat nicht mehr jeden Tag zwölf Stunden und mehr offen, wie es im Internet steht, sondern sonntags geschlossen. Drinnen hängen Fotos von früher, von Abel als junger Mann in Bagdad und auch in Italien. Koch gelernt habe er dort, sagt er, nicht ohne Stolz. Mit der Kreuzung sei das so eine Sache. Es gehe hier teils ganz schön zu. Habel hat den ein oder anderen schweren Unfall gesehen. Aber eigentlich gefalle es ihm hier. Viel Laufkundschaft, viel los.

    Das Gebäude, in dem sich Schawarma Picknick befindet, ist ein großes, klobiges Hochhaus mit einer nur bedingt attraktiven Fassade in Schwarz und verblichenem Beige. Im Erdgeschoss gibt es auch noch eine Kneipe, die Bärenklause, außerdem einen Lotto-Laden. Drinnen geht es über die Treppe oder mit einem Fahrstuhl 13 Etagen nach oben, wenn man will.

    Anwohnerin: "Alles direkt vor der Haustür"

    Swetlana Schneider lebt im neunten Stock, ihre Wohnungen ist nett und gut in Schuss, etwas mehr als 80 Quadratmeter, praktisch geschnitten. Von außen erahnt man nicht unbedingt, welche Wohnungen sich im Gebäude verbergen. Man hat von Swetlana Schneiders Balkon aus einen tollen Überblick in Richtung Dieselbrücke, über Schornsteine, Betriebe und den Straßenverkehr. Schneider, 55, wohnt hier mit ihrem Ehemann und ihrer Schwiegermutter, dem Ehepaar gehört die Wohnung. Gerade ist einer der vier Enkel da, es sind Ferien, Schneider hat Pfannkuchen gemacht.

    Swetlana Schneider lebt gerne an der Kreuzung. Alles, was man brauche, habe man vor der Haustür.
    Swetlana Schneider lebt gerne an der Kreuzung. Alles, was man brauche, habe man vor der Haustür. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sie kommt aus Saratow, wie sie berichtet, seit 2003 ist sie in Deutschland. Sie sei Wolgadeutsche, berichtet sie, hat also deutsche Vorfahren. Ihr Mann auch, daher der deutsche Name, Schneider. Das Gebäude, in dem sie lebe, sei grundsätzlich toll, sagt sie, und ihr russischer Akzent klingt durch. Ein Fahrstuhl, sodass man keine Treppen steigen muss, das sei später, fürs Alter, sicher auch nicht schlecht. Die Wohnung, der Balkon. „Und alles, was man zum Leben braucht, hat man direkt vor der Haustür.“ Das stimmt.

    Auf der anderen Seite der Kreuzung zum Beispiel, dort, wo früher die Coca-Cola-Fabrik war, hat sich nach dem Abriss der alten Liegenschaften ein modernes Handelszentrum angesiedelt, mit einem Supermarkt, kleinen Geschäften, einem Schuhladen. Auch die Fassade des Zentrums, ein dunkles Grau mit weißen Streifen, wirkt nicht gerade einladend und freundlich, aber es ist deutlich netter, als es hier schon mal war. Anwohner hatten sich noch 2009 vor dem Bau massiv über die Bauruinen des Areals beschwert, die Müllablagerungen, die Rattenplage.

    Davon ist heute nichts mehr zu erahnen. Auf der Seite zur Donauwörther Straße etwa liegt ein Friseurladen namens oHairas, Friseurmeister Benjamin Sassim, ein junger Mann, der das Geschäft mit einem Kollegen betreibt, hat sich hier seinen beruflichen Traum erfüllt. Bereits vor 2013 war hier ein Friseur drin, berichtet er. „Die haben einen Nachfolger gesucht, es hat alles gepasst.“ Die Lage, sagt er, sei super. Trotz des Lärms, des vielen Verkehrs? Sassim zählt auf: Es gebe hier viele Kunden, die aus dem Bärenkeller kommen. Es gebe eine Straßenbahn vor der Haustür, viele Kunden, die den Friseurbesuch mit einem Einkauf verbinden.

    Und so laut sei die Straße nun auch nicht, sagt er. Wenn man die Fenster schließe, höre man fast nichts von draußen. Nur ab und an mal ein Hupen.

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