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Augsburg: So hart trifft die Einsamkeit viele Augsburger im Lockdown

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So hart trifft die Einsamkeit viele Augsburger im Lockdown

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    Der anhaltende Lockdown macht den Menschen zu schaffen. Viele leiden unter Einsamkeit und vermissen die Menschen um sich herum.
    Der anhaltende Lockdown macht den Menschen zu schaffen. Viele leiden unter Einsamkeit und vermissen die Menschen um sich herum. Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild)

    Er wäre früher nie auf die Idee gekommen, hier anzurufen, gibt der Mann am anderen Ende der Leitung zu. Der 40-Jährige hat die Nummer der Telefonseelsorge gewählt. In der Geborgenheit der Anonymität schüttet er sein Herz aus, erzählt, wie belastend der Corona-Lockdown für ihn sei. Er habe sich sonst immer in Kneipen mit Kumpels getroffen, das gehe schon lange nicht mehr. "Viele Menschen sind seit langer Zeit isoliert, Frustration und Verzweiflung wachsen", beobachtet Franz Schütz. Seit über 25 Jahren leitet er die Telefonseelsorge. Der 61-jährige Diakon hat also entsprechend lange Erfahrung mit Menschen, die nicht immer stabil sind. Den Anstieg an Einsamkeit und die psychischen Auswirkungen aufgrund der Pandemie findet nicht nur er immens, sondern auch Experten am Bezirkskrankenhaus. Eine Bestattungsunternehmerin macht Erfahrungen, die ihr an die Nieren gehen.

    In Augsburg drei Menschen aus Wohnungen geborgen - sie starben in Quarantäne

    Der Tod ist Anita Ponzios Beruf. Doch der Chefin des Unternehmens "Pius Bestattungen" geht seit Monaten ungewohnt vieles nahe. "Neulich", erzählt die Bestatterin, haben wir in Augsburg innerhalb von zwei Wochen drei alleinstehende Menschen tot aus Wohnungen bergen müssen." Die Polizei hatte die Türen geöffnet. Die Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens durften nur mit Schutzkleidung in die Wohnungen. "Die drei Menschen waren alle in Quarantäne. Sie sind quasi eingesperrt und einsam gestorben", berichtet Ponzio. Ein schrecklicher und trauriger Tod, wie sie findet.

    Bestatterin Anita Ponzio erlebt in ihrem Beruf in Zeiten der Pandemie viele Situationen, die ihr nahe gehen.
    Bestatterin Anita Ponzio erlebt in ihrem Beruf in Zeiten der Pandemie viele Situationen, die ihr nahe gehen. Foto: Marlene Weyerer

    Mit dem einsamen Sterben wird Ponzio in Zeiten der Pandemie immer wieder konfrontiert. Hinterbliebene erzählen, dass sie ihren kranken Vater im Krankenhaus oder die gebrechliche Oma im Pflegeheim nicht mehr besuchen konnten. Das sei nicht nur für die Sterbenden schlimm, sondern auch für die Angehörigen, sagt Ponzio. "Das Abschiednehmen, ein wichtiger Teil für die Verarbeitung, fällt weg." Trauer sei derzeit nur eingeschränkt möglich. "Das fällt den Betroffenen irgendwann vor die Füße, diese Trauer wird sie nochmal einholen", ist die Bestatterin überzeugt. Nicht nur in dieser extremen Situation wiegt Einsamkeit schwer, sondern auch im Alltag.

    Alkomiet Hasan ist Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik.
    Alkomiet Hasan ist Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik. Foto: Hasan

    Ärztlicher Direktor des BKH Augsburg: "Einsamkeit ist massiver Stressfaktor"

    "Einsamkeit gilt in der Psychiatrie als ein massiver Stressfaktor", sagt Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik. Er verzeichne im BKH durch die Pandemie einen Zulauf von Patienten, die auch aufgrund von Einsamkeit an Depressionen oder Ängsten leiden. "Das Thema Einsamkeit in dieser Menge kannten wir vorher nicht", meint Hasan. Oftmals seien es die banalen Dinge, die Betroffene einsam machten. "Manche Patienten sagen, ihnen fehlt nicht unbedingt jemand zum Reden, sondern der regelmäßige Kneipenbesuch, das Schlendern durch die Stadt oder über den Markt." Einfach Dinge eben, die einen in der Gesellschaft aufgehoben fühlen lassen. Die meisten dieser Patienten im BKH seien über 60 Jahre alt. "Die Einsamkeit betraf ältere Menschen schon immer, jetzt aber umso mehr", sagt Hasan.

    Das weiß auch Stephanie Daiber von der Fachstelle für pflegende Angehörige des Malteser Hilfsdienstes. "Einsamkeit setzt älteren Menschen seit Corona verstärkt zu." Spezielle Treffen für Senioren etwa seien seit Langem gestrichen, Tanznachmittage, Chortreffen oder angebotene Spaziergänge fielen weg. "Jüngere Menschen sind stark digital vernetzt, doch viele Ältere kennen oder können so etwas gar nicht. Senioren sind von Einsamkeit bedroht." Diese Beobachtung macht auch Petra Krauß-Stelzer, die sich als Ehrenamtliche für ihre Mitmenschen engagiert. Die 68 Jahre alte Rentnerin leitet eigentlich mit einer Freundin einen monatlichen Treff für Senioren in Pfersee. Dann wird Kaffee getrunken, sich unterhalten und Vorträgen gelauscht.

    "Die alten Menschen vermissen diese großen Treffen, zu denen zwischen 50 und 70 Teilnehmer kommen. Für die Leute war das immer ein Höhepunkt", erzählt Krauß-Stelzer. Ihr selbst seien in der Pandemie aufgrund der Kontaktbeschränkungen einige ehrenamtliche Aufgaben weggebrochen. Zuletzt hatte sie sich im Auftrag der Malteser um eine 90-jährige alleinstehende Frau in deren Wohnung in Pfersee gekümmert. Die Seniorin sei nicht mehr mobil und habe keine Angehörigen.

    Augsburgs Telefonseelsorge ist auf Ehrenamtliche angewiesen

    Krauß-Stelzer mag ihre Ehrenämter, empfinde sie auch für sich als Bereicherung. Offenbar ist sie damit nicht alleine - vor allem in Zeiten der Pandemie. Denn wie Franz Schütz von der Telefonseelsorge erzählt, sei die Nachfrage nach ehrenamtlicher Mitarbeit während des Lockdowns beachtlich gestiegen. Momentan bilde man 30 Frauen und Männer aus, doppelt so viele wie vor der Pandemie. "Die Menschen möchten sich in diesen Zeiten engagieren und anderen zur Seite stehen. Sie sehen die Not, das gibt ihnen einen Schub." Schütz und sein Team können die Unterstützung gut gebrauchen. "Bei uns rufen jeden Tag Corona-Erkrankte an, die sich nicht von der Krankheit erholen, und Menschen, die durch Corona Probleme und Ängste haben oder vereinsamen. Vielen, die schon vorher einsam waren, ist das soziale Leben nun ganz weggebrochen."

    Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie eine Übersicht.

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