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Augsburg: So fand dieser Langzeitarbeitslose ins Berufsleben zurück

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So fand dieser Langzeitarbeitslose ins Berufsleben zurück

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    Onur Özcelik war jahrelang ohne feste Anstellung – unfreiwillig, wie er sagt. Dennoch tat er sich schwer, wieder Fuß zu fassen in einem normalen Alltag.
    Onur Özcelik war jahrelang ohne feste Anstellung – unfreiwillig, wie er sagt. Dennoch tat er sich schwer, wieder Fuß zu fassen in einem normalen Alltag. Foto: Silvio Wyszengrad

    Onur Özcelik ist einfach so hineingerutscht in die Langzeitarbeitslosigkeit. Der Augsburger hat weder einen Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung – er arbeitete im gastronomischen Betrieb der Familie mit und verdiente sich so seinen Lebensunterhalt. Dann wurde er krank, ihm sei es gesundheitlich nicht gut gegangen, erzählt er. Aus einer „längeren Pause“ wurde schließlich eine jahrelange Unterbrechung. Unfreiwillig, so Özcelik.

    Er wollte diesen Zustand nicht – es war für ihn aber schwer, aus der Situation herauszukommen. Als der für ihn zuständige Mitarbeiter des Jobcenters ihm ein spezielles Arbeitsmodell vorschlug, war er deshalb sofort interessiert. Seit vergangenem Jahr arbeitet Özcelik nun in Vollzeit. Zunächst wurde er über das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ in den Arbeitsmarkt eingegliedert. Nachdem das Programm Ende 2018 ausgelaufen ist, wird er nun durch das sogenannte Teilhabechancengesetz gefördert.

    Dieses Gesetz hat sich in den vergangenen Monaten offenbar zu einem Erfolgsmodell im Augsburger Jobcenter entwickelt. „Derzeit haben wir damit rund 80 Personen in Teil- und Vollzeitstellen vermitteln können“, sagt Sascha Everts vom Jobcenter Augsburg Stadt. Das Interesse sei groß: Derzeit gebe es zwischen 250 bis 300 Vormerkungen für das Programm, mit dem Langzeitarbeitslose zwei oder fünf Jahre lang gefördert werden.

    Endlich kann er den Nachbarn sagen, dass er zur Arbeit geht

    Die Lebensumstände jedes Teilnehmers sind anders. Da sei die 26-jährige alleinerziehende Augsburgerin, Mutter von zwei Kindern, da sei der 61-jährige Mann, der über das neue Gesetz eine Stelle als Hausmeister in einem Augsburger Altenheim bekommen hat, sagt Everts. Trotz guter Beschäftigungszahlen fällt es Menschen, die lange keinen festen Job hatten, schwer, wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. Oft gebe es gesundheitliche oder psychische Schwierigkeiten, einige müssten sich erst wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen.

    Onur Özcelik hat sich darauf gefreut, wieder eine Stelle zu haben. Endlich kann er den Nachbarn sagen, dass er zur Arbeit geht, wenn er morgens das Haus verlässt. Er arbeitet bei Infau, eine Tochterfirma der Arbeiterwohlfahrt (AWO-Kreisverband Augsburg). Seit 2001 führen sie verschiedene Projekte für Jugendliche und (junge) Erwachsene rund um die Themen Arbeit, Ausbildung und Berufsleben durch. „Wir haben 70 Mitarbeiter“, sagt Geschäftsführerin Irena Kotyrba.

    Der 30-Jährige sortiert heute Elektroschrott

    Bei Infau erhielten Augsburger eine Chance, aus dem Leistungsbezug herauszukommen und wieder neues Selbstbewusstsein zu tanken, so Kotyrba. Vor acht Jahren hatte Onur Özcelik bereits an einem Programm der Infau teilgenommen, es damals allerdings abgebrochen. Als er sich mit seinem Arbeitsvermittler beriet, in welchem Bereich er arbeiten wolle, nannte er sofort diese besondere Lernwerkstatt, die im Schlachthofquartier beheimatet ist.

    Dort sortiert der heute 30-Jährige Elektroschrott. „Wir haben einen Vertrag mit der Stadt Augsburg und erhalten die Container, in denen die Bürger im gesamten Stadtgebiet ihre Elektrokleingeräte und Metallgegenstände entsorgen können“, erklärt Irena Kotyrba. Die Containerinhalte werden bei Infau auf den Hof gekippt, Onur Özcelik und seine Kollegen sortieren die entsorgten Gegenstände nach Warengruppen und Müll. „Das macht mir großen Spaß, weil es sehr abwechslungsreich ist. Ein Bürojob wäre weniger für mich“, glaubt der 30-Jährige.

    Langzeitarbeitslose tun sich in der freien Wirtschaft schwer

    Die Arbeitgeber, die sich hauptsächlich der Langzeitarbeitslosen annehmen, kämen aus der sozialen Trägerlandschaft, so Sascha Everts. „Wir haben Klienten an unter anderem SKM, Caritas, AWO und Rotes Kreuz vermitteln können. Langzeitarbeitslose tun sich bislang in der freien Wirtschaft schwer. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde.“ Für Arbeitgeber gebe es eine Vielzahl von Anreizen: Das Jobcenter übernimmt hohe Lohnkostenzuschüsse, Weiterbildungskosten und eine beschäftigungsbegleitende Betreuung (Coaching).

    Das Programm läuft im Stadtgebiet so gut, dass das Budget beinahe ausgeschöpft ist. Die Mitarbeiter des Jobcenters Augsburgs hoffen, dass womöglich Fördergelder umgelegt werden könnten, etwa aus den benachbarten Landkreisen. „Der Bedarf im Bereich Augsburg-Land ist bei Weitem nicht so groß“, sagt Sascha Everts. 50 Arbeitsplätze könnte er ohne Probleme besetzen – wenn die dafür nötigen Fördergelder vorhanden wären.

    Mit dem Programm hat Onur Özcelik wieder Fuß gefasst in einem festen Arbeitsverhältnis. Seine Perspektiven sind nicht schlecht – er wird insgesamt fünf Jahre lang gefördert. Er fällt in die Kategorie, weil er innerhalb von sieben Jahren sechs Jahre lang Arbeitslosengeld II erhalten hat. Nun bekommt er jeden Monat ein Gehalt überwiesen. „Es kann gut möglich sein, dass er im Anschluss von uns übernommen wird“, sagt Irena Kotyrba. Auch so haben sich im Anschluss seine Aussichten auf einen Beruf enorm gesteigert. „Er hat dann fünf Jahre Berufserfahrung, ein Arbeitszeugnis und einen Staplerschein, den er zwischenzeitlich gemacht hat, und nicht mehr ein Loch im Lebenslauf.“ Özcelik ist froh über diese Chance. Ein Leben ohne Arbeit kann er sich nun nicht mehr vorstellen.

    Als langzeitarbeitslos wird jemand in der Statistik der Agentur für Arbeit registriert, der mindestens ein Jahr lang ohne Job ist. Im Wirtschaftsraum Augsburg waren im Juli exakt 2624 Langzeitarbeitslose erfasst. Dies entspricht einer Quote von 20,4 Prozent an der Gesamtarbeitslosigkeit. Jeder fünfte Arbeitslose ist damit langzeitarbeitslos.

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Langzeitarbeitslosigkeit: Die Förderung hat auch einen Haken

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