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Augsburg / Schwabmünchen: „Made in der Region“ kommt wieder in Mode

Augsburg / Schwabmünchen

„Made in der Region“ kommt wieder in Mode

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    Auch bei Schöffel in Schwabmünchen ist Nachhaltigkeit in der Textilproduktion ein großes Thema.
    Auch bei Schöffel in Schwabmünchen ist Nachhaltigkeit in der Textilproduktion ein großes Thema. Foto: Marcus Merk

    In Augsburg sind gerade Asien-Tage, und dabei geht es nicht um Hühnchen in Erdnusssauce mit Glückskeks-Abo, sondern um uns hier in Europa und die dort in Asien – und was uns verbindet: All unsere schönen Dinge made in China oder Vietnam oder Bangladesch, also Taschen, Kleider, Spielzeug und mehr sind so schön günstig zu erwerben, dass man oft im Jahr shoppen gehen kann, auch mit kleinem Geldbeutel. Und selbst wer einverstanden ist mit den Ansätzen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, hat manchmal zu kämpfen mit dem Sog der Sonne-Ferien-Leichtigkeits-Shirts für geschenkte sechs oder acht Euro. Denn: Kinderarbeit, 12-Stunden-Schichten und abgebrannte Nähfabriken geraten kollektiv gern in Vergessenheit, Green-Washing-Kampagnen haben große Reichweiten und beruhigen ungemein. Also: Schnell angemeldet zur

    Viele Frauen und ein Mann fahren also mit dem Bus nach Schwabmünchen, „Reiseleiterin“ Sylvia Hank vom Weltladen Augsburg versorgt uns während der Fahrt mit Infos rund um Textilien und Nachhaltigkeit: Die komplett nachhaltige Textilie besteht aus fair und ökologisch produzierten Fasern, meist Baumwolle, wird zu fairen Arbeitsbedingungen hergestellt und möglichst ökologisch transportiert beziehungsweise hat klimatechnisch gesehen im Idealfall eine so kleine Distanz wie möglich zu uns Konsumenten. Und, war ja klar: Die komplett nachhaltige Textilie gibt es nicht. Aber es gibt Annäherungen: Shirts aus ökologischer Baumwolle, aber nicht geprüften Arbeitsbedingungen und einer klimaschädlichen Hin- und Herschifferei auf den Ozeanen – und oder umgekehrt und andere Variationen.

    Was bei Lieferverzögerungen passieren kann

    Warum es trotzdem wichtig ist, fair zu kaufen, lernen wir im Gespräch mit Adele Kolos, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Schöffel in Schwabmünchen, die erläutert, wie komplex die Lieferketten und Abhängigkeiten in der Textilbranche sind. Wenn nur ein Teil, zum Beispiel Knöpfe, eine Lieferverzögerung hat, gerät die ganze Produktionskette unter Druck. Bei verspäteter Lieferung drohen Entschädigungszahlungen an den Händler, da der Kollektionsverkauf gegenüber dem Verbraucher längst angekündigt ist. Dieser Druck wird letztendlich an die Mitarbeiter in den Produktionsstätten weitergegeben, die für eine termingerechte Lieferung länger und härter arbeiten müssen.

    „Als Outdoor- und Skiexperte stellt Schöffel Qualität, Funktion und eine lange Lebensdauer bei der Entwicklung der Produkte in den Vordergrund. Aufbauend auf diesem Grundsatz entstehen zwei Kollektionen im Jahr. Durch großzügige Zeitplanung können wir Engpässe leichter ausgleichen“, erklärt Kolos. Damit gehört Schöffel zur sogenannten „Slow-Fashion“. Aktuell wird in Schwabmünchen die Winterkollektion für 2020 finalisiert, die Planung für die Sommerkollektion 21 hat begonnen.

    Im Dschungel der Labels

    Schöffel arbeitet seit 2011 mit der Fair-Wear-Foundation (FWF) zusammen. Genäht wird zwar auch in Niedriglohnländern, jedoch nach FWF-Standards: keine Kinderarbeit, Zahlung eines Existenzlohns, Versammlungsfreiheit, Schutz der Gesundheit. Mindestens alle drei Jahre werden die Fabriken einem Prüfverfahren unterzogen und die Ergebnisse an Schöffel weitergegeben. „Natürlich treten auch hier immer wieder Probleme und Missstände auf, aber zusammen mit der FWF konnten wir schon vieles erreichen“, versichert Kolos.

    Aber FWF ist nur ein Label unter mehreren und man kann sich leicht im Dschungel verlieren. Was hilft? „Zum einen informieren die Labels auf ihren eigenen Seiten sehr gut und transparent über ihre Standards und Fortschritte und zum anderen gibt es globale Organisationen wie die Clean Clothes Campaign, die den Konzernen auf die Finger schauen“, erläutert Sylvia Hank.

    "Made in Augsburg" gab es in der Mode schon vor 200 Jahren

    Mit dem Bus geht es zurück nach Augsburg, der Stadt, die früher eine große Nummer in der europäischen Textilbranche war. Dem globalen Preisdruck im ausgehenden 20. Jahrhundert war die Textilstadt nicht mehr gewachsen, ihr textiler Ruhm ist mittlerweile vor allem museal: Das Textilmuseum – kurz: tim – erinnert an historischer Stätte an „200 Jahre Mode made in Augsburg“, an die Neue Augsburger Kattunfabrik NAK, die heute nur wenigen jungen Menschen noch etwas sagt, aber früher die Geschicke der Stadt mitlenkte und Brötchengeber vieler unserer Urgroßmütter und -väter war. Seit einigen Jahren jedoch tut sich wieder was in Augsburg: Das Sozialunternehmen „manomama“ machte mit Gründerin Sina Trinkwalder bundesweit Schlagzeilen und setzt mit möglichst regionalen Rohstoffen und Fertigung vor Ort einen hohen Nachhaltigkeitsstandard. Und das 2014 gegründete Start-up „degree clo-thing“, zweite Station unserer Tour, lässt seine Kleidung aus Bio-Baumwolle in Europa nähen.

    Lieber einen "fairen" Pulli als vier Billigteile

    Die Augsburger haben neben Second-Hand hervorragende Möglichkeiten, ökofaire Mode zu kaufen, bei manomama, degree oder den relativ neuen Geschäften mit breitem nachhaltigem Mode-Sortiment (glore und DearGoods). Wenn es ein Hindernis gibt, dann sind das vermutlich nur wir selbst: Wir tragen gerne Fjallraven aus Schweden oder Patagonia aus Kalifornien, obwohl das Familienunternehmen Schöffel in der Region in der achten Generation Arbeitsplätze vor Ort sichert und Nachhaltigkeit ernst nimmt. Wir sind gewöhnt an Fast Fashion, an viele Shirts statt weniger besonderer. Wir tun uns schwer, einen Pullover für 150 Euro im Jahr zu kaufen statt vier für 160. Abends zu Hause krame ich meine alte Schöffel-Jacke aus dem Schrank, die durch eine Patagonia ersetzt werden sollte. Sie tut es noch ein paar Jahre. Dem hübschen 6-Euro-Shirt konnte ich nicht widerstehen. Einmal ist keinmal... oder doch nicht?

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