Wenn Christl Hangartner die Uhrzeit wissen möchte, dann geht sie gerne auf ihren Balkon und nimmt das Fernglas in die Hand. Aus dem 17. Stock ihrer Wohnung im Schwabencenter hat sie nämlich einige Kirchturmuhren im Blick. Seit 16 Jahren lebt die Augsburgerin in ihrer Eigentumswohnung in einem der drei markanten Hochhäuser zwischen Spickel und Herrenbach. Sie weiß, dass das Schwabencenter in Augsburg schon lange keinen guten Ruf mehr genießt. Aber viele Bewohner wie Christl Hangartner lassen auf ihr Zuhause nichts kommen. Sie lieben ihr Schwabencenter - und vor allem die Aussicht. Allerdings ist ihr Ausblick auf die Zukunft getrübt. Sie wissen nicht, wie es mit der Ladenpassage unter den Wohntürmen weitergeht. Der Eigentümer, Solidas, gibt nun einen Einblick in seine Pläne. Sie sehen einen Teil-Abriss vor, neue Wohnungen und vielleicht einen "höheren Blickfang" im Osten des Geländes.
Die Bewohner machen sich vor allem Sorgen um die Laden-Passage. Sie verkommt zusehends, immer mehr Geschäfte machten zuletzt dicht. Der Supermarkt Edeka ist auch wegen des Engagements der Bewohner geblieben. Manche sind auf den aktuellen Eigentümer, das Augsburger Immobilienunternehmen Solidas, nicht gut zu sprechen. Solidas hatte 2019 die Ladenpassage gekauft. Passiert nun aber, wie bei den vorangegangenen Eigentümern auch, wieder nichts? Das befürchten zumindest Bewohner. Fragt man bei dem Unternehmen nach, kommt Widerspruch: Im Hintergrund, so heißt es, werde kräftig geplant und gearbeitet.
"Wir sind seit Juni 2019 mit einer Bestandsanalyse und Machbarkeitsstudie durchgehend aktiv, wobei parallel ein Verkehrsgutachten über acht Monate hinweg erstellt wurde, um eine gänzlich neue Erschließung für dieses wertvolle Quartier anfertigen und prüfen zu lassen", sagt Solidas-Geschäftsführer Anton Kopp. Eine An- und Abfahrt über die Friedberger Straße, geregelt durch eine Ampel, wäre denkbar. " Wir arbeiten mit der Stadt Augsburg, trotz pandemiebedingten Unterbrechungen, seit Frühsommer 2020 eng zusammen", sagt Kopp.
So sieht Solidas die Zukunft des Schwabencenters in Augsburg
Vor allem aber geht es Solidas um die Zukunft der Ladenpassage und um ein mögliches neues Wohnquartier. Für Letzteres hat das Unternehmen ein Areal mit einer Fläche von 23.000 Quadratmetern im Visier. Dabei handelt es sich um den Bereich ab dem östlichsten Turm des Schwabencenters, auf dem sich derzeit Edeka und das Parkdeck befinden. Beides soll, so ist zumindest die Idee, abgerissen und neu geplant werden. Ein Wohnquartier mit Einzelhandel, Dienstleistungen, freies, gefördertes und junges Wohnen sowie gewerbliche Nutzung seien hier denkbar. Parkmöglichkeiten sollen unterirdisch entstehen. Auch ein Supermarkt ist wieder vorgesehen. Hier stehe man mit Interessenten in finalen Verhandlungen
Die Ideen würden im Moment mit der Bauverwaltung der Stadt Augsburg diskutiert, heißt es bei Solidas. Das Gerücht, dass es einen vierten Turm in gleicher Höhe wie die bestehenden Hochhäuser geben soll, bestätigt das Immobilienunternehmen nicht. Es sei aber denkbar, dass ein Architekturbüro, für das man sich entscheide, vielleicht einen "höheren Blickfang" entwickle. Für das neue Quartier seien Frei- und Grünflächen vorgesehen, um den Menschen Aufenthaltsqualität und Ruhe zu bieten.
Während die drei Türme des Schwabencenters mit den Wohnungen mehreren hundert Eigentümern gehören und damit quasi unantastbar bleiben, befindet sich die Ladenpassage im Sockelbereich des Komplexes im Besitz des Augsburger Immobilienunternehmens. Die Einkaufspassage mit den beiden Lichtkuppeln soll mit diversen neuen Nutzungen und einem neuen "Wohnzimmer" noch in diesem Jahr umgeplant werden. Bei Solidas hofft man, dass die Passage 2022 umgebaut werden kann, um den Standort Schwabencenter vital zu halten. An den Wohntürmen selbst sollen die Fassaden ein neues Gewand bekommen.
Bewohner wollen informiert werden
Durch eine Architekten-Mehrfachbearbeitung will Solidas eine überzeugende städtebauliche und architektonische Idee finden, die dann auch in einen neuem Bebauungsplan, den die Stadt festlegen muss, umgesetzt werden kann. Die Ideen und Planungsvorgaben sollen laut der Solidas "zeitnah" den politischen Gremien vorgetragen werden. Bis zum Sommer würde man gerne die Zusammenarbeit mit einem namhaften Architekturbüro beginnen. Man hoffe, dass die Realisierung der Architektenidee für das Quartier dann nicht länger als drei Jahre dauere.
Für Lisa Schuster ist es vor allem wichtig, dass die Bewohner von dem Unternehmen auf dem Laufenden gehalten werden. Schuster leitet im Schwabencenter das sogenannte Wohnzimmer. Es ist ein Quartiersentwicklungsprojekt des Sozialzentrums der Arbeiterwohlfahrt. In der Begegnungsstätte wird gebastelt, Kaffee getrunken und auch gefeiert, wenn keine Pandemie ist. "Die emotionale Lage der Menschen im und um das Schwabencenter ist düster, weil jeden Tag in der Ladenpassage weniger los ist", beobachtet sie. "Eine Perspektive ist für sie wichtig." Bei Solidas wird versichert, dass man nach einer Stadtratsentscheidung den Bewohnern vierteljährlich ein Infoblatt zur Verfügung stellen werde. Das wird Karin Eisenmann-Martin, die in einem der Hochhäuser lebt, freuen zu hören. "Bislang kursieren immer wieder Gerüchte, aber als gewöhnlicher Bewohner erfährt man ja nichts." Dafür schaut die 78-Jährige gerne von ihrer Wohnung im 13. Stock über Augsburg. Dieser Ausblick zumindest ist ihr sicher.
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