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Augsburg: Schlussstrich nach dem Marktsonntag

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Schlussstrich nach dem Marktsonntag

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    Auf die Entwicklungen im stationären Einzelhandel reagiert Kürschnermeister Walter Wölfle. Zum Jahreswechsel schließt er sein Geschäft Pelzmoden Rottner in der Neuburger Straße.
    Auf die Entwicklungen im stationären Einzelhandel reagiert Kürschnermeister Walter Wölfle. Zum Jahreswechsel schließt er sein Geschäft Pelzmoden Rottner in der Neuburger Straße. Foto: Annette Zoepf

    So kurz vor dem Lechhauser Marktsonntag schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe. Zum Jahresende wird Walter Wölfle, der als feste Größe im Einzelhandel des Stadtteils galt und gilt, sein Geschäft in der Neuburger Straße 24 liquidieren. Harte Worte, die der Kürschnermeister und Inhaber von Pelzmoden Rottner seltsam gelassen ausspricht. Doch Wölfle, der sich weiter für die Aktionsgemeinschaft und Lechhausen engagieren will, ist Realist. Seine Zustandsbeschreibung der hiesigen Verhältnisse fällt entsprechend nüchtern aus.

    „Wie soll ich eine Wohlfühlatmosphäre schaffen, wenn sich vor Nachbars Ladentür über Monate hinweg die Kartonagen stapeln“, fragt er. Dies wiederum habe erst einmal die Trinkerszene magisch angezogen, die auf den Kartons ihre Flaschen abstellte. Gleichzeitig steigen die laufenden Kosten des eigenen Ladens von Jahr zu Jahr an, sagt er, insbesondere die Mieten. Währenddessen werden seiner Meinung nach das Internet und die darin vertretene Billigkonkurrenz immer mächtiger. Ein Rechenbeispiel: Statt 100 Kunden kämen heute täglich nur noch 70 in einen Laden. Der nächste Punkt, der ihn zur Geschäftsaufgabe bewog, sei der Fachkräftemangel: „Meine Näherin hat hier gelernt“, sagt er, „jetzt ist sie über 70 – habe also ein Alter erreicht, in dem man übers Aufhören nachdenken darf.“

    Kein Nachfolger in Sicht

    Doch im Grunde genommen ist es für Walter Wölfle eine kaufmännische Entscheidung. Er, der den Laden vor 28 Jahren übernahm, wähnt sich frei in seiner Entscheidung. Weil es wie in vielen anderen Handwerksbetrieben auch in seinem Fall keine Nachfolge gebe, kamen er und seine Frau Angelika überein, dass der Aufwand für das stationäre Angebot enorm sei – sprich, sich immer weniger rechnet. 17 Jahre sei es nun her, dass die Innenausstattung erneuert wurde. Doch obwohl sie noch schön sei, müsste „hier längst wieder etwas gemacht – also investiert – werden“, sagt Wölfle. Nur kalkulatorisch seien 50000 Euro unter den gegebenen Umständen nicht mehr drin.

    Glücksspiel ist ein Thema

    Unmittelbar betroffen war Wölfle, der sich auch als Stadtteilmanager für die Belange der Lechhauser Einzelhändler einsetzte, von gewissen anderen Entwicklungen. Genannt seien die Baustellen vor seinem Laden, die seiner Meinung nach zwar notwendig, dem Geschäft aber nicht zuträglich waren. Der Stadtteil sei dadurch unter anderem um die Fernwärme und eine neue Lechbrücke reicher geworden, dafür aber um manchen Kunden ärmer. Und noch etwas liegt der Aktions- und Unternehmergemeinschaft Lechhausen samt ihrem Vorstand auf der Seele: das Thema Glücksspiel. Wölfle denkt vor allem an die Wettannahmestelle in der Videothek an der Einmündung Quellenstraße, wenn er sagt: „Wenn neben dir so was aufmacht, dann hebt das nicht gerade das Einkaufsgefühl.“ Wie der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Lechhausen ist der Kürschnermeister aber überzeugt davon, dass die Unternehmergemeinschaft maßgeblich dazu beitrug, ein Glasscherbenviertel zu einem renommierten Stadtteilzentrum entwickelt zu haben.

    Hinzu kommen aber auch die Vorurteile, mit der seine Branche generell zu kämpfen habe. „Pelz“, davon ist der Kürschner überzeugt, „passt ökologisch absolut in die Zeit – auch wenn das mancher vielleicht anders sieht.“ Unter diesen Umständen hat sich Wölfle entschlossen, nicht in der gewohnten Form weiterzumachen. Eigentlich will Wölfle Mode machen, aber der Kunde sei nicht gewillt, für Individualität und handwerkliche Leistung das zu bezahlen, was sie wert ist.

    Die letzte Modenschau

    Hingegen geht die Arbeit am getragenen Pelz in seinem Unternehmen hervorragend, sagt er. Für Reparaturen und Umarbeitungen brauche er auch keinen Laden mehr, sondern könne sich auf eine Werkstatt beschränken. Geeignete Räume habe er bisher noch nicht gefunden, aber der Mietvertrag laufe ja noch drei Monate. Momentan ist der Geschäftsmann am Aufräumen. Der Räumungsverkauf beginne am Marktsonntag, sagt er. Dann wird es eine letzte Modenschau auf der gesperrten Neuburger Straße geben. Bis zum 10. Dezember würden noch Dinge zur Reparatur, Umarbeitung oder auch Reinigung angenommen. Aber für Wölfle ist nun Schluss. Es seien „28 schöne Jahre gewesen“, sagt er rückblickend, aber man solle dann aufhören, wenn es am Schönsten ist. „Das ist tatsächlich so“, fügt er hinzu.

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