Stadtregierung und Opposition haben sich am Freitag im Augsburger Stadtrat einen teils scharfen Schlagabtausch zu der Impfung in einer Steuerkanzlei vergangene Woche geliefert. „Es ist das Gefühl entstanden, dass etwas nicht stimmt im Staate Augsburg“, so Sozialfraktionschef Florian Freund (SPD) in Richtung von Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne). Er warf der Stadt vor, kein systematisches Vorgehen im Fall von übrig gebliebenen Impfdosen zu haben. Weber konterte scharf.
Freund reiße Aussagen aus dem Zusammenhang und gebe sie verkürzt wieder. „Zur von Ihnen angesprochenen Gefühlslage tragen Sie schon selbst in erheblichem Maß bei“, so ihr Vorwurf.
Weber und Erben hatten die Impfung in der Kanzlei zuvor als „Fehler“ bezeichnet und sich bei Bürgern aus höheren Risikogruppen entschuldigt, die schon länger auf einen Termin warten. Wie berichtet hatte ein Impfteam vergangene Woche die knapp 50-köpfige Belegschaft einer Kanzlei besucht, nachdem an diesem Tag kaum bettlägrige Bürger, für die die Impfteams eigentlich ausrücken, zur Impfung gemeldet waren. Mitarbeiter der Kanzlei sind, weil sie Teil der Rechtspflege sind, in der Priorisierungsgruppe 3 eingestuft.
Erben spricht bei der Impfung in der Augsburger Kanzlei von einer Grauzone
Reiner Erben bekräftigte, dass alle Geimpften eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorlegen mussten sowie eine eidesstattliche Versicherung unterzeichnen mussten, dass sie dort beschäftigt sind. Ein Blankoformular wurde an die Wand des Sitzungssaales projiziert. Auf die Frage von Lars Vollmar (Bürgerliche Fraktion, FDP), wieso auch Mitarbeiter aus Sekretariat oder Steuerassistenten geimpft wurden, die wohl nicht viel Außenkontakt haben und auch nicht an herausgehobener Stelle in der Rechtspflege arbeiten, sagte Erben, dies sei ein Grundproblem, das sich auch schon in Pflegeeinrichtungen bei der Impfung des Personals gestellt habe. „Wer gehört dazu und wer nicht? Das ist eine Grauzone“, so Erben.
In Pflegeeinrichtungen habe man immer möglichst das ganze Personal geimpft und sich nicht auf Mitarbeiter mit engem Kontakt zu Pflegebedürftigen beschränkt, um Infektionen in der Belegschaft zu verhindern. Eindeutig geregelt sei das aber nicht. Im Anmeldebogen des staatlichen Impfportals gibt es nur die Option: „Ich arbeite in Einrichtungen zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens“, die angekreuzt ist oder nicht. Weitere Informationen gebe es für die Mitarbeiter des Impfzentrums nicht.
OB Eva Weber: Augsburger Impfzentrum plant akribisch vor
Erben erklärte, dass man auf Angehörige der Priorität 3 ausgewichen sei, obwohl es noch angemeldete Personen in höheren Stufen gab, habe an organisatorischen Gründen gelegen. Man hätte für das Impfteam sonst auf die Schnelle keine Anlaufstelle gehabt. Laut Verordnung, so Erben, könne von der Impfpriorisierung abgewichen werden, wenn dies der Effizienz diene. Rein rechtlich sei das Vorgehen insofern in Ordnung gewesen.
Auf den Vorhalt der Opposition, dass die Stadt auf den Umgang mit übrig gebliebenen Impfdosen nicht vorbereitet sei, entgegnete Weber, dass es diese nur selten gebe, weil das Impfzentrum akribisch vorplane. In diesen Fällen rufe man bei Polizei oder Feuerwehr an, die dann kurzfristig Mitarbeiter zur Impfung schicken. „Lange Hop-On-Listen sind da gar nicht nötig“, so Weber. Aus anderen Landkreisen höre sie, dass Steuerberater oder Anwälte abends noch auf gut Glück beim dortigen Impfzentrum vorbeifahren, um einen Impftermin zu ergattern. In Augsburg gebe es so etwas nicht. Im Fall der Steuerkanzlei seien im übrigen auch nicht übriggebliebene Impfdosen, sondern freie Kapazitäten beim mobilen Impfteam ausschlaggebend gewesen.
Bisher gab es in Augsburg um die 40.000 Impfungen, rund 10.000 Bürger haben bereits beide Impfgänge hinter sich. Aktuell sind in der Priorität 1 nur noch drei Personen registriert und warten auf einen Termin, in Priorität 2 sind es 6000. Bisher hätten sich 54.000 Personen in Augsburg für eine Impfung registriert.
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