Es ist ein kleines Holzhäuschen auf Rädern für Obdachlose und die große Frage ist, wo es aufgestellt werden kann. Der Arbeitskreis Wohnen hat das erste „Little Home“ in Augsburg gebaut. Es soll ein Angebot für Menschen sein, die auf der Straße leben und vorübergehend Schutz vor Nässe und Kälte suchen. Ähnliche Häuschen stehen in Köln. In Augsburg sei die Suche nach einem Standort sehr schwierig, sagen die Aktiven. Laut Sozialreferent Stefan Kiefer könnte es nun aber eine Lösung geben.
Augsburgs erstes Little Home ist drei Quadratmeter groß. Außen hat es einen blau-gelben Anstrich, innen eine minimalistische Ausstattung mit Bett, Klapptisch und einer Camping-Toilette. Der Arbeitskreis Wohnen hat das Häuschen auf Rädern im Rahmen der „Meins-Eigentumskonferenz“ der Solidarischen Stadt Augsburg realisiert. Die Baukosten von 1250 Euro wurden von der Stadt mitfinanziert. Nun ist das „Little Home“ seit Langem fertig. Nur: Einziehen kann bislang keiner, nicht einmal im Winter.
Das Thema ist "sozial verträgliches Wohnen"
Einen Monat war das Häuschen auf Rädern in der Innenstadt zu sehen. Dort sollte es auf das Thema „sozial verträgliches Wohnen“ aufmerksam machen. Aus Sicht der Aktivisten zeigt ein Blick in andere Städte, wie es in Augsburg weitergehen könnte. In Köln und in anderen Städten gebe es inzwischen über 100 „Little Homes“. Diese seien fest in die Stadtbilder etabliert und sehr gefragt.
Und in Augsburg? Hier gibt es vor allem ein Problem, wie Aktive vom Arbeitskreis Wohnen erläutern: „Wir suchen seit Juli nach einem Standort für das Häuschen, haben bisher leider noch nichts Passendes gefunden.“ Die Aktiven appellieren an Augsburger Bürger. Sie sollen sich melden und einen Stellplatz für das Häuschen zur Verfügung zu stellen. Ziel für 2020 sei, einem Menschen vorübergehend Obdach zu geben. Wer einziehen darf, will der Arbeitskreis Wohnen nach den Kriterien des Vereins „Little Home“ entscheiden. Im Arbeitskreis betont man, dass ein Leben in dem Häuschen keine langfristige Lösung sein soll. Vielmehr soll es ein temporärer Schutzraum sein, der als Ausgangspunkt für weitere Schritte und Hilfen dienen kann. Der Arbeitskreis bemüht sich auch bei der Stadtverwaltung darum, einen langfristigen Standort fürs „Little Home“ in Augsburg zu finden. „Die Leute bei der Stadt finden das Projekt gut, aber bislang geht es nicht weiter“, sagt Laura Will vom Arbeitskreis. Kürzlich gab es ein Treffen der Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnothilfe. Demnach tut sich womöglich eine Perspektive auf.
Viele Details zum Standort der Schlafkapseln sind noch zu klären
Sozialreferent Kiefer sagt, die städtische Wohnbaugruppe (WBG) habe unverbindlich einen Platz für das vorhandene „Little Home“ in einer Wohnanlage in Aussicht gestellt, allerdings nur dann, wenn die notwendigen Rahmenbedingungen verlässlich geklärt werden können und die Betreuung sichergestellt ist. Zu klären ist nach Kiefers Einschätzung noch vieles: etwa die Fragen der Wasserversorgung und Sanitäranlagen, die Entsorgung der Campingtoilette, die Sicherheit, aufsuchende Sozialarbeit und das Vergabesystem fürs Häuschen.
Infos über Obdachlosenheime in Augsburg
Niemand weiß genau, wie viele Obdachlose es tatsächlich in Augsburg gibt. Klar ist allerdings, dass Anfang 2019 knapp 300 Menschen in städtischen Einrichtungen untergebracht waren. Im Jahr davor lag die Zahl noch bei 223.
Seit August 2018 gibt es ein neues Übergangswohnheim extra nur für Frauen in der Stadtberger Straße in Pfersee. Hier können 30 Frauen einen Platz finden. Mieter ist die Stadt, Träger ist der Sozialdienst katholischer Frauen, der sich mit Pädagoginnen vor Ort um die Klientinnen kümmert.
Auch bei anderen Übergangswohnheimen arbeitet die Stadt mit freien Trägern zusammen. In der Johannes-Rösle-Straße ist Platz für rund 85 Männer. Hier ist der SKM (Katholischer Verband für soziale Dienste) der Partner der Stadt.
Auch für Familien bietet die Stadt Übergangswohnungen, wie etwa in der Höfatsstraße oder im Drosselweg. Rund 53 Familien mit insgesamt 188 Personen sind dort derzeit untergebracht. Die Stadt kooperiert mit Fachdiensten, wie mit der Caritas, um Betroffenen wieder auf die Füße zu helfen. (AZ)
Kiefer sagt, „Einigkeit besteht darin, dass diese Form der Unterkunft niemals eine Dauerlösung sein kann, weil hier nicht einmal die Mindeststandards ordnungsrechtlicher Unterbringung erfüllt werden.“ Insofern erfülle das Projekt auch nicht die Standards, die die Stadtverwaltung selbst verfolge. Der Sozialreferent sagt sogar: Würde die Stadt eine solche Unterbringung als einzige Lösung anbieten, könnte der Nutzer des „Little Homes“ vor Gericht erfolgreich dagegen klagen. Dennoch könne die Schutzfunktion des Häuschens sinnvoll sein, wenn Obdachlose eine Unterbringung in einer städtischen Einrichtung ablehnen.
Könnten „Little Homes“ in Augsburg ähnlich wie in Köln entstehen, wenn man dafür die nötigen Grundstücke finden würde? Auch da ist der Sozialreferent skeptisch. Abgesehen von baurechtlichen Fragen sieht er die Häuschen nicht als eine Lösung gegen die Wohnungsnot im Allgemeinen. Allenfalls seien sie eine Hilfe für obdachlose Menschen, die den Weg in die Notunterkünfte der Stadt nicht gehen wollen.
Obdachlosigkeit hat in Augsburg leicht zugenommen
Aktuell leben rund 300 Personen in Augsburg in Obdachlosenunterkünften. Nach Einschätzung des Sozialreferenten hat die Obdachlosigkeit in Augsburg über die Jahre hinweg leicht zugenommen. Wie viele Menschen kein Dach über dem Kopf haben, weiß man nicht genau. Dazu werden keine Statistiken geführt. Schätzungen zufolge müssen mehr als 1000 Personen ohne eine Wohnung auskommen. Versteckte Wohnungslosigkeit gilt als das eigentliche Problem.
Aber auch nicht alle Menschen, die auf der Straße leben, wollen in eine Notunterkunft. In Ulm werden derzeit die sogenannten „Ulmer Nester“ getestet. Sie sehen ähnlich aus wie Kisten; Obdachlose können darin schlafen und sind sicher vor Kälte. Für Kiefer sind diese Angebote keine Option. Die Einrichtung solcher Schlafkapseln sei zwar diskutiert worden. Für die Stadt seien sie aber kein Thema, weil sie die gesetzlichen Unterbringungsstandards wie Heizung und fließend Wasser nicht erfüllen.
Kiefer sagt, „um das Ziel zu erreichen, dass obdachlose Menschen vor Kältetod geschützt sind, haben wir andere Wege gewählt“. Die Stadt unterstütze die Wärmestube und den Kältebus des SKM. Diese Angebote seien ausgebaut worden. Insgesamt habe die Stadt bei der Wohnungslosenhilfe deutlich höhere Standards als früher geschaffen. Dafür werde deutlich mehr Geld ausgegeben. Neben Männern haben nun auch Frauen eine eigene Unterkunft. Selbst der mitgebrachte Hund kann im Tierheim versorgt werden, ohne dass der Besitzer den Kontakt zum Hund aufgibt.
Referent: Niemand muss auf der Straße schlafen
Aus diesen Unterkünften seien in den vergangenen 15 Monaten einige Dutzend Menschen wieder in normalen Wohnraum gebracht worden, so Kiefer. „Ich denke, dass dies gute Angebote und Entwicklungen sind, weshalb Menschen, die obdachlos sind, nicht auf der Straße schlafen müssen und sollten.“
Der Arbeitskreis nimmt Standortangebote für Little Homes entgegen unter der Adresse ak-augsburg@posteo.de.
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