Die inzwischen fallen gelassenen Überlegungen der Stadt, das Alte Stadtbad zu verkaufen, haben das Gebäude ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Was kaum jemand weiß: Nach dem Krieg arbeitete dort der NS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie, der als Symbol für den Nazi-Terror gilt und dessen Auslieferung 1983 von Bolivien an Frankreich für enormes Aufsehen sorgte, als Informant des US-Geheimdienstes.
Er trug den Namen "Schlächter von Lyon", weil er prügelte, folterte, deportieren und morden ließ. Als Klaus Barbie, 1913 als Sohn eines Lehrers in Bad Godesberg geboren, 1942 als Chef der Gestapo in Lyon anfing, soll er gesagt haben: "Ich bin gekommen, um zu töten."
Bei der Verfolgung der Juden und der Resistance war Barbie ein grausamer Handlanger des Nazi-Regimes. Die Berichte sprechen von wochenlangen Folterungen mit Peitschen, von bewusstlos geschlagenen Frauen und deren anschließendem sexuellen Missbrauch durch Tiere, von Verhören, die nicht selten mit dem Tod endeten.
Bis diesem Sadisten Gerechtigkeit widerfuhr, vergingen Jahrzehnte, und einige dieser Jahre spielten in Augsburg. Hier tauchte Barbie 1948 auf. Barbie hatte zu diesem Zeitpunkt Jahre im Halbdunkel des Nachkriegsdeutschland verbracht, immer auf der Flucht. Die Jagd nach ihm lief, es lag ein französischer Haftbefehl vor. Da tat sich eine Tür auf: Über alte Kontakte verdingte er sich beim US-Geheimdienst CIC, dem Abwehrdienst der Armee.
Dass dies funktionieren konnte, lag an den damaligen Gegebenheiten: Der heraufziehende Kalte Krieg und die Furcht vor kommunistischen Aktivitäten brachte die Amerikaner dazu, bei Alt-Nazis ein Auge zuzudrücken. Für Barbies Vergangenheit interessierte man sich zumindest nicht besonders. In einem Aktenvermerk wird er als "rechtschaffener Mann" bezeichnet. Zwar fiel irgendwann im CIC schon auf, wen man da angeheuert hatte, aber die Ermittlungen wurden halbherzig geführt.
Ein Büro im ersten Stock eingerichtet
Barbie, seine Frau und seine beiden Kinder wurden also von den Amerikanern in der Mozartstraße in Stadtbergen in einem Eckhaus einquartiert. Und als Arbeitsplatz richtete man ihm im Stadtbad im ersten Stock ein Büro ein. Auch ein Kompagnon von Barbie sowie dessen Führungsoffizier beim CIC hatten dort Büros. Der Amerikaner Erhard Dabringhaus, Barbies Führungsoffizier, erinnert sich in seinem Buch "Barbie worked for me", dass die Büros günstig lagen, weil sie mit dem Haupteingang verbunden waren und man sie ohne Aufsehen betreten konnte. Bei einem Besuch in Augsburg merkte Dabringhaus 1983 an, dass ihm Barbies Vergangenheit erst nach und nach aufgegangen sei, und das auch nicht in vollem Ausmaß. "Rückblickend muss ich sagen: Ich hätte ihn festnehmen sollen", so Dabringhaus.
Doch in Teilen des CIC schätzte man Barbie. Er berichtete über bayerische Kommunisten, indem er sich in eine Partei-Versammlung in einem Augsburger Biergarten einschleusen ließ. Er sollte Gewerkschaften und Parteien unterwandern und französische und sowjetische Agenten überwachen. "Barbie (...) wurde zum verantwortlichen Leiter aller anti-französischen Aktivitäten. Er musste wahrhaftig den Eindruck haben, der Krieg sei niemals zu Ende gegangen", schreibt der britische Journalist Tom Bower in seiner Barbie-Biografie. Doch die Vergangenheit holte Barbie ein. In Frankreich wurde das Ausmaß seiner Verbrechen bekannt, die Zeitungen machten Druck, die französische Regierung verlangte seine Auslieferung. Der CIC spielte auf Zeit, hielt die US-Regierung hin. Barbie saß in der Mozartstraße, abgeschottet durch den Geheimdienst, wo man sich Gedanken machte, wie man den Mitarbeiter loswerden könnte.
Schließlich kam man auf die Idee, Barbie außer Landes zu schleusen. Auf der "Rat Line" (Rattenlinie) brachte man ihn 1951 nach Italien, wo er sich Richtung Südamerika einschiffte. In Bolivien lebte Barbie unter dem Namen Klaus Altmann in einer Villa bei La Paz. In Europa lief die Suche nach ihm weiter. Unterdessen hatte auch das Amtsgericht Augsburg Haftbefehle erlassen, weil es aufgrund des letzten Wohnortes zuständig war.
Die Klarsfelds machten den Alias-Namen öffentlich
Anfang der 70er Jahre flog die Tarnung auf. Das Ehepaar Beate und Serge Klarsfeld, das weltweit auf der Suche nach Alt-Nazis war, machte Barbies Alias-Namen öffentlich. Doch Barbie hatte sich mit der Militärjunta gut gestellt. Ein Auslieferungsantrag Frankreichs lief ins Leere. Doch als Bolivien 1983 eine demokratische Regierung bekam, war Barbies Zeit abgelaufen.
Er wurde ausgeliefert und in Lyon wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter anderem wegen 4300 Morden war Barbie bereits 1954 in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. 1991 starb Barbie im Gefängnis von Lyon. Ein Wort des Bedauerns hat er niemals geäußert. Von Stefan Krog