Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Sanierung der Komödie steht in der Kritik

Augsburg

Sanierung der Komödie steht in der Kritik

    • |
    Über die Sanierung des Gignoux-Hauses wird unter Denkmalpflegern intensiv diskutiert. Es geht um die Frage, wie viel Original zu erhalten ist.
    Über die Sanierung des Gignoux-Hauses wird unter Denkmalpflegern intensiv diskutiert. Es geht um die Frage, wie viel Original zu erhalten ist. Foto: Silvio Wyszengrad

    Das reich verzierte Gignoux-Palais im Augsburger Lechviertel ist über 250 Jahre alt. Das Bauwerk aus dem Rokoko zählt zu den hochrangigen Augsburger Denkmälern. Jahrelang war es unter wechselnden Besitzern immer mehr verfallen. Jetzt hat der neue Eigentümer, ein Münchner Privatmann, mit der Sanierung begonnen. Doch die Art und Weise, wie das Gebäude modernisiert werden soll, sorgt für Protest. Zehn renommierte Experten haben sich in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Kurt Gribl gewandt. Sie kritisieren einen „unangemessenen Umgang“ mit dem Baudenkmal und appellieren an die Stadtspitze, weit reichende Zugeständnisse an den Investor zu überprüfen.

    Anlass der massiven Kritik ist eine Entscheidung im Bauausschuss des Stadtrates. Er hatte sich Mitte Dezember mit einer Gegenstimme (Volker Schafitel, Freie Wähler) über Bedenken der bayerischen Denkmalschutzbehörde hinweggesetzt und dem Münchner Investor umfangreiche bauliche Änderungen von Innenräumen im Gebäude am Vorderen Lech genehmigt. Diese Genehmigung hatte die Firma FE Immo Projekt GmbH als Bauherr beantragt.

    Konkret geht es um den Abbruch von Innenwänden im Südteil des Hauptflügels des Gignoux-Hauses. Hier sollen mehrere Wände entfernt werden, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Ziel ist es, jeweils einen großen Raum im ersten und im zweiten Obergeschoss zu gewinnen. Die Denkmalschutzbehörde hatte den Erhalt der historischen Wände gefordert. Baureferent Gerd Merkle (CSU) machte damals in der Sitzung geltend, dass das bröckelnde Gebäude dringend saniert werden müsse und weitere Verzögerungen ein Problem seien. Auch der Augsburger Stadtheimatpfleger, Architekt Hubert Schulz, hatte sich in der Sitzung nicht auf die Seite des Denkmalschutzes geschlagen. Er wies darauf hin, dass die ursprüngliche Form der Räume wieder hergestellt werde.

    Kritik an Beschluss

    Der Beschluss im Bauausschuss hatte schon im Dezember für Kritik unter Denkmalschützern gesorgt. Nun melden sich zehn Wissenschaftler und Experten gemeinsam zu Wort – in einem offenen Brief an die Stadtspitze. Das Schreiben des Augsburger Kunsthistorikers Gregor Nagler ist unter anderem von dem deutschen Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, von Barbara Wolf vom Architekturmuseum Schwaben und mehreren Wissenschaftlern der Universität Augsburg unterzeichnet. Sie haben sich genauer mit der Bausubstanz des Gignoux-Hauses beschäftigt und kommen zu einem ganz anderen Ergebnis als der Bauausschuss.

    Das heutige Gebäude entstand 1764/65 und wurde damals als Kattunfabrik mit Wohn- und Geschäftsräumen errichtet. Im 19. Jahrhundert wurde es mindestens zweimal stark umgebaut. Dadurch sei das Innere stark verändert worden, sagen die Wissenschaftler. Ziel sei damals gewesen, die ursprüngliche Raumfolge in mehrere Wohnungen zu unterteilen. Auch in die Manufaktursäle seien Wände eingezogen worden, ebenfalls in jene Erkerzimmer, über die der Bauausschuss abstimmte. Nach den Recherchen wurden dabei auch frühere Bauelemente wiederverwendet, darunter eine klassizistische Flügeltüre mit Gips-Reliefs, bemalte Türflügel und weitere wertvolle Malereien. „Diese Fragmente des 18. Jahrhunderts im Gignoux-Haus gehören auf jeden Fall zu den hochwertigsten ihrer Art in Augsburg“, schreibt Kunsthistoriker Nagler. Sie hätten bei den späteren Umbauten eine historisch bedeutsame „Wiederverwendung“ gefunden.

    Die Unterzeichner des Briefs kommen zu dem Ergebnis, dass das Gignoux-Haus mit seiner Baugeschichte im 18. und 19. Jahrhundert insgesamt zu einer neuen Einheit geformt wurde. Gerade das sei ein ganz besonderer Wert des Baudenkmals. Aus ihrer Sicht ist es nicht mehr möglich, den Originalzustand des gesamten Gebäudes heute wieder herzustellen. Eine punktuelle Wiederherstellung einzelner Räume erscheine aus denkmalpflegerischer Sicht deshalb ebenfalls nicht sinnvoll. Sie bedeute vielmehr eine Zerstörung des besonderen baulichen Charakters.

    Die Experten appellieren an OB Gribl, die Sanierung noch einmal zu diskutieren. „Die Entscheidung des Bauausschusses scheint uns einem für Augsburg so hochrangigen Baudenkmal nicht angemessen. Wir bitten daher, den Vorgang nochmals zu prüfen.“ Wenn das Gignoux-Haus in seiner historischen Aussagekraft und Denkmalbedeutung bewahrt werden solle, müsse die überlieferte Substanz so weit wie möglich erhalten bleiben.

    Kritik hatte Nagler schon früher an der Rolle von Heimatpfleger Schulz bei der Entscheidung zum Gignoux-Haus geübt. Eine seiner Aufgaben sei es, als „Anwalt“ für Denkmäler aufzutreten. Stattdessen sei er der Denkmalpflege in den Rücken gefallen und habe sich auf die Seite von Baureferent Merkle geschlagen. Schulz sagte auf Anfrage unserer Zeitung, er habe im Bauausschuss keine Empfehlung abgegeben. Das Thema sei „politisch entschieden“ worden, was er für problematisch halte. Im Vorfeld sei mit allen Beteiligten über die Sanierung des Gignoux-Hauses gesprochen worden. „Wenn die Gespräche aber nicht zu einem Ergebnis führen, steht man vor einer Wand und kommt nicht weiter“, sagt Schulz. Er sei der Meinung, dass denkmalpflegerische Fragen zwischen den Bauherren und dem Denkmalschutz geklärt und nicht „von außen entschieden“ werden sollten.

    Gespräche nach Ostern

    Eine Sprecherin der Stadt sagte am Dienstag, man könne derzeit noch keine Einschätzung zu dem offenen Brief an den OB treffen. Wenn Baureferent Merkle aus dem Osterurlaub zurück sei, sollen dazu Gespräche geführt werden. Dann werde es eine Entscheidung über das weitere Vorgehen der Stadt geben. Beim Gignoux-Haus sind nach Angaben der Stadt bislang nur vorbereitende Arbeiten erfolgt. Die eigentliche Sanierung des Baudenkmals habe noch nicht begonnen. Der Investor wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu der Kritik an seinen Plänen äußern.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden