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Augsburg: Rohrreiniger-Abzocke: 1200 Euro für eine Stunde Arbeit

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Rohrreiniger-Abzocke: 1200 Euro für eine Stunde Arbeit

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    Wenn der Abfluss verstopft ist, muss schnelle Hilfe her. Dabei ist eine Familie aus Hochzoll bundesweit agierenden Betrügern auf den Leim gegangen.
    Wenn der Abfluss verstopft ist, muss schnelle Hilfe her. Dabei ist eine Familie aus Hochzoll bundesweit agierenden Betrügern auf den Leim gegangen.

    1160 Euro für den Einsatz einer Rohrreiniger-Firma – diese Abzocke erlebte eine Familie aus Hochzoll. Die Augsburger Polizei nennt diese Vorgehensweise Wucher. Und das sei kein Einzelfall. Was war passiert? Freitagnachmittag. In der Dusche im zweiten Stock des Hauses von Sonja und Dietrich K. stank es. Das Abflussrohr war verstopft, das Abwasser aus der Toilette drückte über den

    Kostenlose 0800-Nummer

    Sonja K. rief Samstagvormittag über eine kostenlose 0800-Nummer an. Um 15.30 Uhr kamen die Handwerker. Ihr Sohn sah einen weißen Kleinwagen vor dem Haus stehen – allerdings ohne jeglichen Firmennamen. Seltsam sei gewesen, dass das Auto kurz darauf umgeparkt wurde. Womöglich, um das Mühlheimer Kennzeichen zu verstecken, wie der Familie im Nachhinein klar wurde.

    Die zwei Monteure erläuterten das Preisgefüge: Die Arbeitszeit betrage 39,90 Euro pro Viertelstunde – plus Arbeiten mit einer Reinigungs-Spirale. Diese wurden mit 69,90 Euro pro laufender Meter als „Elektromagnetische Reinigung“ auf der Rechnung ausgewiesen. Sonja K. beriet sich mit dem Handwerker und ging davon aus, dass die Rohrlänge maximal zwei Meter betragen würde. Eine Bedingung gab es allerdings: sofortige Zahlung.

    Bad schwamm in Dreck und Wasser

    Die Handwerker montierten die Toilette ab; dreimal kam dann die „Elektromagnetische Reinigung“ zum Einsatz. Der Erfolg war mehr als zweifelhaft, wie Dieter K. schildert: „Nach über einer Stunde waren die Handwerker fertig. Es war eklig: Das Bad schwamm in Dreck und Wasser. Einen Sauger hatten sie nicht, auch die Toilette war nur notdürftig montiert.“ Doch das wirklich dicke Ende kam mit der Rechnung.

    Für angeblich 13,50 Meter „Elektromagnetische Reinigung“ wurden 950 Euro fällig, mit Arbeitszeit und Mehrwertsteuer 1360 Euro. Die Handwerker drohten: Wenn nicht sofort gezahlt werde, würden sie nicht gehen. Das Kartenlesegerät hätten sie vergessen. Familie K. war geschockt und holte das Geld am Bankautomat. 200 Euro Nachlass erhielten sie wegen „Unannehmlichkeiten“. Letztendlich waren sie 1160 Euro los. Was war die Arbeit wirklich wert? Eine Anfrage bei der Firma Gerstmayer Rohrreinigung in Augsburg ergab: K.s hätten bei einem regionalen Handerker trotz Wochenendzuschlag nicht mehr als 300 Euro bezahlt.

    „Ein klarer Fall von Wucher“, sagt Siegfried Hartmann, Sprecher der Polizei in Augsburg. Er empfiehlt Betroffenen, auch im Notfall Ruhe zu bewahren und schon vorab zu recherchieren, ob ein Notdienst seriös ist. Im schlimmsten Fall gelte: Anzeige erstatten.

    Auch die Verbraucherzentrale Bayern warnt vor solchen Diensten und rät, man solle sich bei der Installateur-Innung nach seriösen Anbietern erkundigen. Am besten speichere man deren Nummer im Telefon oder Handy ab. Laut Verbraucherzentrale haben die betrügerischen Firmen in der Regel Adressen in Nordrhein-Westfalen, oft Mühlheim an der Ruhr; sie seien auch bei Google ganz oben gelistet. Bei Anrufen fahren sie quer durch Deutschland. Erkennbar seien sie daran, dass sie die Rechnung ohne Steuernummer ausweisen. Beliebt ist der Trick, die Rohrreinigung nach laufenden Metern und zusätzlich noch die geleistete Arbeitszeit abzurechnen. Doch trotz vieler Prozesse könne man den Abzockern das Handwerk nicht legen. Sie legen sich dann einfach eine neue Adresse zu.

    Mit 16 Geschädigten vor Gericht

    Familie K. ist auf ein deutschlandweit agierendes Netzwerk von Betrügern hereingefallen. Sie hat bei der Polizei Anzeige erstattet, ist mit der Verbraucherzentrale in Kontakt, hat selber recherchiert. Mit 16 Geschädigten möchte sie sich nun zu einer Musterfeststellungsklage zusammenschließen und hofft so, das Geld zurückzubekommen. Die Verbraucherzentrale weiß allerdings: Ist die Rechnung erst einmal bezahlt, hat man wenig Chancen, sein Geld je wiederzusehen.

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