Christoph Schindler, 35, ist Bildungswissenschaftler und Leiter des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät an der Universität Augsburg.
Der Augsburger Medizinstudiengang soll innovativ sein, was sind die Besonderheiten?
Christoph Schindler: Eine Besonderheit ist, dass wir die klassische Fächeraufteilung verlassen. Stattdessen vermitteln wir Wissen vernetzt und fächerübergreifend in sogenannten Modulen. Beispielsweise gibt es das Modul „Bewegung“, in dem es etwa um Knochen, Muskeln, Gelenke, Herz und Lunge geht. So sollen unsere Studierenden Symptome besser verstehen. Von Anfang an stellen wir auch Bezüge zwischen Grundlagenwissen und der praktischen Anwendung her. Die Frage dahinter lautet: Wo brauche ich dieses Wissen später als Arzt?
Die Medizinstudierenden sollen in Augsburg schon früh mit Patienten in Kontakt kommen, wie wird das konkret ablaufen?
Christoph Schindler: Auch das ist eine Besonderheit: Unsere Medizinerausbildung soll von Anfang an nah am Patienten sein. Dabei werden sie selbstverständlich ärztlich begleitet. Vorgesehen ist, dass die Studierenden anfangs ihr Wissen anwenden und konkrete Patientenfälle bearbeiten. In der zweiten Stufe haben sie Gelegenheit, an Patienten zu üben, die von Schauspielern verkörpert werden. In der dritten Stufe findet eine Einführung in die Arbeit mit realen Patientinnen und Patienten statt.
In der Medizin gibt es einen rasanten wissenschaftlichen Fortschritt. Wie stellen Sie sicher, dass die späteren Ärzte den neuesten Stand der Forschung an ihre Patienten weitergeben werden?
Christoph Schindler: In unserem Modellstudiengang wird wissenschaftliches Denken und Arbeiten von Anfang an gelehrt. Die Medizinstudierenden lernen früh, wie man etwa wissenschaftliche Studien liest und versteht und dieses Wissen für Patienten nützt. Das ist eine wichtige Kompetenz für die spätere Tätigkeit als Arzt. Auch die Durchführung eigener Forschungsarbeiten ist Lerngegenstand.
Auch die Prüfungen sollen in Augsburg anders laufen...
Christoph Schindler: Das Staatsexamen am Ende des zweiten Studienjahres, früher Physikum genannt, fällt bei uns weg. Stattdessen werden wir in Augsburg moderne kompetenzorientierte Prüfungsverfahren einführen. Sie sind über die ersten beiden Studienjahre gleichmäßig verteilt. Konkret werden wir nicht nur gelerntes Wissen abfragen, wir prüfen auch, wie man es als Arzt anwenden kann. Trotzdem ist sichergestellt, dass alle Inhalte des ersten Staatsexamens vorkommen.
Sind die Vorbereitungen fürs neue Augsburger Humanmedizinstudium im Zeitplan?
Christoph Schindler: Nach meiner Einschätzung liegen wir sehr gut im Zeitplan.
Welche Voraussetzungen müssen Bewerber fürs Medizinstudium bundesweit mitbringen?
Christoph Schindler: Der Ansturm aufs Medizinstudium ist in Deutschland sehr groß. Beim zentralen Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung gibt es deshalb festgelegte Quoten: 20 Prozent der Studienplätze werden an die Abiturbesten vergeben, weitere 20 Prozent über die Warteliste und 60 Prozent über das Auswahlverfahren der Hochschule (AdH).
Was bedeutet das Verfahren für Augsburg?
Christoph Schindler: Die Universität Augsburg hat für das AdH eigene Auswahlkriterien festgelegt. Neben der Abiturnote spielt der Medizinertest, der die Eignung für das Studium überprüft, eine Rolle. Bewerberinnen und Bewerber, die bei diesem Test gute Resultate erzielen, studieren in der Regel sehr erfolgreich. Bei uns können auch Bewerberinnen und Bewerber mit einer medizinnahen Berufsausbildung Punkte sammeln – etwa Krankenschwestern, Notfallsanitäter, Medizinisch-Technische Assistenten oder Physiotherapeuten, um Beispiele zu nennen. Punkte im Bewerbungsverfahren gibt es auch, wenn man einen Freiwilligendienst absolviert hat.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Dezember 2017 muss die Zulassung zum Medizinstudium bundesweit neu geregelt werden. Ändert sich dann am Augsburger Auswahlverfahren auch noch einmal etwas?
Christoph Schindler: Ab dem Jahr 2020 wird es neue Regelungen geben. Wir erfüllen in Augsburg jetzt schon die Vorgabe, weitere Kriterien neben der Schulnote zu haben.
In Augsburg werden im Oktober die ersten 84 Medizinstudierenden starten. Wer wird bei der Auswahl das Rennen machen?
Christoph Schindler: Wir sind schon sehr neugierig. Schaut man auf die Quoten, werden es maximal 17 Einser-Studenten aus den Abiturbesten sein, dazu maximal 17 Studierende, die über die Warteliste kommen. Wer die anderen sein werden, muss man abwarten, da hier neben einem guten Abitur eben auch die anderen Kriterien zählen. Es wird auf jeden Fall spannend. Bis zu vier Studienplätze können aufgrund einer deutschlandweiten Quote an ausländische Studierende gehen.
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