Nur die Anwälte und die Richterin sind da. Es ist ein Routinetermin, ein Fall unter vielen, eigentlich. Verhandelt vor dem Amtsgericht wird eine Räumungsklage um eine 46 Quadratmeter große Wohnung im Herrenbachviertel, die Miete ist noch günstig. Die Bewohnerin lebt seit Jahren in dem Gebäude; es ist wohl keine Miete offen, darum geht es also nicht. Die Frau soll trotzdem raus, finden die Vermieter. Weil sie, so heißt es in der Klage, die Wohnung „unbefugt an Dritte“ überlassen und außerdem Kellerräume genutzt habe, die ihr nicht zustünden. Zudem sei die Wohnung „verwahrlost und vermüllt“.
Vermieter melden häufig Eigenbedarf an
Behaupten die Vermieter. Anwältin Julia Starke, die die Frau vertritt, bringt in der Güteverhandlung noch eine andere Möglichkeit ins Spiel. Dass es um eine „gezielte Entmietung“ gehen könnte, es gebe schließlich kaum verbliebene frühere Mieter in dem Haus. Der Anwalt der Kläger sagt: „Da ist eine Sanierung dringend nötig, die Wohnungen sind am Ende.“ Richterin Simone Bader dringt auf eine gütliche Einigung. Doch die gibt es an diesem Tag nicht. Der Rechtsstreit geht also weiter, mit einem neuen Gerichtstermin, Zeugenbefragungen und einem möglichen Urteil.
Es ist ein Routinefall, eigentlich. Aber es geht auch um etwas Existenzielles: das Dach über dem Kopf. Es kann unterschiedliche Gründe haben, warum Mietern gekündigt wird und es im Extremfall zur Räumungsklage kommt. Vermieter melden Eigenbedarf an, beispielsweise. Oder Mieter verstoßen maßgeblich gegen Pflichten, etwa indem sie die Wohnung derartig verwahrlosen lassen, dass deren Substanz gefährdet wird.
Der häufigste Grund allerdings: Bewohner zahlen ihre Miete nicht. Grund für eine fristlose Kündigung ist es, wenn Mieter mit einem Betrag in Verzug sind, der zwei Monatsmieten erreicht – oder zwei Monate nacheinander die Miete nur teilweise bezahlt haben und der fehlende Betrag die Summe eine Monatsmiete überschreitet.
Fristlose Kündigung wegen Zahlungsunfähigkeit
Beim Amtsgericht, zuständig für Mietsachen, wird zwar keine Statistik über die Zahl der Räumungsklagen geführt. Zu der wichtigsten Gruppe, nämlich den Räumungsklagen nach fristloser Kündigung der Wohnung wegen vermuteter Zahlungsunfähigkeit, gibt es aber Zahlen. Das Amtsgericht teilt dem Sozialamt derartige Fälle obligatorisch mit. Inzwischen gibt es einen leichten Trend nach oben. Waren es 2016 noch 381 Räumungsklagen, gab es in 2017 eine Steigerung auf 398. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 400 Klagen.
In solchen Fällen bietet die Stadt Hilfe an. Innerhalb der Beratung wird versucht, die Mietschulden über ein Darlehen zu übernehmen, soweit diese angemessen sind und das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Allerdings, sagt Diana Erdin, bei der Stadt zuständig für Armutsprävention, reagiere nur weniger als die Hälfte der von der Räumung bedrohten Mieter auf die Schreiben der Stadt, in denen sie Unterstützung anbietet. „In den Fällen der gelungenen Kontaktaufnahme wird versucht, mit dem Vermieter und Mieter eine gütliche Einigung zu finden, um die drohende Obdachlosigkeit abzuwenden“, sagt Erdin.
Allerdings, sagt Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD), sei zum Zeitpunkt der Räumungsklage oft schon viel Geschirr zwischen Vermieter und Mieter kaputt gegangen. „Das Verhältnis der Vertragsparteien ist nicht selten schwer belastet und zerrüttet.“ Zudem tauchten viele zahlungsunfähige oder -unwillige Mieter ab. Deshalb wolle er die Armutsprävention bei der Stadt um eine Stelle verstärken, um mit aufsuchender Arbeit schon früher tätig zu werden.
Juristische Erstberatung im Wohnbüro
In Zusammenarbeit mit der „law clinic“ der Uni Augsburg, in der sich Jura-Studenten engagieren, wird seit kurzem eine juristische Erstberatung im städtischen Wohnbüro angeboten, um früher ansetzen zu können. „Denn wer einmal aus dem regulären Mietmarkt herausfällt, kann nur schwer wieder eingegliedert werden“, sagt Kiefer.
Thomas Weiand vom Mieterverein Augsburg sagt, er beobachte, dass die Zahl der Fälle in der Region seit einigen Jahren steige, in denen Mietern gekündigt wird. Vielfach, sagt Weiand, werde Eigenbedarf als Kündigungsgrund genannt. „Aber wir stellen zunehmend infrage, ob der Bedarf tatsächlich vorliegt.“ Auffällig oft gebe es bei Kündigungen aus Eigenbedarf zuvor Konflikte zwischen Mietern und Vermietern, sagt Weiand. Und auch die Fälle, in denen Mieter Räumungsschutz beantragen, steige. Damit können Bewohner zumindest Zeit gewinnen, ehe eine Räumung ansteht. Ob es auch signifikant mehr Räumungsklagen gebe als früher, könne er nicht beurteilen, sagt Weiand; der Mieterverein sei meist auch außergerichtlich tätig.
Beim Vermieterverband „Haus & Grund“ sieht man ebenfalls keine Tendenz zu gravierenden Steigerungen der Zahlen von Räumungsklagen. Geschäftsführerin Gabriele Seidenspinner bestätigt zugleich den Eindruck des Mietervereins, dass Kündigungen wegen Eigenbedarfs ein größeres Thema seien als noch vor ein paar Jahren.
Grundsätzlich, sagt Seidenspinner, sei der Augsburger Wohnungsmarkt noch kein Investorenmarkt wie in München. Vermieter und Mieter könnten „noch miteinander reden“. Das sei auch gut so. Räumungsklagen mit anschließender Gerichtsverhandlung beinhalteten immer Risiken für beide Seiten, sagt Seidenspinner. Ein Prozess könne lange dauern, koste Geld, und oft könne man nicht wissen, wie er einmal ausgehe.
Einen Kommentar zum Kampf um den Wohnraum lesen Sie hier Schattenseiten der Attraktivität einer Stadt