Der Prozess um das mutmaßliche Buskartell vor dem Augsburger Landgericht steht vor dem Aus. Weil die Corona-Zahlen zuletzt stark gestiegen sind, bleibt den Richtern wohl nichts anderes übrig, als das Verfahren länger zu pausieren oder auszusetzen. Angeklagt sind sechs Busunternehmer, denen vorgeworfen wird, den Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr in der Region durch Absprachen behindert zu haben. Vier der sechs angeklagten Firmenchefs sind älter als 70 und gehören damit zur Risikogruppe, die bei einer Infektion mit besonders schweren Folgen rechnen muss.
Bislang ist in dem Prozess nur die Anklageschrift verlesen worden, stattdessen wurde an zwei Prozesstagen über die Frage diskutiert, ob das Mammutverfahren mit fast 40 Beteiligten in Corona-Zeiten überhaupt zu verantworten ist. Nun wird der Prozess wohl erst einmal ganz gestoppt.
Der Prozess, der in der Branche großes Aufsehen erregt, fand bisher im größten Sitzungssaal des Augsburger Justizpalasts statt. Mehrere Verteidiger hatten von Beginn an moniert, dass die Corona-Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten werden könnten. Das Gericht allerdings wollte den Prozess zunächst weiter durchziehen. Die Richter hatten vor Prozessbeginn einen Gutachter damit betraut, den Saal anzuschauen und zu prüfen, ob das Verfahren dort stattfinden kann. Zunächst hatte der Gutachter, ein Facharzt für Hygienemedizin, dafür auch grünes Licht gegeben.
Inzwischen aber ruderte er nach Informationen unserer Redaktion zurück. Angesichts der stark gestiegenen Fallzahlen und des Teil-Lockdowns sei es schwer begründbar, einen Verhandlungstag durchzuführen, schrieb er in der vorigen Woche ans Gericht. Eigentlich war vorgesehen, dass sich der Gutachter Ende November noch einmal selbst ein Bild von der Situation in dem Sitzungssaal macht. Der Gutachter schlägt nun Schnelltests als eine mögliche Lösung vor - doch es erscheint fraglich, ob das in der Praxis umsetzbar ist.
Wenn der Prozess in Augsburg platzt, könnte es neue Gespräche über einen Deal geben
Eventuell fällt noch an diesem Montag eine Entscheidung, wie es weitergeht. Sollte der Prozess tatsächlich platzen, wird erst einmal nicht weiterverhandelt. Aktuell können Verfahren wegen der Corona-Krise deutlich länger unterbrochen werden als normalerweise. Das Gericht müsste das Verfahren dann, wenn sich die Corona-Lage entspannt hat, fortsetzen - oder, wenn die Pause zu lang war, ganz neu starten. Allzu viel müsste aber bei einem Neustart auch nicht wiederholt werden, da außer der Verlesung der Anklageschrift inhaltlich noch so gut wie nichts passiert ist.
Möglich ist auch, dass es hinter den Kulissen dann noch einmal Gespräche gibt, ob die Verfahren auf schriftlichen Weg mit einem Strafbefehl beendet werden können. Bislang hatten sich Verteidiger, Staatsanwaltschaft und Gericht bei Gesprächen nicht auf einen sogenannten Deal einigen können. Es geht dabei auch nicht nur um mögliche Strafen für die Firmenchefs, sondern um die Frage, ob und in welcher Höhe die in das mutmaßliche Kartell verwickelten Firmen ein Bußgeld zahlen müssen.
In der Anklage wird den Busunternehmern vorgeworfen, sich bei Auftragsvergaben im öffentlichen Nahverkehr abgesprochen zu haben - betroffen sein sollen der Augsburger Verkehrsverbund und der Landkreis Dillingen. Die Firmen sollen so an Aufträge im Wert von rund 70 Millionen Euro gekommen sein.
Im Zentrum steht die Regionalbus Augsburg GmbH, kurz RBA, die mehrheitlich im Besitz regionaler Busunternehmer ist. Im Kreis dieser Firmen seien die Absprachen getroffen worden, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten haben bisher nicht im Prozess ausgesagt. Mehrere Verteidiger hatten aber angekündigt, dass sie die Kartell-Vorwürfe bestreiten wollen.
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