Zu tun haben die Mitarbeiter der Reisebranche derzeit zwar einiges: Doch dabei handelt es sich meistens um Stornierungen. Und damit lässt sich kein Geld verdienen. Auch Touristiker aus der Region sind in großer Sorge. Sie stellen Forderungen an die Politik. Die trugen sie bei einer Demo in Augsburg vor.
Für Heike Wehmeyer-Reiner, 58, ist es die erste Demonstration ihres Lebens. Sie steht am Mittwoch mit einem roten Koffer auf dem Augsburger Rathausplatz. Auf dem Gepäckstück klebt ein Plakat. „Rettet die Reisebranche. Tourismus hält die Welt zusammen“, steht darauf. Wehmeyer-Reiners Tochter ist auch dabei und trägt eine Hawaiikette. Zusammen antworten sie den Fragen eines Moderators und rufen: „Wir“. Es geht darum, wer derzeit keinen Lohn bekommt.
Reisen werden storniert, Mitarbeiter sind in Kurzarbeit
Die rund 50 Demonstranten im Augsburger Zentrum sind an diesem sonnigen Tag nicht die Einzigen, die protestieren. In mehreren deutschen Städten wie Dortmund, Bonn, Bremen und Ludwigshafen gehen Vertreter der Reisebranche auf die Straße und fordern finanzielle Hilfen der Politik. Unter ihnen sind viele Inhaber und Mitarbeiter von Reisebüros. Wegen der Corona-Krise sorgen sie sich um ihre Jobs.Einige Reisefachleute haben zwar viel Arbeit; die besteht allerdings darin, Reisen zu stornieren. Provisionen von Reiseveranstaltern bleiben aus und Inhaber schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit.
„Wir sind nicht systemrelevant“, sagt Heike Wehmeyer-Reiner. „Uns vergisst man.“ Seit 35 Jahren führt sie das Reisebüro Riedel in Schwabmünchen. Unter ihrem Mädchennamen Riedel hat sie es gegründet. Für sie sei es schwierig, dieses Jahr zu überbrücken, ehe Kunden vielleicht im nächsten Jahr wieder Reisen buchen. Seit März hat die Inhaberin keine Einkünfte mehr – und storniert viele Reisen. „Wir brauchen dringend staatliche Unterstützung.“ Auch wenn ihr Reisebüro wieder öffnen könne, heiße das nicht, dass sie dann mehr Geld verdiene, sagt sie.
Bis mindestens 14. Juni hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für alle Länder der Welt ausgesprochen. Wann Menschen wohl wieder so richtig in den Urlaub fahren? „Absehbar ist in unserer Branche gar nichts“, sagt Wehmeyer-Reiner, die, wie sie erzählt, unheimlich gerne Reisen verkauft. Die Reisebüroleiterin befürchtet, dass viele ihrer Kollegen ihre Läden dichtmachen müssen.
Reisen ans Nordkap und nach Kroatien: Daraus wird nichts
Gerhard Hackenbuchner, 67, trifft die Corona-Krise ebenfalls. Der Inhaber von HG-Reisen in Wertingen hat, wie viele andere Demonstranten auch, ein Reiseoutfit angezogen: Hut, bunte Kette, farbiges Hemd. Dieses Jahr wäre er ans Nordkap und nach Kroatien gefahren. Daraus wird erst einmal nichts. Und es kam noch schlimmer: Zwei Mitarbeiter seines vierköpfigen Teams musste er entlassen, eine Kollegin ist in Kurzarbeit.
Für Hackenbuchner sind das genug Gründe, nun in der Augsburger Innenstadt das Mikrofon in die Hand zu nehmen. „Wir haben auch einen systemrelevanten Beruf“, sagt er. „Erholungsurlaub ist für unsere Leistungsgesellschaft wichtig.“ Applaus, Trillerpfeifen. Was die Branche nun brauche, seien rückzahlungsfreie Finanzhilfen. Etwa einen Fonds, der für die entgangenen Provisionen entschädigt.
Das Wort Corona fehlt bei der Demo in Augsburg
Außerdem fordern er und die Demonstranten, dass die Regierung das Kurzarbeitergeld rückwirkend erhöht. Wenn Reisebüros dichtmachten, sei das für den Staat wegen ausfallender Steuereinnahmen teurer als Hilfsgelder. Dreimal trägt Hackenbuchner das vor. Das Wort Corona kommt dabei nicht einmal vor.
Ein besonders großes Plakat haben Margarete und Thomas Felbier mitgebracht. Sie sind für das Reiseunternehmen Spangler aus Neuburg an der Donau da. „Weil es um unsere Existenz geht“, sagt Thomas Felbier. Er arbeite derzeit umsonst, weil auch er keine Kunden in den Urlaub schickt. In seiner rechten Hand hat Felbier einen Bus aus Pappe. In den Fenstern sind fünf Buchstaben zu einem Wort zusammengefasst: Hilfe.
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