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Augsburg: Profiboxerin Tina Schüssler kämpfte sich zurück ins Leben

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Profiboxerin Tina Schüssler kämpfte sich zurück ins Leben

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    Tina Schüssler hat sich durchgeboxt. Sie kehrte nach einem Schlaganfall in den Sport zurück und wurde Weltmeisterin. Sie arbeit im Tiefbau-Betrieb ihrer Eltern.
    Tina Schüssler hat sich durchgeboxt. Sie kehrte nach einem Schlaganfall in den Sport zurück und wurde Weltmeisterin. Sie arbeit im Tiefbau-Betrieb ihrer Eltern. Foto: Valterio d’Arcangelo

    Tina Schüssler sagt von sich, dass sie ein unmögliches Kind war. Ihren großen Bruder, ein eher ruhiger Mensch, habe sie mit ihrer Art oft genervt. Doch ihre Umtriebigkeit und ihre Energie sind genau das, was die Kickboxerin so besonders macht. Unlängst hat die 42-Jährige in den USA ihren dritten Weltmeistertitel geholt. Doch ihren bislang härtesten Kampf trug die Augsburgerin mit sich selbst aus. Nach einem Schlaganfall musste sie sich ins Leben zurückkämpfen.

    „Wollts ihr Lebkuchen? Wir haben hier in der Firma gerade so viel davon.“ Kaum hat man sich begrüßt, wirbelt Tina Schüssler aus dem Büro und kehrt mit einer Ladung Süßigkeiten zurück. Sie stellt ihre Kollegen vor, holt Kaffee – es dauert, bis sie Ruhe für das Interview findet. Jetzt muss ihre Arbeit warten. Schüssler erzählt: „Mein Vater sagt immer: Wie du das alles machst, ist mir egal. Hauptsache du machst deinen Job.“ Die bekannte Profiboxerin arbeitet mit ihren Brüdern im elterlichen Tiefbauunternehmen in Diedorf mit. Die Nähe zu ihrer Familie und die gegenseitige Fürsorge hat am 12. Februar 2009 vielleicht noch Schlimmeres verhindert, als das Schicksal zuschlug.

    Der Tag, der für Tina Schüssler alles änderte

    „Ich weiß es wie heute“, beginnt die 42-Jährige und erzählt. „Ich lag auf dem Sofa und das Handy klingelte. Ich holte es und fiel plötzlich ganz komisch ins Sofa zurück.“ Sie konnte sich nicht mehr richtig bewegen. „Ich fasste mir in die linke Gesichtshälfte und spürte nichts mehr. Da bekam ich Panik.“ Schüssler rief ihren Vater an. Der hört seine Tochter am anderen Ende nur noch lallen. Er informierte sofort einen Arzt und wies den Mediziner auf einen möglichen Schlaganfall hin. „Innerhalb von zehn Minuten war ich im Klinikum.“ Dort wurde bei ihr nicht nur der befürchtete Schlaganfall bestätigt, sondern auch noch ein Loch in der Herzscheidewand festgestellt. Als der Arzt ihr sagte, an Sport brauche sie nicht mehr zu denken, sei das der härteste Moment gewesen. „Da bin ich in Tränen zerflossen.“ Schüssler war nach dem Schlaganfall linksseitig gelähmt. Sie konnte zunächst nicht sprechen. Ein Pfleger ermahnte sie, an ihren Sohn zu denken. Das gab ihr die nötige Motivation, den bislang härtesten Kampf ihres Lebens anzunehmen.

    Es folgte eine lange Reha-Zeit und eine Herz-Operation. Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis die Boxerin wieder gesund war. „In der Zeit wollte ich keinen Besuch. Nur meine Familie. Ich wollte nicht, dass mich die Menschen so sehen.“ Schüssler lernte viel über sich selbst. Dass sie die Gabe hat, Menschen zu motivieren. „Die Reha war eine Mega-Erfahrung. Uns Patienten ging es allen beschissen. Aber ich habe gesehen, dass viele gar nichts dagegen unternommen haben. So etwas geht nicht in meinen Kopf.“

    Sie trieb ihre Leidensgenossen an. „Ich habe die Klinik auf den Kopf gestellt“, sagt sie. „Da schwor ich mir, wenn ich wieder gesund werde, will ich helfen.“ Seitdem engagiert sich die Kickboxerin in vielen sozialen Projekten. Es ist eine unglaubliche Geschichte einer außergewöhnlichen Frau. Erst im Herbst hat die Boxerin in Orlando ihren dritten Weltmeistertitel geholt. Die 42-Jährige bezwang die 14 Jahre jüngere Yulia Guseva aus New York. Bei der Vorbereitung für den Kampf hatte sie extra Gas gegeben. „Ich hatte Angst, dass die Jungen mich ausknocken. Aber meine Erfahrung ist mein Pluspunkt.“

    Eigentlich hat Tina Schüssler ihrem Partner Clemens Brocker versprochen, dass sie mit Wettkämpfen aufhört, sollte sie noch mal Weltmeisterin werden. Der Zeitpunkt wäre jetzt. Brocker findet, dass es irgendwann gut sein muss. „Er hat ja Recht“, sagt Schüssler, die derzeit in Neusäß lebt und im Profi-Boxstall Haan in Augsburg trainiert. Doch da ist dieses Aber. Nächstes Jahr ist ein großer Kampf geplant, verrät sie. „Vielleicht mit Livefernsehen. Den einen großen Kampf will ich noch.“

    Viele Erinnerungen sind weg

    Auch wenn Tina Schüssler wieder ganz oben ist, folgenlos ist der Schlaganfall nicht geblieben. Manche Erinnerungen sind weg. „Als Clemens vom Einkauf Mango mitbrachte, wusste ich nicht, was das ist.“ Die 42-Jährige, die Klavier, Kontrabass und Schlagzeug spielt, kann keine Noten mehr lesen. „Die müsste ich neu lernen. Aber dazu habe ich keine Zeit. Ich spiele nach Gehör.“ Die Profiboxerin singt sehr gerne. Zusammen mit der Band Skip Rock hat sie das Hard-Rock-Stück „My Fight“ aufgenommen. Ein Songtitel, der für ihr Leben steht. Schüssler gibt zum Abschied ein paar Lebkuchen mit. Und Mini-Boxhandschuhe, auf denen ihr Leitspruch steht: „Wenn ich kämpfen kann, dann kannst Du es auch!“

    Hier geht es zur Homepage der Profboxerin Tina Schüssler

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