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Augsburg: Polizistenmord beschäftigt Polizei bis heute

10 Jahre Polizistenmord

"Nie vergessen": Wie der Polizistenmord bis heute die Polizei beschäftigt

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    Kerzen erleuchten den Tatort: Nach dem Mord an Mathias Vieth zeigten viele Augsburger ihr Mitgefühl.
    Kerzen erleuchten den Tatort: Nach dem Mord an Mathias Vieth zeigten viele Augsburger ihr Mitgefühl. Foto: Anne Wall

    Es ist schöner, ein ruhiger Ort. Auch jetzt, im Herbst. Die Sonne kämpft sich durch den Nebel und lässt die bunten Blätter leuchten, im Dickicht des Waldes zwitschern Vögel. Und dennoch liegt ein Schatten über jener Stelle im Siebentischwald, an der vor zehn Jahren der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth erschossen wurde. Ein Gedenkstein wurde dort aufgestellt, ein großer Findling. Auf einer Tafel steht: "Matze, wir werden Dich nie vergessen!" Auf dem Gedenkstein liegen viele kleine Steine - abgelegt von Menschen, die dem Mordopfer gedenken. Auch Bernd Waitzmann war oft an der Stelle, an der

    Ermordeter Augsburger Polizist war ein Polizeibeamter mit Leib und Seele

    Kollegen beschreiben Mathias Vieth als einen Polizeibeamten mit Leib und Seele. Er sei ein Vorbild, eine Art Mentor, für die jungen Beamten gewesen. Bernd Waitzmann arbeitet erst seit wenigen Wochen bei der Inspektion Süd, als ihn nachts, um kurz vor drei Uhr, ein Anruf aus dem Schlaf reißt. Ein Kollege berichtet von der Tat. Waitzmann macht sich sofort auf den Weg. Als er auf dem Revier ankommt, ist es traurige Gewissheit. Der 41-jährige Familienvater, seine Söhne sind damals 13 und 17 Jahre alt, ist erschossen worden. Seine Streifenpartnerin, 30, hat einen Streifschuss abbekommen. Sie ist leicht verletzt, steht unter Schock.

    Gedenkstein für den ermordeten Polizisten Mathias Vieth im Augsburger Siebentischwald.
    Gedenkstein für den ermordeten Polizisten Mathias Vieth im Augsburger Siebentischwald. Foto: Bernd Hohlen

    Gut eine Woche später, bei einer Trauerfeier mit fast 2000 Menschen im Augsburger Dom, sagt der damalige Bischof Konrad Zdarsa: "Diese Nachricht hat uns mitten in unserem Alltag getroffen und mit Beklemmung innehalten lassen. Was sonst Schauspieler auf dem Bildschirm in Szene setzen, hat sich mitten in unserem bürgerlichen Umfeld abgespielt." Die Polizistinnen und Polizisten in Augsburg spüren viel Solidarität in diesen Tagen. Viele sehen den Mord nicht nur als Angriff auf die Polizei, sondern auf die Gesellschaft.

    In den Stunden nach dem Mord sind fast alle Augsburger Polizisten im Einsatz. Es läuft die bis dahin größte Polizeiaktion in der Geschichte der Stadt an, Einheiten aus ganz Bayern helfen auf der Suche nach den beiden flüchtigen Mördern. Platz für Trauer ist in diesen Stunden nicht. Jeder Beamte des Reviers, dem es irgendwie möglich ist, kommt zum Dienst. "Man wollte der Trauer zwar Raum geben, aber sie hat keinen Platz gefunden", sagt Bernd Waitzmann. Die Polizistinnen und Polizisten funktionieren. Aber je mehr Stunden und Tage vergehen, umso mehr zeigt sich die Trauer. Waitzmann erinnert sich: "Es war ein sehr diffuses Bild bei uns auf der Dienststelle. Manche waren verschlossen, manche wollten reden. Manche wollten nicht heimgehen."

    Bernd Waitzmann war 2011 der stellvertretende Chef der Polizei im Augsburger Süd. Er erinnert sich, wie die Kolleginnen und Kollegen den Mord an Mathias Vieth erlebten.
    Bernd Waitzmann war 2011 der stellvertretende Chef der Polizei im Augsburger Süd. Er erinnert sich, wie die Kolleginnen und Kollegen den Mord an Mathias Vieth erlebten. Foto: Timian Hopf

    Die Kollegen aus der Schicht von Mathias Vieth verarbeiten das traumatische Erlebnis unterschiedlich. Manche wollen weitermachen wie bisher, weil die tägliche Routine ihnen hilft. Andere, darunter Vieths Streifenpartnerin, sehen sich nicht mehr in der Lage, weiter in der Inspektion zu arbeiten. Sie werden in andere Bereiche versetzt. Vorgesetzte, Psychologen und Polizeiseelsorger stehen als Gesprächspartner bereit. Jahre später stellt ein psychiatrischer Gutachter in einem Zivilprozess fest, dass Vieths Kollegin wegen des brutalen Verbrechens an einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Die Beamtin hat die beiden Polizistenmörder auf Schmerzensgeld verklagt - ihr werden vom Landgericht 20.000 Euro zugesprochen.

    Nach dem Polizistenmord in Augsburg seien die Polizisten des Reviers zusammengerückt

    Die Polizeiinspektion Süd ist mit über 100 Beamten ein großes Revier. Nach der Tat wird es zu einer großen Einheit. "Die Kolleginnen und Kollegen sind zusammengewachsen", sagt Bernd Waitzmann. "Diese Tat hat uns noch mehr verschmolzen." Heute, zehn Jahre später, hat sich viel verändert. Kollegen sind in den Ruhestand gegangen, wurden zu anderen Dienststellen versetzt - so, wie es der Alltag bei der Polizei mit sich bringt. Bernd Waitzmann leitet heute die Polizei in Landsberg am Lech. Zu Kolleginnen und Kollegen von damals hat er noch Kontakt. Es sei heute leichter, über alles zu sprechen, sagt er.

    28. Oktober 2011: Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird im Augsburger Siebentischwald erschossen.
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    Im Oktober 2011 wurde der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth im Dienst erschossen. Die beiden Täter werden später verurteilt.

    An diesem Donnerstag werden viele noch einmal an den Ort kommen, an dem der Mord geschah. Es gibt ein offizielles Gedenken. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich angekündigt. Herrmann war vor zehn Jahren schon Innenminister. Er kam direkt nach dem Mord mehrmals nach Augsburg. Zur Trauerfeier im Dom, zur Beerdigung in Königsbrunn - und zur Pressekonferenz Ende Dezember 2011, zwei Monate nach der Tat, als die beiden Täter, die Brüder Rudolf Rebarczyk und Raimund Mayr, verhaftet waren. Klaus Bayerl, der damalige

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