Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Plärrer-Jobs: Einfach einschenken? Von wegen!

Augsburg

Plärrer-Jobs: Einfach einschenken? Von wegen!

    • |
    Wenig Schaum, viel Bier – so soll es sein. Thomas Kempter (rechts) gab Reporter Fridtjof Atterdal einen Schnellkurs.
    Wenig Schaum, viel Bier – so soll es sein. Thomas Kempter (rechts) gab Reporter Fridtjof Atterdal einen Schnellkurs. Foto: Ruth Plössel

    Radler einschenken geht leicht. Das Glas locker in der rechten Hand und ein beherzter Zug am Zapfhahn, schon schießt das Bier in die weiße Limo. Nichts schäumt, nichts läuft über und mit einem selbstzufriedenen Lächeln schiebe ich den Maßkrug schwungvoll über den Schanktisch. Und jetzt noch ein Helles. Handgelenk locker, beherzter Zug, und in Sekunden ist der Krug bis zum Rand voller Schaum, der mir über die Hand läuft und im Abfluss verschwindet. Diesmal ist das Lächeln im Gesicht von Thomas Kempter, der sich jeden Kommentar verkneift und mein verunglücktes Bier auf die Seite schiebt.

    Der 25-Jährige ist der Chef hier im Binswanger-Zelt und weiht mich heute in die Kunst des Bierzapfens ein. Im Hemd mit rosa Karomuster und grüner Schürze sehe ich zumindest schon mal wie ein „Schenker“ aus. „Der Hahn muss schnell auf und schnell wieder zu, sonst schäumt es“, erklärt mir der Wirt. „Wenn sich der Schaum gesetzt hat, muss der Krug voll sein.“

    Es ist Freitagnachmittag und im Bierzelt ist noch nicht so viel los. Nur vereinzelte Gruppen sitzen an den Tischen und prosten sich zu. Der Alleinunterhalter auf der Bühne ersetzt mit seinem Synthesizer eine komplette Band und singt von Liebe und Herzschmerz.

    „Zwei Bier und ein Weizen“: Also, wieder das Handgelenk locker, wie gerade gelernt, den Krug noch etwas schräger und der beherzte Zug am Zapfhahn. Und wieder zu. Als sich die sprudelnde Kohlensäure im Glas beruhigt hat, steht die goldgelbe Flüssigkeit im Glas genau am Eichstrich und eine schöne Krone ziert das Bier. Punktlandung. „Fünf Helle, eine Cola und ein Ruß“: Zeit, meinen Erfolg zu genießen, bleibt nicht, die Bedienungen stehen und wollen ihre Getränke. Wir sind zu dritt in der Schenke, am Abend, wenn das Zelt voll ist, arbeiten hier 16 Mann.

    „Dann haben 4000 Leute Durst und wollen schnell ihr Bier“, weiß Kempter. Dann wäre ich mit meinem Arbeitstempo wohl auch fehl am Platz. In 2,2 Sekunden muss eine Maß perfekt eingeschenkt sein, hat Thomas Kempter ausgerechnet. Bei den Profis bleibt der Hahn dann offen und im Akkord wird Bier um Bier eingeschenkt. Ohne dass die Hälfte danebengeht, wie gerade noch bei mir. „Zwei Bier und eine Apfelsaftschorle“: Dafür, dass das Zelt so gut wie leer aussieht, bin ich gut beschäftigt. Immerhin lächeln die Bedienungen freundlich, insbesondere als ich meine Krüge mit dem Henkel voran über den Schanktisch schiebe.

    Wer bei den Damen als Schenker beliebt sein will, arbeitet vorausschauend und stellt die Krüge so hin, dass sie mit einem Griff genommen werden können, erklärt Bedienung Gabi Harzmann. Zehn bis zwölf Maßkrüge auf einmal schleppt sie an die Tische, das sind 26 Kilo bei jeder Fuhre. „Und gut eingeschenkt muss sein, schließlich dürfen wir uns mit dem Gast auseinandersetzen“, sagt die Bedienung. Bei jeder Bestellung werfen die Damen farbige Blechmarken in eine Kasse auf dem Tresen. Es gibt silberne, goldene, schwarze und rote „Bierzeichen“. Die Bedienungen kaufen sie zu einem günstigeren Preis und berechnen die Getränke dem Gast. Die Differenz und das Trinkgeld ist ihr Verdienst. Wie viel Bier am Tag über den Schanktisch geht, will Thomas Kempter nicht verraten. „Betriebsgeheimnis.“ Aber jede der 49 Bedienungen schleppt an einem guten Tag rund 500 Liter, über die Hälfte davon Festbier.

    Und dann sind da noch die „geheimen Handzeichen“ der Bedienungen. Drei Finger – drei Bier. Ein Auge abgedeckt – ein Dunkles. „Strampelnde“ Bewegungen mit den Händen – Radler, erklärt mir Gabi Harzmann. „Damit der Schenker gleich sieht, was ich will“, versichert sie. So ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, ob dem Neuling da nicht eine ordentliche Dosis „Bierzeltlatein“ verabreicht werden soll. Meine Gläser sehen inzwischen jedenfalls deutlich besser aus als zu Beginn. Eher zu voll. Aber darüber hat sich zumindest noch kein Gast beschwert.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden