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Augsburg: Plädoyers im Prozess um Prostituiertenmord stehen heute an

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Plädoyers im Prozess um Prostituiertenmord stehen heute an

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    Der Angeklagte Stefan E. mit Verteidiger Klaus Rödl.
    Der Angeklagte Stefan E. mit Verteidiger Klaus Rödl. Foto: Marcus Merk

    Der Prozess um den Mord an der Prostituierten Angelika Baron im Jahr 1993 biegt auf die Zielgerade ein. In der vergangenen Woche sagte nach über 20 ist jetzt abgeschlossen. Heute stehen die Plädoyers der Staatsanwältin und der Verteidiger an. Dann wird die Schwurgerichtskammer des Landgerichts entscheiden müssen, ob der Angeklagte Stefan E., 50, ein Mörder ist – oder nicht. Drei Punkte werden dabei für die Richter eine wichtige Rolle spielen.

    Prostituiertenmord-Prozess: DNA-Spur ist wichtiges Indiz

    1. Die DNA-Spuren: In der Nacht zum 25. September 1993 wurde das Opfer letztmals gesehen, auf dem Straßenstrich an der Bürgermeister-Ackermann-Straße. Tags darauf fand ein Spaziergänger die Leiche an einem Bahndamm bei Gessertshausen. Die Polizei konnte damals keinen Täter ermitteln. Erst als die Kripo mehr als 20 Jahre später alle Spuren noch mal untersuchte, stießen die Ermittler auf eine DNA-Spur, die zu Stefan E. passt. Sein genetischer Fingerabdruck war in einer Datenbank, weil er schon durch Drogendelikte aufgefallen war.

    Die DNA ist für die Ermittler ein wichtiges Indiz. Stefan E. hat mehrere Spuren an der Kleidung der Frau hinterlassen. An ihrer Weste, an den Leggings, an ihrem Slip und an den linken Socken. Angelika Baron trug zwei Socken übereinander, dazwischen versteckte sie ihre Einnahmen. Zwar fanden sich auch DNA-Spuren von weiteren, bis dato unbekannten Männern an der Leiche. Die Ermittler sagen aber, dass Stefan E. die meisten Spuren hinterlassen habe. Das spreche für einen „intensiven Kontakt“. Wichtig ist aus ihrer Sicht speziell die DNA an den Socken. Sie erklären sich diese Spuren damit, dass Stefan E. nach dem Mord dort Geld suchte. Wenn es so abgelaufen ist, hat er das Geld aber nicht gefunden. Ein Hundertmarkschein steckte noch dort. Eine offene Frage ist auch: Am Fundort der Leiche lag ein gebrauchtes Kondom, in dem sich Sperma befindet, das nicht von Stefan E. stammt. Wie es dort hingekommen sein könnte, war bislang kein Thema.

    1 Fundort der Leiche bei Gessertshausen: An der Kleidung der Toten fanden sich mehrere DNA-Spuren von Stefan E.
    1 Fundort der Leiche bei Gessertshausen: An der Kleidung der Toten fanden sich mehrere DNA-Spuren von Stefan E. Foto: Marcus Merk

    Mordfall Angelika Baron: Es bleiben Fragen

    2. Der Möbelfuß: Angelika Baron wurde mit einem Möbelfuß geschlagen. Das Möbelteil lag neben der Leiche. Daran fanden sich zwar keine brauchbaren Spuren. Es gibt aber einen Zeugen, der den Möbelfuß im Jahr 1993 bei Stefan E. gesehen haben will. Der Zeuge ist ein Bekannter des Angeklagten. Er sagt, Stefan E. habe einen kleinen Beistelltisch entsorgt. E. habe die Tischbeine rausgebrochen und eines in seinen BMW gelegt, um für alle Fälle einen Schlagstock zu haben. Vor Gericht sagte der Zeuge aus, er erkenne das Möbelteil eindeutig wieder. Mehrere andere Bekannte von damals gaben aber an, der Belastungszeuge sei früher ein „Schwätzer“ gewesen. Von dem, was er erzählt habe, habe man „50 Prozent abziehen“ müssen, so einer der einstigen Freunde.

    Fragen gibt es durchaus. Der Belastungszeuge berichtete, er habe den Möbelfuß 2017 in einem Zeitungsartikel gesehen und erkannt. Das sei für ihn der Grund gewesen, sich bei der Kripo zu melden. Der Beamte, der mit dem Zeugen dann sprach, schilderte es etwas anders. Man habe erst über andere Dinge gesprochen, so der Ermittler. Nach einiger Zeit, als der Zeuge auf einen an die Bürowand gepinnten Zeitungsausschnitt blickte, habe er dann gesagt: „Zu dem Möbelfuß wollte ich auch noch was sagen.“

    Der Möbelfuß lag bei der Leiche, die Frau wurde damit geschlagen. Ein Zeuge will den Fuß bei Stefan E. gesehen haben.
    Der Möbelfuß lag bei der Leiche, die Frau wurde damit geschlagen. Ein Zeuge will den Fuß bei Stefan E. gesehen haben. Foto: Bernd Hohlen

    Die Verteidiger Klaus Rödl und Michael Zapf hatten beantragt, ein Gutachter solle die Glaubwürdigkeit des Zeugen prüfen. Der Belastungszeuge war lange drogenabhängig, das könne sein Erinnerungsvermögen trüben. Diesen Antrag lehnte das Gericht aber ab. Die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser sagte, der Zeuge habe ein gutes Erinnerungsvermögen. Dass alte Bekannte berichten, er sei früher ein Schwätzer gewesen, könnte auch „jugendtypisch“ gewesen sein. Weiter sagte die Richterin, er habe sich bei seiner Aussage „durchaus selbstkritisch“ gegeben, „logische Brüche“ seien nicht erkennbar. Ist das ein Hinweis, dass die Richter dem entscheidenden Zeugen in dem Fall glauben? Man kann das durchaus so deuten, muss es aber nicht.

    3. Die Persönlichkeit: Stefan E. ist das jüngste von sieben Kindern. Er war der Liebling der Mutter. Zu seinen Geschwistern ist das Verhältnis aber ziemlich zerrüttet. Er wuchs im Bärenkeller auf. Eine Ausbildung zum Maler und Lackierer schloss er ohne Abschluss ab. Er hatte diverse Jobs als Fahrer oder Hilfsarbeiter, ehe er in die Drogen- und Alkoholsucht abrutschte. Es gibt Bekannte aus den 90er Jahren, die ihn als Lügner beschreiben, der auch geldgierig war. Andere wiederum erzählen, er sei eher ruhig und harmlos gewesen. Ein eindeutiges Bild ergab sich im Prozess nicht. Stefan E. ist wegen diverser Drogendelikte vorbestraft.

    Stefan E. ist wegen Drogendelikten vorbestraft, nicht aber wegen Gewalttaten.
    Stefan E. ist wegen Drogendelikten vorbestraft, nicht aber wegen Gewalttaten.

    Durch Gewalt fiel er bisher nicht auf. Allerdings soll er im Frühjahr 2017 eine Bekannte vergewaltigt haben. Auch das ist Teil des aktuellen Prozesses. Nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters Richard Gruber gibt es – sollte Stefan E. die Taten begangen haben – trotz seines Drogenkonsums keine Hinweise, dass er vermindert schuldfähig war. Eine mildere Strafe aus diesem Grund ist damit ausgeschlossen. Bei der Kripo hat Stefan E. den Mord bestritten, vor Gericht schweigt er.

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