Juno sitzt geduldig da und schaut sich sich um, während Herrchen davon erzählt, wie er innerhalb kürzester Zeit zum Inhaber eines Online-Shop für exklusiven Hundebedarf geworden ist. Dogandliving.de heißt die Adresse unter der der Shop des Augsburgers Thomas Halder zu erreichen ist. Angeboten werden unter anderem Taschen für Leckerlis, Lederhalsbänder, Hundemäntel, Leinen und Spielzeug. Er bezieht die Produkte von Manufakturen aus Deutschland, Europa und den USA und bietet sie auf seiner Plattform an.
Einen Onlineshop zu eröffnen war eigentlich nie Thomas Halders Plan. Er arbeitet für eine Versicherung und kam zu dem Geschäftsmodell eher zufällig. Für Hund Juno hat er vor rund zwei Jahren einen Napf aus Beton gebaut. Weil dieser auch bei anderen sehr gut ankam, stieg er größer in die Produktion ein und bot die Näpfe online zum Verkauf an. Die Nachfrage war groß, dazu wollten die Kunden weiteres Zubehör für ihre Vierbeiner. Halder reagierte und setzte den Shop auf, der seines Wissens nach so viele hochwertige Manufakturen im Angebot hat, wie sonst kein anderes deutsches Angebot. Seit Mai 2018 hat er 2500 neue Kunden gewonnen, täglich verschickt er zwischen 10 und 20 Pakete. Den Umsatz für dieses Jahr schätzt er auf rund 90.000 Euro. Im kommenden Jahr will er diese Marke verdoppeln.
Influencer bringen Dogandliving.de voran
Dass das Geschäft derart eingeschlagen hat, hat Thomas Halder seinen Kunden zu verdanken, die im Netz für seine Produkte und seinen Shop geworben haben - freiwillig. Solche Menschen bezeichnet man im Marketing-Jargon als Influencer, also Meinungsmacher. Sie zeigen sich auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Youtube mit Produkten und erzählen von ihren Erfahrungen. Je besser diese ausfallen, umso besser für den Verkäufer. „Influencer wirken beim Kunden oft wie ein glaubwürdiger Konsument, deren Urteil man vertrauen kann“, beschreibt Michael Paul, Professor für Marketing an der Uni Augsburg das Gewicht dieser Menschen. Schon seit einigen Jahren gehören sie daher zum Marketingmix vieler Unternehmen und Start-ups.
Im Fall von Michael Halder waren es mehrere Bundesliga-Fußballer, die seine Produkte in den sozialen Medien positiv bewertet hatten. Darunter unter anderem Philipp Max (FC Augsburg), Diego Demme (Leipzig), Dominik Kohr (Leverkusen) oder Daniel Caligiuri (Schalke 04). Sie haben für immer mehr Aufmerksamkeit und neue Kunden gesorgt, ohne dass Halder selbst etwas tun musste. Mittlerweile melden sich auch andere Influencer bei dem Augsburger und wollen für seinen Shop werben. 20 solcher Meinungsmacher sind bereits für Dogandliving aktiv. Werbung in anderen Medien schalten, ist für Thomas Halder daher nicht nötig. Das sei auch eine Frage des Budgets. Denn noch betreibt er den Shop nebenberuflich aus dem Ankleidezimmer seiner Frau heraus.
"Pauli Kocht": Aus einem Blog wurde ein Geschäft
Das Budget ist generell so eine Sache, wenn es um Werbung geht. Das weiß auch Anja Licht. Sie hat das Unternehmen „Pauli kocht“ auf die Beine gestellt und braucht zur Herstellung ihres Mealpreps – das ist ungekühlt haltbares, vorgekochtes Essen – jeden Cent. Für große Marketing-Kampagnen ist da kein Platz. Influencer, die im Netz für ihre Produkte werben, sind daher auch für sie enorm wichtig. „Ich bezahle niemanden dafür, dass er für meine Waren wirbt. Alle Kunden die das tun, tun es aus eigenem Antrieb heraus. Offenbar weil sie von den Waren überzeugt sind“, sagt die Augsburgerin. Sie selbst war einst ihre eigene Influencerin. Weil ihr Blog „Pauli kocht“ so gut bei der Online-Gemeinde ankam, entstand überhaupt erst die Idee, daraus ein Geschäft zu entwickeln. Mittlerweile hat Anja Licht im Münchner Einkaufszentrum Pep einen eigenen Laden und ihre Gewürze gibt es bei Rewe zu kaufen.
Für Uni-Professor Michael Paul sind Licht und Halder zwei klassische Beispiele, wie Marketing in den Sozialen Netzwerken via Meinungsmacher funktioniert. Neu ist diese Entwicklung nicht, sagt der Experte. Schon seit einigen Jahren wird dieses Instrument von Unternehmen genutzt – und zwar aus zwei wesentlichen Gründen. Viele kleinere Influencer verlangen anders als die Größen der Branche für ihre Dienste kein Geld oder erhalten lediglich kostenlose Probeprodukte. Das befeuert auch ihre Glaubwürdigkeit. „Wenn mir auf Youtube jemand aus freien Stücken erzählt, wie toll eine Creme gegen seine trockene Haut geholfen hat und er das in mehreren Episoden auch noch nachweisen kann, dann hat das natürlich ein Gewicht“, so Paul. Gerade im Bereich Mode und Kosmetik würden Influencer sehr ernst genommen. „Ihnen wird mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen als klassischer Werbung“, weiß der Experte aus Untersuchungen. Um mit diesem Pfund wuchern zu können, setzen viele Firmen bewusst auf unbezahlte Meinungsmacher. Diese haben laut Paul – im Vergleich zu jenen, die sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen – zwar eine deutlich kleinere Reichweite, die aber deutlich stärker an den Influencer gebunden ist. Streuverluste sind hier so gut wie ausgeschlossen.
"Digitalisierung der Tupper-Party"
Anja Licht bezeichnet diese Art des Marketings als eine Art „Digitalisierung der Tupper-Party“. „Früher kam die Hausfrau mit all ihren Schüsseln und Dosen ins Wohnzimmer und hat berichtet, wie toll die Produkte sind. Heute wird das einer viel breiteren Gemeinschaft per Video im Netz gezeigt“, sagt sie. Was einfach klingt, ist aber dennoch harte Arbeit. Denn die Betreuung von Influencern und einer Online-Fangemeinde findet nahezu rund um die Uhr, sieben Tage die Woche statt. „Das muss man mögen, einem muss klar sein, was man da tut und es kann mega anstrengend sein“, sagt Licht. Das weiß auch Thomas Halder. Wenn er um vier aus dem Büro kommt, dann geht zu Hause die Arbeit für den Webshop weiter.
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