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Augsburg: Neue Thesen: Wer ist denn jetzt wer am Augustus-Brunnen?

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Neue Thesen: Wer ist denn jetzt wer am Augustus-Brunnen?

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    Der Augustusbrunnen am Rathausplatz ist ein Wahrzeichen Augsburgs. Er entstand von 1588 bis 1594 unter der Leitung von Bildhauer Hubert Gerhard.
    Der Augustusbrunnen am Rathausplatz ist ein Wahrzeichen Augsburgs. Er entstand von 1588 bis 1594 unter der Leitung von Bildhauer Hubert Gerhard. Foto: Anne Wall

    Herr Pfeuffer, in einem Beitrag für den Historischen Verein für Schwaben stellen Sie die Zuordnung der Bronzen am Augustusbrunnen infrage. Die Figur, die lange als Singold galt, wurde von Kunsthistorikern inzwischen als Brunnenbach identifiziert. Was halten Sie daran für falsch?

    Eberhard Pfeuffer: Zunächst muss man sagen, dass ich Mediziner bin und kein Kunsthistoriker. Ich verstehe meine Interpretationsversuche deshalb als Diskussionsbeitrag. Sie werden aber von Kunsthistorikern und Historikern gleichermaßen mitgetragen. Offene Fragen in Bezug auf die Zuordnung der Bronzen können wohl nur von einem interdisziplinären Fachgremium geklärt werden. Die Bewerbung um den Welterbe-Titel könnte aber ein geeigneter Anlass sein. Wobei es Punkte gibt, da lasse ich nicht mit mir diskutieren.

    Zum Beispiel?

    Pfeuffer: Kunsthistorikerin Dorothea Diemer – die Expertin für Brunnenkünstler Hubert Gerhard – ordnet die Brunnenbronzen des Augustus den vier Flüssen zu, indem sie die Attribute, die die Figuren halten, in das in der Renaissance übliche Schema „Abundantia“, sprich Reichtum, presst.

    Was sollte daran falsch sein?

    Pfeuffer: Man muss beachten, dass der Augustusbrunnen bereits zu seiner Zeit völlig ungewöhnlich war. Das wird vor allem deutlich, wenn wir ihn mit dem Wittelsbacher Brunnen in München vergleichen, der auch von Gerhard stammt. Dessen Figuren halten, wie sonst in der Renaissance üblich, als Attribute einheitlich Urnen, aus denen das Wasser sprudelt. Am Augustus fehlen diese Urnen. Offenbar lag dem Augsburger Rat damals daran, die Flüsse in ihren Eigenheiten darzustellen und nicht dem gängigen ikonografischen Programm zu folgen. So sind die Augsburger Figuren individuelle Persönlichkeiten, zudem männlich und weiblich, und ihre Attribute haben – ebenso wie sie selbst – einen unverkennbar lokalen Bezug.

    Der Lech wird aber in allen Interpretationen der selben Figur zugeordnet.

    Pfeuffer: Ja, aber anhand des Lechs lässt sich gut erklären, dass Experten wie Frau Diemer bei der Interpretation vielleicht nicht so genau hingeschaut haben. Die Zapfen, die seinen Kopf zieren, bezeichnet sie zum Beispiel als Tannenzapfen, die sie als Symbol für den Waldreichtum deutet.

    Und das ist falsch?

    Pfeuffer: Zunächst handelt es sich eindeutig um Fichtenzapfen. Ebenso wie Ähren oder Fische sind die Attribute unserer Flussfiguren bis auf die Art bestimmbar. Da wurde nicht irgendetwas nachgebildet. Es waren genau die Pflanzen und Tiere, die für Augsburg in dieser Zeit bedeutend waren. Des Weiteren war der Lech von Natur aus waldarm, weil er so schnell und wild floss, dass in seinem Umfeld höchstens krüppelige Kiefern wuchsen.

    Kommen wir zum Brunnenbach, der einst als Singold galt – eine Zuordnung, die Sie nach wie vor für richtig halten. Worauf stützt sich Ihre Argumentation bei dieser Figur?

    Pfeuffer: Die Figur am Brunnen, die sich auf den Fisch stützt, bezeichnet Frau Diemer als die Wertach und deutet Netz und Fisch als Zeichen für Fischreichtum. Nun war die

    Aber mit den Fischen aus dem Brunnenbach?

    Eberhard Pfeuffer
    Eberhard Pfeuffer Foto: Ulrich Wagner

    Pfeuffer: Überaus fischreich waren nach den Chronisten die Augsburger Bäche, die der Brunnenbach mit Fischernetz und einem der häufigsten Fische, der Barbe, repräsentiert. Glaubt man Augsburgs Chronisten, gingen die Bürger einmal im Jahr mit Pauken und Trompeten an die Bäche und Kanäle zum Fischstechen. Vor diesem Hintergrund ergibt die bisher übliche Zuordnung ein stimmiges Bild.

    Die Sache ist ja wirklich kompliziert. Welche Figur ist für Sie denn dann die Wertach?

    Pfeuffer: Es ist die Frau, die die Ähren in der Hand hält. Auch hier lässt sich das Getreide wieder genau deuten: Es ist der Dinkel, der damals als „Schwabenkorn“ galt. Er wuchs auf den fruchtbaren Feldern, durch die sich die Wertach schlängelte. Diese Frauenfigur am Augustusbrunnen ist zudem die ältere und ist auf Abbildungen als Mutter der als Kind dargestellten Singold zu finden. Daraus würde sich ergeben, dass die zweite, jüngere weibliche Brunnenbronze die Singold ist.

    Die aktuelle Auffassung, auf die sich auch Dorothea Diemer stützt, geht ja auch vom Gewicht der Bronzen aus. Der Brunnenbach – Ihre Singold also – ist der leichteste. Gibt es denn keine historischen Aufzeichnungen, die die eine oder andere These stützen?

    Pfeuffer: Es gibt zwar Rechnungen, in denen genau belegt ist, wie viel Geld jede Figur gekostet hat. In Bezug auf die darin genannten Gewichte gibt es allerdings, wie Dorothea Diemer selbst einräumt, „gewisse Unsicherheiten, da die Arme und Beine der Bronzen nicht vom Kern befreit sind“. Man sollte den Augustusbrunnen aber nicht seiner lokalen Bedeutung berauben. Und dieses lokale Programm macht ihn einzigartig.

    Die Brunnenbronzen sind ja immer wieder anders gedeutet worden. Einst hieß es, sie würden die Jahreszeiten repräsentieren, dann wieder dachte man, die gewaltigsten Flüsse – Lech und Wertach – müssten zwangsläufig die männlichen Figuren sein...

    Pfeuffer: Man muss einräumen, dass in Abbildungen die Wertach sowohl als Frau wie als Mann dargestellt wird. Das hilft uns bei der Zuordnung nicht weiter. Es gibt jedoch Aufzeichnungen, in denen davon die Rede ist, dass sich Lech und Wertach bei Augsburg vereinen. Dieses Wort hat eine erotische Komponente, weshalb es sich bei Lech und Wertach durchaus um eine männliche und eine weibliche Bronze handeln kann.

    Und die Jahreszeiten?

    Pfeuffer: Diese Zuordnung war lange Zeit gültig, man kann sie aber komplett vergessen. Wenn man sich die Attribute genauer ansieht, dann sind gar nicht alle Jahreszeiten repräsentiert.

    Herr Pfeuffer, auch die Stadtführer beschreiben den Augustusbrunnen derzeit nach Ihrer Deutung. Wer muss denn jetzt umdenken?

    Pfeuffer: Ich möchte Hubert Gerhard nicht unterstellen, dass er im 16. Jahrhundert die Augsburger Gewässer nach heutigen, ökologischen Gesichtspunkten dargestellt hat. Aber der Brunnen, ganz gleich, wie man die Figuren letztlich auch zuordnet, ist eine Hommage an den Nutzen, den diese Gewässer für unsere Stadt leisten. Das ist doch ein Pfund, mit dem man auch in Sachen Unesco-Bewerbung wuchern kann. Interview: Nicole Prestle

    Info: Dr. Eberhard Pfeuffer, 71, ist Arzt, ehemaliger Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Schwaben und profunder Kenner des Lechs, über den er mehrere Bücher geschrieben hat. Seine Schrift für den Historischen Verein für Schwaben, die sich mit den Bronzen des Augustusbrunnens beschäftigt, ist im Wißner-Verlag erschienen. Die Zuordnung der Bronzen samt Begründung von Kunsthistorikerin und Gerhard-Expertin Dorothea Diemer findet sich unter anderem im Buch „Der Augustusbrunnen in Augsburg“ (Hirmer-Verlag). Beide Interpretationen haben ihre Anhänger.

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