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Augsburg: Neue Fahrradstraße ist umstritten

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Neue Fahrradstraße ist umstritten

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    Riesige Piktogramme machen in Pfersee auf die Fahrradstraße aufmerksam. Doch rundum glücklich sind die Nutzer mit der neuen Errungenschaft nicht.
    Riesige Piktogramme machen in Pfersee auf die Fahrradstraße aufmerksam. Doch rundum glücklich sind die Nutzer mit der neuen Errungenschaft nicht. Foto: Annette Zoepf

    Wirklich anders fühlt sich das Radfahren auf der neuen Fahrradstraße in Pfersee nicht an. Vor allem nicht besser. Zwar prangen fette Piktogramme mit dem blauen Radwegeschild auf der Strecke Treustraße, Färberstraße und Gollwitzerstraße – doch so eng, wie es hier zugeht, bleibt es für Radler eine Spießrutenfahrt. Seit wenigen Tagen ist die Route in Pfersee offiziell Fahrradstraße. Die dritte im Stadtgebiet und die erste, die sich durch nennenswerten Durchgangsverkehr wirklich beweisen muss, wie es beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) heißt.

    Rechts und links stehen geparkte Autos, und die meisten Autofahrer wissen auch nicht so recht, wie sie sich verhalten sollen. Viele drängen sich vor den eigentlich bevorzugten Radlern durch die Lücken. Wer hier gar nebeneinanderfährt, erntet wenigstens böse Blicke – und irgendwie fühlt es sich auch blöd an. Wer behindert schon gerne mutwillig andere Verkehrsteilnehmer.

    „Ich habe keinen Unterschied festgestellt, weder als Autofahrerin noch als Radlerin“, sagt Anwohnerin Lysiann Schloth. „Die Idee ist aus Umweltgründen sicher gut, aber mit den ganzen parkenden Autos ist es echt eng.“ Dass die Radler jetzt auf der Straße Vorrang haben, macht für sie auch als Autofahrerin keinen Unterschied. „Ich musste ja auch vorher hinter den Radlern bleiben, weil es verkehrstechnisch gar nicht anders geht“, sagt die junge Frau.

    Sinn der Fahrradstraße läuft ins Leere

    Auch für den ADFC ist die Fahrradstraße nicht der große Wurf. An die kritischen Punkte, wie die zugeparkten Straßenränder, habe sich die Stadt nicht herangewagt, bemängelt Augsburgs ADFC-Vorsitzender Arne Schäffler. In anderen Städten sei der Sinn von Fahrradstraßen, die Autofahrer draußen zu halten. Weil in Augsburg die Autos mit den Radlern die Straßen nutzen, laufe der wesentliche Sinn der Einrichtung ins Leere. Mit dem Laubenweg im Spickel (seit 2015) und der Frischstraße am Siebentischpark (seit 2001) gibt es zwei weitere Fahrradstraßen, die ebenfalls von Autos befahren werden dürfen.

    Gut dagegen findet Schäffler, dass die Vorfahrtsregelung auf fast der ganzen Länge zugunsten der Fahrradstraße geändert wurde. „Allerdings würde ich mich nicht darauf verlassen, dass die Autofahrer das schon kapiert haben“, betont er, während wenige Meter weiter vorne zwei Autofahrer an einer Kreuzung mit lautem Hupen versuchen herauszufinden, wer von ihnen jetzt fahren darf.

    Drei Punkte gehören nach Ansicht des ADFC zu einer funktionellen Fahrradstraße. Auf der Route muss Vorfahrt für die Radler herrschen, das Parken, Be- und Entladen muss eingeschränkt werden, und die Autofahrer müssen durch bauliche Maßnahmen am Rasen gehindert werden. In Augsburg wurde nur der erste Punkt umgesetzt. „Ich finde es nicht so toll, dass die Stadt jetzt von einem Leuchtturmprojekt für die Fahrradstadt spricht“, so Schäffler. Mit drei Fahrradstraßen reiche die Fahrradstadt Augsburg noch nicht einmal an den Durchschnitt der deutschen Kommunen heran. Der beträgt vier Fahrradstraßen. Und wirklichen Vorrang hätten die Radler ja nicht einmal dort. „Die Vorteile liegen nicht beim Radler. In Augsburg ist immer am wichtigsten, dass der Pkw-Verkehr nicht beeinträchtigt wird. Probleme lösen die Fahrradstraßen sicherlich nicht, die liegen ganz woanders“, so der Fahrradlobbyist.

    Trotz der Bemühungen der Stadt werde das Fahrradfahren in Augsburg tendenziell gefährlicher. Die Unfallzahlen steigen kontinuierlich an – 2017 gab es laut Schäffler fünf tote Radfahrer in der Stadt, 755 Radfahrer verunglückten in dem Jahr. „In der Stadt gibt es ein großes Denkverbot“, bemängelt er. „Es darf nichts passieren, was die Kapazität des Autoverkehrs beeinträchtigt.“ Deshalb sei es beispielsweise so schwierig, weitere Zonen mit Tempo 30 auszuweisen. „Wir kommen so nicht weiter – die Menschen wollen, dass die Blechmengen in der Stadt zurückgehen“, glaubt Schäffler.

    Es geht darum, den Radverkehr sichtbar zu machen

    Nach Ansicht des Radverkehrsbeauftragten von Augsburg, Janos Korda, geht es bei der Fahrradstraße primär darum, den Radverkehr in der Stadt sichtbar zu machen. „Im Grunde ist sie ein Marketinginstrument für den Radverkehr“, sagt er. Schließlich könne man als Radfahrer in Tempo-30 Zonen auch jetzt gut und sicher fahren. Der Hauptunterschied sei, dass man auf der Fahrradstraße auch nebeneinanderradeln dürfe. „Aber natürlich sollen die Radfahrer den Verkehr nicht über Gebühr behindern“, schränkt er gleich wieder ein. Wirklich sinnvoll seien Fahrradstraßen beispielsweise im Zulauf zu Schulen, weil die Schüler ohnehin zumeist im Pulk unterwegs seien.

    Trotzdem plane die Stadt neben der angekündigten Fahrradstraße an der Konrad-Adenauer-Allee, die wohl nächstes Jahr entsteht, keine weiteren. Vor allem die rechtlichen Hürden machten es schwierig, geeignete Straßen zu finden. „Damit eine Straße zur Fahrradstraße werden kann, muss dort schon vorher der Radverkehr überwiegen“, erklärt der Verkehrsplaner. Das sei durch umfangreiche Verkehrszählungen nachzuweisen. Außerdem habe es sich gezeigt, dass das Tempo der Autofahrer steigt, wenn man eine Route mit Vorfahrt ausstattet, ohne sie durch Einbauten zu beschränken. Was wiederum nur bei breiten, gut ausgebauten Straßen möglich sei.

    Die umstrittene Umlaufsperre am Gollwitzer-Steg kommt, das sagte Referent Gerd Merkle im Bauausschuss. Wie berichtet, verlangt die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde, dass der Weg über die Schienen der Localbahn gesichert wird. Auch auf Rückfrage sei die Regierung bei ihrer Einschätzung geblieben, dass die Stelle für Radfahrer eine Gefahr darstelle. Als Alternative zur Sperre habe noch eine Schranke für 300000 Euro zur Disposition gestanden; auch die Abholzung der Alleebäume auf eine Breite von 200 Metern zur Sichtverbesserung hätte den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Stadt habe sich als verträglichste Maßnahme für die 15000 Euro teure Umlaufsperre entschieden, so Merkle.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Radler haben andere Wünsche

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