Als die Lage im Corona-Sommer 2021 in der Augsburger Maximilianstraße eskalierte, war er einer der Haupttäter. So sehen es zumindest die Ermittler. Der junge Mann, inzwischen 20 Jahre alt, warf demnach mit einer Weinflasche, mit Glasflaschen, mit einer 80 Zentimeter langen Stange. Mit der Stange soll er einen unbeteiligten Passanten an der Schulter getroffen haben, mit einer Glasflasche einen Polizisten. Er soll die Beamten beleidigt und an der Tankstelle am Leonhardsberg die dorthin abgewanderte Menge angestachelt haben. In dieser Woche nun steht der Mann vor Gericht. Er ist jedoch nicht der Einzige, der sich vor der Justiz verantworten muss.
In der Nacht auf den 20. Juni hatte es in der Maximilianstraße Ausschreitungen gegeben. Die Polizistinnen und Polizisten räumten mehrere Straßen und lösten eine Ansammlung von Hunderten Feiernden auf. Dabei flogen Gegenstände auf die Einsatzkräfte, auch Glasflaschen. Der Polizeieinsatz dauerte Stunden. Seit Monaten ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft, wer in der Nacht für die Würfe und die Beleidigungen verantwortlich war. Im Juli führten die Ermittler etwa eine Razzia in Wohnungen von insgesamt 14 Tatverdächtigen durch, im August veröffentlichten sie Fahndungsfotos von vier Tatverdächtigen. Die jungen Männer wurden schnell gefunden.
Bei Augsburger Polizei gingen Hunderte Bilder und Videos ein
Für die Polizei war bei der Ermittlungsarbeit eine der größten Herausforderungen, die massenhaften Bildaufnahmen von jenem Abend in der Maximilianstraße zu begutachten. Hunderte Fotos und Videos waren bei der Behörde eingegangen. Sie stammten größtenteils von Augenzeugen der Krawallnacht. Hunderte Personen seien auf dem Material zu sehen gewesen, sagt Polizeisprecher Markus Trieb. "Die Straftaten mussten in Kleinstarbeit herausgearbeitet werden. Teilweise wurden Situationen aus verschiedenen Winkeln gefilmt, die der Polizei dann in mehreren Dateien vorlagen." Trieb spricht von einem "sehr guten Verlauf" der Ermittlungen. Die schwersten Delikte seien aus Sicht der Polizei zeitnah aufgeklärt worden.
Der wichtigste der nun bevorstehenden Prozesse gegen Tatverdächtige dürfte an diesem Freitag am Amtsgericht starten. Angeklagt ist ein 20 Jahre alter Mann, ein gebürtiger Äthiopier, der laut den Ermittlungen in der Krawallnacht eine Art Rädelsführer war. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Der 20-Jährige ist der einzige unter den Tatverdächtigen, der in Untersuchungshaft sitzt. Bislang hat er zu den Vorwürfen geschwiegen, im Prozess will er seine Sicht der Dinge darstellen. Sein Verteidiger Felix Hägele sagt auf Anfrage, er wolle eine längere Erklärung im Namen seines Mandanten verlesen.
Krawalle in Maxstraße: Wie die Stadt gegen die Täter vorgehen will
Wie Polizeisprecher Trieb mitteilt, wurden bislang 37 Tatverdächtige im Alter zwischen 15 und 24 Jahren mit überwiegend deutscher Staatsangehörigkeit ermittelt, darunter seien drei Frauen. Nach weiteren 25 Tatverdächtigen werde noch gesucht. Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft seien in etwa zehn Fällen bislang Anklagen erhoben oder Strafbefehle beantragt worden. Etwa 15 Verfahren seien noch offen. Die jungen Männer und Frauen haben im Übrigen nicht nur strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten.
Bei der Stadt Augsburg wird derzeit die Verhängung von Betretungsverboten der Maximilianstraße geprüft, bestätigt Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) auf Nachfrage. "Aktuell laufen Verfahren in einer niedrigen zweistelligen Anzahl gegen mehrere Personen." Dabei müsse jeder Fall einzeln geprüft werden und jedes Betretungsverbot individuell ausgerichtet sein. "Für die Vorfälle in der Maximilianstraße könnte etwa in Betracht kommen, dass für die Monate April bis einschließlich September ein nächtliches Betretungsverbot an Freitagen und Samstagen in einem bestimmten Zeitraum für den dortigen Bereich ausgesprochen wird", meint Pintsch.
Die Stadt will Härte zeigen. Glasflaschenwürfe in Richtung Polizei und Ordnungsdienst sowie die Gefährdung dritter Personen dürften sich nicht mehr wiederholen, betont der Ordnungsreferent. Das gelte auch für antisemitische und rassistische Äußerungen, die es in jener Nacht wohl auch gab. Mit Betretungsverboten, so Pintsch, wolle man nicht nur erneute Straftaten verhindern. Es gehe auch darum, das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu wahren.
17-Jährige bei Prozess zu Freizeitarrest verurteilt
Eine erste juristische Aufarbeitung hat indes in dieser Woche bereits stattgefunden. Ein 17-jähriges Mädchen musste sich am Montag vor dem Jugendgericht am Amtsgericht verantworten, die Verhandlung fand aufgrund des Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die 17-Jährige wurde nach Angaben des Amtsgerichtes zu einem Freizeitarrest verurteilt, weil sie in der Krawallnacht eine Dose geworfen hatte. Zusätzlich hat ihr das Gericht auferlegt, dass sie mit einem Experten fünf Gespräche über ihr vergangenes und zukünftiges Verhalten führen muss. Thema der Gespräche: „Abgrenzung von problematischen Freunden“.