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Augsburg: Nach Impfung: Kanzlei-Mitarbeiter kritisieren Vorgehen der Stadt

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Nach Impfung: Kanzlei-Mitarbeiter kritisieren Vorgehen der Stadt

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    Rund 50 Mitarbeiter einer Augsburger Steuerkanzlei erhielten bereits eine Corona-Impfung. Nach dem Vorfall wird Kritik am Vorgehen der Stadt laut.
    Rund 50 Mitarbeiter einer Augsburger Steuerkanzlei erhielten bereits eine Corona-Impfung. Nach dem Vorfall wird Kritik am Vorgehen der Stadt laut. Foto: Hannibal Hanschke, dpa (Symbolbild)

    Vor gut einer Woche wurden sie von einem mobilen Impfteam der Stadt Augsburg gegen Corona immunisiert. Was sie damit lostreten würden, hatten die knapp 50 Mitarbeiter einer Steuerkanzlei nicht geahnt: Seit Tagen stehen sie in der Kritik – von Bürgern, die ihrerseits auf eine Impfung warten, und von Juristen, die das Vorgehen ihrer Kollegen kritisieren. Dabei habe man sich nicht vordrängeln wollen, sagt eine Gesellschafterin der Kanzlei. "Wir haben uns Mitte Februar lediglich an das Gesundheitsreferat gewandt, um zu erfahren, wann wir mit einer Impfung durch unsere Betriebsärztin rechnen können." Zwei Wochen später sei der spontane Anruf aus dem Impfzentrum gekommen. "Wir waren selbst überrascht." Zu dieser Überraschung gesellen sich nun aber Wut und Enttäuschung über das Agieren der Stadt.

    Umstrittene Corona-Impfung in Augsburg: Kritik am Vorgehen der Stadt

    Gut 50 Mitarbeiter sind in der Kanzlei beschäftigt, in den vergangenen Jahren habe man allen zur Gesundheitsvorsorge unter anderem Grippeschutzimpfungen angeboten. „Auch bei Corona wollten wir ein solches Angebot machen“, begründet die Gesellschafterin, warum sich ihre Mitarbeiter nicht einfach über das zentrale Impfregister angemeldet hatten. Auch dort hätten sie als „Mitarbeiter der Rechtspflege“ schließlich eine Einstufung in Priorisierungsgruppe 3 erhalten und wären nach dem Zeitplan der Impfverordnung ins Impfzentrum bestellt worden.

    Dass durch die Betriebsärztin eine Impfung vor Ende April, Anfang Mai möglich wäre, damit habe auch keiner gerechnet, heißt es aus der Kanzlei. Aber natürlich habe man das Angebot einer Impfung durch das mobile Team kurzfristig angenommen. „Wir wussten ja nicht, dass es Menschen aus den Priorisierungsgruppen 1 und 2 gibt, die noch auf ihre Immunisierung warten.“

    Was die Kanzlei laut eigener Auskunft auch nicht wusste, war, dass die Stadt nur Bürger impft, die auch in Augsburg wohnen. "Natürlich ist das bei uns nicht der Fall." Bei 50 Mitarbeitern sei dies sogar eher "realitätsfern", sagt die Gesellschafterin und lässt damit durchblicken, dass dies auch im Gesundheitsreferat hätte auffallen können.

    Kanzlei-Mitarbeiter: Hatten zu keiner Zeit Einfluss auf die Impfung

    Dass Augsburgs Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) am Wochenende in einer Pressemitteilung betonte, die Kanzlei sei auch deshalb geimpft worden, weil sie angegeben habe, "unter anderem Seniorinnen und Senioren (Risikogruppe)" zu betreuen, ärgert sie. "Wir haben ausschließlich darauf hingewiesen, dass wir im Zusammenhang mit den Corona-Überbrückungshilfen vermehrt auch ältere Mandaten beraten." Man habe zu keiner Zeit Einfluss auf die Entscheidung von Stadt oder Impfteam gehabt. Letztere sieht die Juristin übrigens ebenfalls nicht in der Verantwortung: "Die Mitarbeiter des Impfzentrums tun, was sie tun sollen: Sie impfen."

    Für die Beschäftigten der Kanzlei, die die Immunisierung bis auf Kopfschmerzen, Schüttelfrost und andere kurzfristige gesundheitliche Einschränkungen gut vertragen hätten, sei die Situation "extrem belastend". Schade findet die Gesellschafterin, dass sich auch Kollegen anderer Kanzleien negativ über die Impfung äußerten, ohne die Umstände zu kennen. "Ich bin mir sicher, jede andere Kanzlei hätte dieses kurzfristige Angebot unter diesen Umständen ebenfalls angenommen."

    Bei der Rechtsanwaltskammer München sieht man den Vorgang dagegen kritisch: „Wir, und damit spreche ich für über 22.000 Mitglieder, erachten die von der Bundesregierung auferlegte Impfreihenfolge als sinnvoll und maßgebend“, sagt Vizepräsident Thomas Weckbach. „Eine Aufweichung oder eine Priorisierung von Bürgern, die außerhalb der Reihenfolge Zugang zu einer Impfung erhalten, lehnen wir ab. Unsere Kollegen halten sich grundsätzlich an die Reihenfolge und befürworten, daran festzuhalten.“ Viele Juristen arbeiten zudem aus dem Homeoffice und hätten keinen persönlichen Kontakt zu Mandanten. Wie berichtet, hatten auch andere Augsburger Kanzleien den Fall negativ kommentiert. Man habe, hieß es, zum Teil mit ähnlichen Vorgängen zu tun wie die Mitarbeiter der nun geimpften Kanzlei, halte sich aber an die Impfreihenfolge und melde sich über das zentrale Impfportal, anstatt sich bei der Stadt um einen Gruppentermin zu bemühen.

    Auch in der Augsburger Kanzlei, die geimpft wurde, wird zum Teil von zuhause aus gearbeitet, nicht alle Mitarbeiter hätten zudem persönlichen Kontakt zu Mandanten, bestätigt die Gesellschafterin. „Wenn aber eine Sekretärin mit Schnupfen hier ankommt, könnte es sein, dass alle in Quarantäne müssen. Dann könnten auch Prozesse platzen“, argumentiert die Gesellschafterin.

    Bei der Kanzlei Scheidle & Partner gehe man laut Oliver Kienle seit der ersten Corona-Welle "sehr streng mit den Hygiene- und Abstansregeln um". Persönliche Besprechungen werden auf ein Mindestmaß reduziert, Mitarbeiter haben die Möglichkeit, vom Home-Office aus zu arbeiten. Dank Mailkontakt, Video- und Telefonkonferenzen sei die Arbeit für die Mandaten dadurch nicht eingeschränkt. Die Corona-Impfung der anderen Augsburger Kanzlei will man bei Scheidle & Partner nicht bewerten. Grundsätzlich glaubt Kienle aber, dass Personen der Rechtspflege zurecht erst in Kategorie 3 priorisiert seien: "Nach unserer Überzeugung ist die Impfung von Krankenhaus- und Pflege-Personal, des Personals in Schulen und Kindertagesstätten, Kontaktpersonen besonders geschützter Personengruppen, Menschen mit schweren Vorerkrankungen aber auch von Polizisten absolut vorrangig." Man habe sich selbst auch für keine Gruppenimpfung gemeldet: "Die Anmeldung zur Impfung nach den geltenden Bestimmungen ist eine individuelle Angelegenheit unserer Mitarbeiter."

    Angaben über den Wohnsitz wurden nicht abgefragt

    Gesundheitsreferent Erben hatte am Sonntag auf AZ-Anfrage betont, die Kanzlei hätte vor der Impfung eine "eidesstattliche Erklärung im Sinne der Corona-Impfverordnung" abgegeben. Die Gesellschafterin der Kanzlei sagt, man habe lediglich unterzeichnen müssen, dass alle Personen, die zur Impfung kamen, auch Mitarbeiter der Firma seien. Angaben über den Wohnsitz oder die Einsatzgebiete der Mitarbeiter seien in der Erklärung nicht abgefragt worden. Es habe aus dem Referat auch keine weiteren Nachfragen gegeben.

    Wie es mit den Mitarbeitern der Kanzlei weitergeht, die in rund drei Monaten ihre zweite Impfung erhalten müssten, ist in doppelter Hinsicht unsicher. Erstens hat Deutschland die Immunisierung mit AstraZeneca am Montag vorläufig ausgesetzt. Und selbst wenn der Impfstoff bis Juni wieder zugelassen wäre, wüsste die Gesellschafterin nicht, an wen sie sich wenden kann. "Unsere Betriebsärztin würde die Impfungen ja vornehmen." Doch ob dies nun überhaupt noch möglich wäre, sei durch die Aufregung unwahrscheinlicher geworden...

    Gesundheitsreferent Erben hatte am Wochenende bestätigt, dass eine Reihe priorisierter Einrichtungen für eine Impfung auf der Warteliste stehe, was eine Auswahl immer schwierig mache. "Künftig werden die mobilen Impfteams nicht mehr kurzfristig ausrücken, wenn keine Termine mit Personengruppen oder Einrichtungen der Priorisierung 1 und 2 vereinbart sind. Stattdessen werden die Impfdosen im Impfzentrum verimpft. Vor allem gilt: Erst wenn alle Personen der Priorisierungsgruppen 1 und 2 in Augsburg geimpft sind, werden Personen der Gruppe 3 geimpft. Bereits vereinbarte Termine der Priorisierungsgruppe 3 werden storniert." Bereits einen Tag später hatten sich durch die Absetzung von AstraZeneca allerdings ohnehin viele Termine erledigt.

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