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Augsburg: Mordprozess: Die letzten Wochen der Angelika Baron

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Mordprozess: Die letzten Wochen der Angelika Baron

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    Ein altes Foto zeigt Angelika Baron (rechts) als junge Frau mit Freunden im Park. Im September 1993 wurde die Prostituierte umgebracht. Nun steht ihr mutmaßlicher Mörder vor Gericht.
    Ein altes Foto zeigt Angelika Baron (rechts) als junge Frau mit Freunden im Park. Im September 1993 wurde die Prostituierte umgebracht. Nun steht ihr mutmaßlicher Mörder vor Gericht. Foto: privat

    Tiago K. (Name geändert) trägt immer noch eine Kette, die ihm Angelika Baron einmal geschenkt hat. Er trägt sie, als er in den Schwurgerichtssaal des Augsburger Landgerichtes geht, um als Zeuge eine Aussage zu machen. Es geht im Prozess um die Tötung der Frau im September 1993. Tiago K. sagt zumindest, dass dies eine Kette sei, die ihm

    Prozess um den Prostituiertenmord: Zeugen beleuchten das Leben von Angelika Baron

    Auf der Anklagebank sitzt seit zwei Wochen Stefan E., ein Augsburger, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, die 36-jährige Prostituierte mit einem Möbelfuß geschlagen und dann erwürgt zu haben. Er war ihr Freier und wollte unter anderem an ihre Einnahmen gelangen, so sehen es die Ermittler. Stefan E. schweigt im Prozess. Tiago K. soll, wie etliche Zeugen vor ihm, helfen, das Umfeld des Opfers zu beleuchten. Es geht aktuell im Prozess auch darum, was für ein Mensch Angelika Baron war, wie ihre Gewohnheiten aussahen, im Privatleben, im Gewerbe.

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    Angelika Baron lebte vor ihrem Tod in einer kleinen Wohnung in der Gesundbrunnenstraße. Ein damaliger Nachbar erzählt, er habe regelmäßig Angelika Barons Wäsche gewaschen, er hatte eine Waschmaschine. Im Gegenzug habe ihn die „Anschi“, wie sie im Milieu hieß, öfter Mal zum Kaffee eingeladen. Freundlicher, nachbarschaftlicher Kontakt sei das gewesen.

    Eine Schwester des Opfers sagt aus, Angelika Baron sei ein „liebenswerter Mensch“ gewesen. Im Gegensatz zu anderen Familienmitgliedern hielt die Schwester auch dann noch den Kontakt, als Angelika Baron als Prostituierte arbeitete. Zwei Wochen vor ihrem Tod sei sie noch in Augsburg zu Besuch gewesen, berichtet die Schwester. Andere Zeugen beschreiben „Anschi“ auch als aufbrausend und schwierig, ein Ex-Freund etwa. Ihren Standplatz hatte sie an der Hessenbachstraße. Ein Taxifahrer brachte sie dort hin und holte sie ab. Ihren Führerschein hatte sie zu der Zeit abgeben müssen, Alkohol am Steuer offenbar. Sonntags arbeitete sie nicht.

    Welches Verhältnis hatte Angelika Baron zu ihrem Umfeld?

    Aus dem, was diverse Zeugen aussagten, ergibt sich ein recht eindeutiges Bild: Tiago K. war damals der Liebhaber von Angelika Baron und womöglich auch ihr Zuhälter. Er schlug sie regelmäßig, so berichten es Nachbarn. Er habe die Prostituierte ausgenommen „wie eine Weihnachtsgans“, so formulierte es ein verstorbener Zeuge gegenüber der Polizei. Die Prostituierte soll nach Aussagen von Zeugen 10.000 bis 15.000 Mark im Monat verdient haben. Tiago K. kaufte sich von dem Geld demnach unter anderem einen S-Klasse-Mercedes für 50.000 Mark, einen Computer für 7000. Und vielleicht eine Halskette, wer weiß.

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    Tiago K. war damals, 1993, Verdächtiger in diesem Fall. Eine Nachbarin sagt aus, die Polizei habe sie sogar einmal vor einem Gespräch mit dem Mann „verkabelt“, um mitzuhören. Zumindest gab es Ungewöhnlichkeiten. Kurz vor ihrem Tod hatte Angelika Baron dem Mann etwa eine Generalvollmacht erteilt. Er war auch Begünstigter einer Versicherung, die sie 1991 abgeschlossen hatte, kümmerte sich aber später offenbar nie darum, irgendeine Prämie zu erhalten. Erhärtet hat sich der Verdacht gegen ihn offenbar nie.

    Vor Gericht sagt Tiago K., in der Schweiz vorbestraft wegen häuslicher Gewalt und Anstiftung zur Prostitution, zwischen ihm und der Anschi, das sei eine „Freundschaft“ gewesen. Damals sei er als Taxifahrer in Augsburg tätig gewesen, so habe er sie kennengelernt. Ein, zwei Mal habe man Sex gehabt. Auf Nachfrage des Gerichts gibt er an, vielleicht sei es auch anders gewesen, kein „richtiger“ Sex jedenfalls, was wiederum seiner Vernehmung von 1993 widerspricht.

    Angelika Baron und ihre dubiose Bekanntschaft

    Damals hatte er auch angegeben, Angelika Baron geohrfeigt zu haben, was er nun entrüstet von sich weist. Vielleicht mal „geschubst“ habe er sie, aber doch nicht geschlagen. Er will auch nach dem Tod der Prostituierten nicht mit der Nachbarin gesprochen haben, das Auto habe er auch selber finanziert. Auf Nachfrage des Gerichtes sagt er dann, vielleicht habe Angelika Baron doch 2000 Euro dazugegeben, für den Mercedes. Die Versicherung zu seinen Gunsten? Habe sie abgeschlossen, weil er ihr „so viel geholfen“ habe. Er habe ihr aber gesagt, sie solle das wieder rückgängig machen. Ihr Konto lief auf seinen Namen, er hatte also Zugriff auf ihre Finanzen, aber ihr Zuhälter will er nicht gewesen sein.

    Tiago K. mag eine dubiose Gestalt sein und zur Wahrheitsfindung nicht viel beitragen, Verdächtiger ist er längst nicht mehr, angeklagt schon gar nicht. Der Prozess gegen Stefan E., den die Ermittler unter anderem durch DNA-Spuren überführt sehen, wird im kommenden Jahr fortgesetzt.

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