Familientag auf dem Plärrer. Sonnenschein, Gedränge, Musik. Die Karusselle sind voll. Paul Waninger, 36, und Matthias Schwering, 26, fallen auf den ersten Blick nicht auf. Wer sie aber länger beobachtet, der bemerkt, dass sie viele Jugendliche kennen. Sie schütteln Hände, bleiben für ein kurzes Gespräch stehen. „Und, bist Du am Freitag gut heimgekommen?“, fragt Paul Waninger einen Jugendlichen aus Oberhausen. An dem Tag, erzählt Paul Waninger, habe sich offenbar halb Oberhausen dazu entschlossen, den Herbstplärrer zu besuchen. Er hat bei seinem Rundgang jede Menge bekannte Gesichter getroffen.
Paul Waninger kennt sich aus in Oberhausen. Er hat Kontakt zu vielen Jugendlichen, die dort leben. Seit rund zehn Jahren arbeitet er als Streetworker für den Stadtjugendring. Sein Gebiet sind die Stadtteile Oberhausen und Bärenkeller. Er geht raus auf die Straßen und Plätze, auf denen sich die Jugendlichen treffen. Er kommt nicht, um sie zu belehren und für Ordnung zu sorgen. Er sieht sich als Anwalt der Jugendlichen. Als einer, der ihnen zuhört und sich für ihre Belange einsetzt.
Die Streetworker des Stadtjugendrings sind auch auf dem Plärrer im Einsatz. Das hat Tradition. Denn das Volksfest ist der Geburtsort dieser Art der Jugendarbeit in Augsburg. In den 1990er Jahren, als es verstärkt Reibereien unter jungen Plärrerbesuchern gab, ging ein Mitarbeiter des Stadtjugendrings als Ansprechpartner auf das Fest. Dabei ist es bis heute geblieben. Streetworker aus allen Teilen der Stadt sind immer in Zweier-Teams unterwegs. An den Familientagen und an den Wochenenden. Ihr Auftrag: „Wir sind vor allem präventiv tätig“, sagt Matthias Schwering. „Das heißt, wir schauen, wie die Stimmung so ist und wo es Konflikte geben könnte.“ Dann suchen die Streetworker das Gespräch mit den Rivalen und vermitteln.
Rivalitäten gibt es vor allem unter Jugendlichen aus verschiedenen Stadtteilen. „Der Bezug zum Stadtteil ist oft sehr stark“, erzählt Paul Waninger. „Über ihr Stadtviertel definieren sich viele Jugendliche deutlich stärker als zum Beispiel über die Abstammung oder die Religion.“ Ein Erkennungszeichen, welches die Jugendlichen benutzen, sind die letzten beiden Ziffern der Postleitzahl. Die „54“ etwa steht für Oberhausen, dagegen kommen die „59er“ aus dem Univiertel. Immer wieder kann man diese Zahlen auch als Graffiti an Wänden finden.
Größere Probleme gab es auf dem Plärrer in den vergangenen Jahren aber nicht. Matthias Schwering geht davon aus, dass das an den strengen Kontrollen liegt, die es auf dem Fest inzwischen gibt. Die Polizei ist stark präsent. Seit dem Jahr 2016 gibt es auch Kontrollen an allen Eingängen. Das macht es deutlich schwieriger, Alkohol auf den Plärrer zu schmuggeln oder als Minderjähriger abends alleine auf das Fest zu gelangen. Dazu kommen noch Sicherheitsleute an den Türen der Festzelte.
Weil manche Jugendliche deshalb in die Umgebung ausweichen und dort vortrinken, schauen die Streetworker auch an diesen Orten um. Wenn sie den Eindruck haben, ein Jugendlicher habe zu viel getrunken, dann geben sie ihm auch mal den guten Rat, vielleicht besser heim zu gehen. Die Streetworker haben ein kleines Budget, aus dem sie einem Jugendlichen ein Wasser oder auch mal ein Taxi zahlen können. Sie kaufen auch Fahrchips für den Autoskooter und geben den Jugendlichen ab und zu eine Fahrt aus. Das kommt gut an. Denn der Autoskooter ist seit Jahrzehnten der Treffpunkt Nummer 1. Wenn dort mal Ärger unter Jugendgruppen droht, dann könne so eine Freifahrt die Wogen schnell wieder glätten, sagt Paul Wanninger. Die meisten Jugendlichen aus ihrer Klientel hätten sowieso nicht das Geld, um sich viele Fahrten an den Karussellen zu leisten. Manche Jugendliche seien zwar fast jeden Tag da. Am Ende seien sie aber nur ein oder zwei Mal Autoskooter gefahren.
Am Autoskooter trifft Matthias Schwering auch zwei Jungs aus dem Univiertel, die er schon länger kennt. Er ist im Süden der Stadt als Streetworker unterwegs, sein Gebiet ist das Hochfeld, Haunstetten und Göggingen. Auf dem Plärrer bleibt nur Zeit für ein paar Sätze. Bei seiner normalen Arbeit hat er aber mehr Zeit, sich mit den Jugendlichen zu unterhalten. „Die meisten halten sich auf der Straße auf, weil sie sonst nichts zu tun haben und ihnen langweilig ist“, sagt Paul Waninger. „Sie haben nicht die Freizeitaktivitäten, die der typische Mittelstandsjugendliche im Verein oder mit seinem Eltern macht.“
Die Streetworker geben den Jugendlichen nichts vor. Sie helfen ihnen aber, selbst Ideen zu entwickeln. So ist zum Beispiel im Hochfeld ein florierender Jugendtreff entstanden. Am Wertachufer in Oberhausen gibt es ein jährliches Fest, bei dem die Jugendlichen den Getränkeverkauf selbst regeln. Paul Waninger gibt zu, dass er nicht gedacht hätte, dass die Jugendlichen die Bar dort so gut alleine betreuen können. Solche Momente sind es, die ihn mit seiner Arbeit zufrieden machen. Erfolge erlebt er dann, wenn er sieht, dass es ein Jugendlicher zum Beispiel schafft, aus Sucht und Spielschulden rauszukommen und eine Ausbildung zu machen. Es müssen aber nicht immer die ganz großen Schritte sein. Auch die kleinen Erfolge zählen für ihn, sagt er.