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Augsburg: Mehr Waffenscheine, mehr Waffen: Augsburgs Bürger rüsten auf

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Mehr Waffenscheine, mehr Waffen: Augsburgs Bürger rüsten auf

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    Die Zahl Kleiner Waffenscheine steigt in Augsburg seit Jahren. Die Polizei beobachtet die Entwicklung mit Sorge.
    Die Zahl Kleiner Waffenscheine steigt in Augsburg seit Jahren. Die Polizei beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Foto: Oliver Killig, dpa (Symbolbild)

    Um kurz nach 12.30 Uhr findet die Ruhe an diesem Samstag Mitte Oktober ihr Ende. In der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord gehen mehrere Notrufe ein. Was die Anrufenden schildern, gibt durchaus Anlass zur Sorge: Ein Mann habe von einem Balkon aus mehrere Schüsse mit einer Pistole abgegeben. Die Beamtinnen und Beamten eilen in die Zugspitzstraße, sperren den Bereich um das betroffene Mehrfamilienhaus weiträumig ab. Kurz darauf verlässt der 22-jährige Schütze mit erhobenen Händen seine Wohnung. Darin gefunden werden mehrere Patronenhülsen - und eine Schreckschusswaffe. Es ist ein Fall, wie er so oder so ähnlich keine Seltenheit mehr ist. Weil immer mehr Augsburgerinnen und Augsburger zur Waffe greifen.

    Immer mehr Waffen und Kleine Waffenscheine in Augsburg

    Die Zahl der Kleinen Waffenscheine steigt in Augsburg seit Jahren. Registrierte die Stadt 2015 noch 791, waren es 2020 bereits 1876 und damit mehr als doppelt so viele. Der Kleine Waffenschein gilt ausschließlich für Schreck-, Reizschuss- und Signalwaffen (SRS-Waffen). Sie schießen keine scharfe Munition ab und verursachen, solange sie nicht aus nächster Nähe abgefeuert werden, keine lebensgefährlichen Verletzungen. Jeder Erwachsene kann sich ohne Überprüfung und Beschränkung eine SRS-Waffe zulegen, darf sie aber nur mit nach Hause nehmen und auch nur dort zur Schau stellen. Öffentlich darf eine SRS-Waffe nur tragen, wer einen Kleinen Waffenschein besitzt - und das trifft nicht nur in

    Diese Entwicklung stellt die Polizei zunehmend vor Herausforderungen. Kommissar Robert Piehler vom Wie an jenem Samstagmittag in der Zugspitzstraße komme es immer wieder zu Vorfällen, bei denen besorgte Bürgerinnen und Bürger auf bewaffnete Personen hinwiesen. Das Problem: "Für die Bevölkerung und insbesondere für die Einsatzkräfte ist zumeist nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden, ob es sich um echte Schusswaffen oder um SRS- oder Anscheinswaffen handelt. Da die Polizei bei solchen Einsatzlagen stets mit größter Vorsicht vorgehen muss, könnte es im schlimmsten Fall sogar zu einem polizeilichen Schusswaffengebrauch kommen."

    Waffenschein, Waffenbesitzkarte: Wer kommt wie an was?

    Kleiner Waffenschein

    Die Voraussetzungen für den Kleinen Waffenschein sind überschaubar: Man muss über 18 Jahre alt sein und seine Eignung nachweisen, darf also zum Beispiel nicht vorbestraft sein. Gründe, warum man den Kleinen Waffenschein möchte, müssen nicht genannt werden.

    Waffenbesitzkarte

    Hier müssen Sachkunde, Zuverlässigkeit, Eignung und ein konkretes Bedürfnis nachgewiesen werden - dies ist etwa bei Sportschützen, Waffensammlerinnen oder Jägern der Fall. Auch die sichere Lagerung der Waffe in einem Tresor ist Voraussetzung.

    Waffenschein

    Der Waffenschein wird nur in Ausnahmefällen ausgestellt - etwa nur an Bewachungsunternehmer, und das nach strenger Prüfung.

    Wollen viele Waffenschein-Inhaber gar keine Waffe öffentlich tragen?

    Der Kleine Waffenschein ist nicht die einzige waffenrechtliche Erlaubnis. Der "normale" Waffenschein etwa erlaubt dem oder der Besitzenden, eine scharfe Waffe öffentlich zu tragen. Dies trifft in Augsburg auf nur eine Person zu. Mit der sogenannten Waffenbesitzkarte dürfen Personen - zumeist Jägerinnen und Jäger sowie Sportschützinnen und Sportschützen - eine scharfe Waffe besitzen, aber nicht öffentlich tragen. Die Zahl aller ausgestellten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Augsburg stieg seit 2015 von rund 3100 auf 4730 im Jahr 2020. Der Großteil des Anstiegs geht also auf den Kleinen Waffenschein zurück. Warum wird er immer beliebter?

    Eindeutige Erklärungen haben weder das Augsburger Ordnungsreferat, für das Ausstellen waffenrechtlicher Erlaubnisse zuständig, noch die Polizei. Es gibt jedoch Ansätze. Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) sagt, dass "Antragsteller im Regelfall gar keine Waffen außerhalb der eigenen Wohnung führen möchten". Trotz entsprechender Hinweise werde der Antrag meistens fortgesetzt oder er sei bereits abgeschlossen. Dies könne den Anstieg möglicherweise erklären.

    Auffällig ist: Geradezu sprunghaft ging die Zahl im Jahr 2016 nach oben. Pintsch verweist in diesem Zusammenhang auf Medienberichte von damals, nach denen die Silvesternacht von Köln sowie eine allgemeine Angst vor Terroranschlägen mögliche Gründe für den Anstieg der Kleinen Waffenscheine seien. Jedoch: "Inwiefern dies tatsächlich zutrifft, können wir nicht bewerten. In Augsburg sind keine akuten Ereignisse bekannt."

    Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU).
    Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU). Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Diskrepanz? Das Sicherheitsniveau in der Stadt Augsburg ist hoch

    Vieles deutet darauf hin, dass es zumindest in Teilen der Bevölkerung eine Diskrepanz zwischen gefühlter und realer Sicherheit gibt. Augsburg war 2020 die zweitsicherste Großstadt über 200.000 Einwohner in ganz Deutschland; die Zahl der Straftaten ging im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent zurück. "Damit unsere herausragende Sicherheitslage mit dem Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung korrespondiert, bekämpfen wir Kriminalität jeglicher Art konsequent, setzen auf gezielte Kriminalprävention und reagieren unverzüglich auf neue Entwicklungen", sagt Polizeisprecher Piehler.

    Auch die Zahl der scharfen Waffen, die in Augsburg im Umlauf sind, hat seit 2015 zugenommen, um knapp zehn Prozent auf rund 8800. Diese Entwicklung ist nach Angaben von Ordnungsreferent Pintsch jedoch "ganz maßgeblich" auf Jäger (2015: 2700; 2020: 3050) und Sportschützen (2015: 2970; 2020: 3450) zurückzuführen. So seien etwa Jagdscheininhaber nach dem Waffengesetz berechtigt, unbegrenzt erlaubte Langwaffen für die Jagd zu erwerben. "Außerdem haben Inhaber einer Sportschützen-Waffenbesitzkarte die Möglichkeit, bestimmte Waffenarten zu erwerben", so Pintsch. Hier gebe es erst seit September 2020 eine Obergrenze von insgesamt zehn Waffen, wobei Besitzer von mehr als zehn Waffen einen Bestandsschutz hätten.

    Als gesichert gilt, dass auch unregistrierte Waffen im Umlauf sind. Laut Pintsch geht die Stadt jedoch "auch aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre nur von einem sehr geringen Dunkelfeld aus". 132 Waffen sind derzeit als verschwunden gemeldet, deutschlandweit sind es über 10.000.

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