Gerhard Schenk ist in seinen Konditorladen in der Maxstraße zurückgeeilt und wirkt hinter der Schutzmaske kurzzeitig atemlos. Er sagt: „Entschuldigen Sie, der Parkplatz vor meinem Geschäft wurde gerade frei. Das musste ich für eine Anlieferung ausnutzen.“ Zum Thema „autofreie Maximilianstraße“ findet er deutliche Worte – trotz Maske. Die neue schwarz-grüne Koalition im Rathaus hat vereinbart, dass Autos aus der Maximilianstraße verbannt werden sollen. Es soll ein Pilotprojekt sein, denn die Vision einer komplett autofreien Innenstadt konnten die Grünen in den Verhandlungen mit der CSU nicht durchsetzen. Ein weiterer Punkt aus dem Koalitionsvertrag: In die Altstadt sollen künftig nur noch Anlieger fahren dürfen. Das Thema bewegt die Menschen. Nicht nur Geschäftsleute haben Bedenken.
Schwarz-Grün in Augsburg will weniger Autos im Zentrum
Celia Johnson liebt lebhafte Innenstädte. Darum wohnt die Medizinerin mit ihrer Familie gerne in Augsburgs Prachtmeile, wie die Maximilianstraße oft genannt wird. Sie sagt, sie wisse nicht, welchen Vorteil eine autofreie Maxstraße bringen soll. Jetzt würden Kunden schnell mal anhalten, um in einen Laden zu gehen. Johnson befürchtet, dass ohne Autos weniger Menschen kommen. „Das wird eine tote Innenstadt“, befürchtet die Anwohnerin. Noch steht nicht fest, wie das Projekt umgesetzt werden soll, die Stadt prüft derzeit Möglichkeiten. Das Konzept müsse noch entwickelt und vom Stadtrat mit Oberbürgermeisterin und Baureferat umgesetzt werden, sagt CSU-Parteichef Volker Ullrich auf Nachfrage. Ihm sei bei dem Verfahren vor allem wichtig, die Bürger miteinzubinden.
Ullrich betont, dass Maxstraße und Altstadt für Anwohner und Lieferverkehr erreichbar bleiben sollen. „Gleichwohl gibt es Bereiche, die vom Autoverkehr entlastet werden müssen.“ Er denke da an das Lechviertel. In der Maxstraße halte er es für denkbar, den Abschnitt vom Moritzplatz bis zum Herkulesbrunnen zu sperren. Peter Rauscher, Fraktionschef der Grünen, will noch keine Pferde scheu machen. Man brauche erst eine Bestandsaufnahme, etwa was die Parkplätze und Bedürfnisse der Anwohner angehe. Dann folge ein Konzept. Wichtig ist für Rauscher die Sperrung der Altstadt für den Durchgangsverkehr. „Wir wollen dort Autos aus dem Umland herausbringen.“ Was die Maxstraße anbelangt, könne er sich ein Zeitfenster für Lieferfahrzeuge vorstellen. So wird es in der Fußgängerzone in der Annastraße gehandhabt. Dort sind Anlieferungen bis elf Uhr vormittags erlaubt.
Konditormeister Schenk: Der Lieferverkehr muss gewährleistet sein
Gerhard Schenk würde so eine zeitliche Beschränkung nicht viel bringen. Der Konditormeister erzählt, dass sein Geschäft in der Maximilianstraße den ganzen Tag über beliefert wird. „Der Lieferverkehr müsste den ganzen Tag gewährleistet sein“, sagt Schenk. Generell findet er eine autofreie Maxstraße bedenklich. „Hier ist die einzige Möglichkeit, in der Innenstadt mal kurz zu parken und etwas zu besorgen.“ Er befürchtet, dass Kunden ausbleiben und sich lieber in Einkaufszentren wie der City-Galerie aufhalten.
Dass auch Kunden von dem Projekt nicht begeistert sind, weiß Fatos Kutlucan zu berichten. Die Filialleiterin der Modeboutique „Oui“ sagt, einige hätten sie schon darauf angesprochen und ihren Unmut kundgetan. „Ich habe viele ältere Kunden, die auf die Schnelle mit dem Auto zu mir kommen.“ Überhaupt frage sie sich, was eine autofreie Zone hier bringen soll. „Die Maximilianstraße ist breit, man hat auch auf den Gehwegen genug Platz.“ Es gebe einen Fahrradstreifen. „Die Straße muss nicht autofrei sein.“ Für Peter Rauscher von den Grünen besteht darin jedoch die Chance, die Maxstraße als Prachtmeile aufzuwerten und eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Offen ist, wie die autofreie Maxstraße gestaltet werden soll
Doch wie soll eine Maximilianstraße letztendlich gestaltet werden, wenn Autos ausgesperrt sind? Das fragt sich Geschäftsfrau Gabriela Baumgärtner. „Das ist eine riesige, breite Straße. Wenn sie ganz leer ist, sollen dann überall Leute spazieren gehen?“ Die Inhaberin des Geschäfts für Einrichtung und Wohnaccessoires Linea kann sich das kaum vorstellen. Grundsätzlich finde sie eine Reduzierung des Verkehrs zwar gut. Aber viele Kunden seien darauf angewiesen, in der Maxstraße parken zu können. „In meinem Geschäft werden auch größere Objekte, wie Stühle, gekauft. Die Menschen müssen ihr Auto zum Ent- oder Beladen abstellen können.“ Dies sei ohnehin schon schwer, weil kaum Parkplätze frei seien.
Wolfgang Feldmayer hat einen eigenen Vorschlag in dieser Diskussion. Er ist nicht nur Anwohner in der Maxstraße, sondern betreibt am angrenzenden Ulrichsplatz auch sein Immobilien- und Mietverwaltungsbüro. Feldmayer hält nur eine zeitweise Sperrung für sinnvoll. Er plädiert dafür, die Kaisermeile unter der Woche tagsüber offen zu lassen und sie erst abends abzuriegeln, wie auch samstags ab dem späten Nachmittag und sonntags. So könne man zu Geschäftszeiten weiter Kunden anlocken, aber jene aussperren, auf die man in der Maximilianstraße gut verzichten könne. „Nämlich die, die mit ihren dicken Reifen und großen Auspuffs zehn mal hoch und runter fahren mit teilweise bis zu Tempo 80 und Reifen quietschen lassen.“ Eine Idee für die Umsetzung liefert Feldmayer gleich mit: elektrische Pfosten, die sich per Funk bedienen ließen.
Was spricht für eine autofreie Maxstraße? Und was dagegen? Lesen Sie einen Kommentar von Redakteur Jörg Heinzle: Zukunft der Maxstraße: Was autofrei bedeuten kann
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