Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Massenhaft tote Eschen in Augsburg: Was mit dem ganzen Holz passiert

Augsburg

Massenhaft tote Eschen in Augsburg: Was mit dem ganzen Holz passiert

    • |
    Im Augsburger Stadtwald sind Tausende Bäume vom Eschentriebsterben befallen. Laut Forstamtschef Jürgen Kircher müssen immer mehr gefällt werden.
    Im Augsburger Stadtwald sind Tausende Bäume vom Eschentriebsterben befallen. Laut Forstamtschef Jürgen Kircher müssen immer mehr gefällt werden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenn man durch den Augsburger Stadtwald radelt, kann man es am Lechdamm exemplarisch sehen. Zwischen dicht belaubten grünen Bäumen wie Ahorn, Linde und Buche ragen die kahlen Äste mächtiger Eschen in den Himmel. Und nicht nur dort. In den Augsburger Wäldern sterben massenhaft Eschen ab, weil ihnen ein Pilz zu schaffen macht. Immer mehr kranke Bäume müssen gefällt werden. Was passiert mit dem anfallenden Holz? Ist es noch zu gebrauchen? Der städtische Forstamtschef Jürgen Kircher sagt, ja. Die kranken Bäume könnten indirekt sogar im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Gäbe es nicht ein Problem.

    Eschen sind eine typische Baumart des feuchten Augsburger Lechauwaldes und dort immer noch sehr häufig. Leidenschaftliche Förster wie Kircher lieben Eschen nicht nur, weil sie mythologische Bäume ähnlich wie Eichen sind. Die Baumart hat auch ein abriebfestes, zähes, festes und gleichzeitig elastisches Holz, das vielfach verwendet werden kann - für Arbeitsgeräte wie Äxte und Sensen genauso wie für Möbel oder als Baustoff. "Selbst abgestorbene Eschen sind noch sehr gute Biotop-Bäume für unser Naturschutzgebiet Stadtwald", sagt Kircher. Trotzdem würde der Forstamtschef heute keine einzige Esche mehr pflanzen. Denn die Bäume haben wegen des Eschentriebsterbens hierzulande kaum noch Überlebenschancen.

    Stadt Augsburg muss wegen Eschentriebsterben massenhaft Eschen fällen

    Ausgelöst wird die tödliche Krankheit durch einen eingeschleppten Pilz namens Falsches Weißes Stengelbecherchen. Begünstigt wird sie nach Einschätzung von Experten durch den Klimawandel, der die heimischen Wälder schwächt. In Deutschland breitet sich das Eschentriebsterben seit 2007 aus, 2013 wurde es erstmals in Augsburg nachgewiesen. Die Folgen sind fatal: Jährlich müssen Hunderte kranker Bäume im Stadtwald gefällt werden, um die Wege für die Bevölkerung verkehrssicher zu halten. Und es werden immer mehr. Nach Angaben der städtischen Forstverwaltung fielen vor acht Jahren noch rund 560 Festmeter Eschenholz an. 2020 waren es schon fast 4100 Festmeter. In diesem Jahr werden es nach aktuellen Prognosen über 4700 sein. "Auch in den kommenden Jahren werden wir in dem Umfang fällen müssen", sagt Kircher.

    Eschen sind durch einen Pilz bedroht.
    Eschen sind durch einen Pilz bedroht. Foto: Eva Maria Knab

    Doch auch wenn Eschen krank werden und absterben, kann man ihr Holz noch in großen Teilen verwenden. Zwar ist es nicht als klassisches Bauholz zu gebrauchen wie die Fichte, wo die Holzpreise aktuell durch die Decke gehen. Kircher zufolge ist es in Asien dennoch gefragt. Ein Teil des Augsburger Eschenstammholzes wird in Containern verschifft. In

    Baumsterben soll für den Kampf gegen Klimawandel genutzt werden

    Neben dem desaströsen Baumpilz treibt den städtischen Forstamtschef aber noch ein anderes Problem um: Der Klimawandel macht den heimischen Wäldern schwer zu schaffen. Deshalb ist er überzeugt: Man könnte das massive Eschentriebsterben in eine positive Richtung drehen, wenn man die regionale Vermarktung des anfallenden Holzes ankurbeln und damit das Klima schonen würde. Eine Überzeugung, die auch der Augsburger Architekt und Holzbau-Spezialist Frank Lattke teilt. Er sagt: "Bislang ist die Fichte der Brot- und Butterbaum am Bau. Man hatte nicht die Not, über Alternativen nachzudenken." Mit dem internationalen Bauboom und dem aktuellen Mangel an klassischem Bauholz könnte sich das ändern, glaubt er. In der Schweiz gebe es bereits Versuche, Brettschichtholz mit Eschenanteil herzustellen.

    Das Eschentriebsterben

    Auslöser Der Pilz „Hymenoscyphus fraxineus“ mit seiner Nebenfruchtform „Chalara fraxinea“ beeinträchtigt massiv die Entwicklung der in Europa verbreiteten Gemeinen Esche.

    Herkunft Ursprünglich stammt der Pilz wohl aus Japan, in Bayern wurde die durch ihn ausgelöste Krankheit erstmals im Herbst 2008 beobachtet. Inzwischen kommt das Eschentriebsterben in ganz Europa vor.

    Symptome Zunächst verfärben sich die Blätter eines erkrankten Baums ungleichmäßig, worauf Rinde und Holz an den Trieben absterben. Dies setzt sich im späteren Verlauf in weiteren Teilen der Esche fort. Bei älteren Bäumen kann es mehrere Jahre dauern, bis er vollständig abgestorben ist.

    Bekämpfung Eine direkte Bekämpfung des Eschentriebsterbens, etwa durch Fungizide, ist nicht möglich, da der Pilz weit verbreitet ist und sich der Infektionszeitraum über Monate hinzieht. (cgal)

    Ein Blick in die Augsburger Innenstadt zeigt, was noch alles möglich ist. Im neuen Gemeindesaal der evangelisch-lutherischen Heilig-Kreuz-Kirche ist jede Menge Esche aus dem Augsburger Stadtwald verbaut - als Parkett am Boden, als Wandverkleidung und an Türen. Pfarrer Andreas Ratz strahlt, wenn man ihn auf den Neubau anspricht. "Man riecht das Holz, wenn man hineinkommt, die Maserung wirkt beruhigend und alles im Raum klingt gut, sodass man keine Verstärkeranlage braucht", sagt er. Die Besucher seien begeistert.

    Im neuen Gemeindesaal der evangelisch-lutherischen Heilig-Kreuz-Kirche wurde Eschenholz aus dem Augsburger Stadtwald verbaut.
    Im neuen Gemeindesaal der evangelisch-lutherischen Heilig-Kreuz-Kirche wurde Eschenholz aus dem Augsburger Stadtwald verbaut. Foto: Eckhart Matthaeus

    Aus Sicht von Lattke hat das heimische Eschenholz noch mehr Vorteile. Es wird direkt vor Ort geschlagen und in kleinen Sägewerken in der Region verarbeitet. So sind die Vermarktungswege kurz und unabhängig von großen Wirtschaftskreisläufen. Holz sei der einzige Baustoff, der nachwachse, sagt er. Es gilt als klimafreundlicher Kohlenstoffspeicher, wenn man es verbaut. Pro Festmeter Holzzuwachs wird eine Tonne CO² in Form von Kohlenstoff gebunden. Kircher zufolge sind es allein im Augsburger Stadtwald rund 80.000 Tonnen CO² jährlich. Zum Vergleich: Eine Tonne CO² entspricht einer Fahrt von 4900 Kilometern in einem Mittelklasse-Benziner.

    Klimaschutz in Augsburg: Förster hoffen auf resistente Bäume

    Kircher sagt aber auch: "Die Nachfrage nach Eschenholz in der Region könnte größer sein, dann müssten wir es nicht in Übersee verkaufen." Zwar ist Bauen mit Holz derzeit teuer. Für manchen privaten Häuslebauer zu teuer, weil die Holzpreise wegen der großen internationalen Nachfrage durch die Decke gehen. Als Förster hofft er dennoch bei Bauherren auf einen wachsenden Trend hin zum nachwachsenden Baustoff aus der Region.

    In Hinblick auf das Eschentriebsterben hat Kircher ebenfalls einen Funken Hoffnung. Zwar werden im Stadtwald keine Eschen mehr gepflanzt. Sie dürfen aber aus ihren eigenen Samen neu wachsen, damit sich die Natur selbst verjüngt. Die Forstleute wollen herausfinden, ob sich auf diese Weise irgendwann Bäume entwickeln, die gegen den verheerenden Pilz resistent sind.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden