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Augsburg: Maskenpflicht an Schulen: "Corona-Regeln dürfen nicht inhuman sein"

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Maskenpflicht an Schulen: "Corona-Regeln dürfen nicht inhuman sein"

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    Wenn im Schulalltag streng auf die Maskenpflicht geachtet wird,werde der Mensch mit seinen Bedürfnissen verkannt, sagt der Augsburger Pädagoge Klaus Zierer.
    Wenn im Schulalltag streng auf die Maskenpflicht geachtet wird,werde der Mensch mit seinen Bedürfnissen verkannt, sagt der Augsburger Pädagoge Klaus Zierer. Foto: Ulrich Wagner

    In rund zwei Wochen beginnt das neue Schuljahr. Als Professor der Schulpädagogik plädieren Sie dafür, bei Corona-Regeln in der Schule Maß zu halten, warum?
    Klaus Zierer: Alles, was derzeit diskutiert wird, steht unter einem Gebot: die Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Grundlage hierfür ist der Vorrang der Gesundheit. So berechtigt dieses Ziel ist, so verkehrt ist es, eine virologische Sichtweise über alles andere zu stellen. Denn zur Gesundheit des Menschen gehört nicht nur sein körperliches Wohlbefinden, sondern auch dasjenige seiner Psyche und des Sozialen.

    Warum steht eine virologische Sichtweise in Widerspruch zu Prinzipien in der Schulpädagogik?
    Zierer: Nicht selten gibt es Widersprüche zu anderen Perspektiven. Dies gilt nicht zuletzt für die Pädagogik. Hygienemaßnahmen, wie sie derzeit an Schulen ergriffen werden, laufen dieser Einsicht zuwider. Zwar mögen sie aus virologischer Sicht sinnvoll sein, aus pädagogischer Sicht sind sie es vielfach nicht. In den absurdesten Fällen sind sie sogar inhuman.

    Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer von der Uni Augsburg.
    Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer von der Uni Augsburg. Foto: Zierer/Uni Augsburg

    Inhuman? Das klingt hart, übertreiben Sie nicht etwas?
    Zierer: Beispielsweise sind Kinder und Jugendliche in Schulen angehalten, einem Einbahnstraßensystem zu folgen, Masken außerhalb des Unterrichts zu tragen und auf Sicherheitsabstände zu achten. Die Abc-Schützen lernen mancherorts sogar, es sei besser, allein mit Maske auf den Pausenhof zu gehen, als mit ihren Klassenkameraden zu spielen. Das verkennt offensichtlich den Menschen als Menschen.

    Augsburger Schulpädagogik-Professor: Homeschooling ist keine ebenbürtige Alternative

    Wären weitere begleitende Homeschooling-Angebote im neuen Schuljahr aus Ihrer Sicht vertretbar, wenn die Kinder daheim die nötige technische Ausstattung bekommen?
    Zierer: Aus pädagogischer Sicht ist es fatal, weiterhin mit dem Gedanken zu spielen, dass Homeschooling eine ebenbürtige Alternative zum Präsenzunterricht sei. Mittlerweile liegen umfangreiche Befragungen aus Deutschland vor, die das widerlegen und auf die Dramatik gerade in sozialen Brennpunkten hinweisen. Es gibt auch eine Vielzahl an empirischen Forschungsergebnissen zum Distanzlernen. Es kann zwar unter bestimmten Umständen und für bestimmte Fachbereiche eine Lern-wirkung erzielen. Es entspricht aber sicherlich nicht dem schulischen Erziehungsauftrag, in dessen Zentrum der Mensch und damit Bildung steht.

    An der Hochschule Augsburg haben einige Studenten während des Corona-Lockdowns in Lehrveranstaltungen über Internet sogar bessere Noten bekommen als sonst.
    Zierer: Bildung ist nicht Lernen. Wer immer wieder sozial isoliert wird und auf längere Sicht nur noch allein lernt, kann sich nicht bilden. Selbst ein immer wieder proklamierter Digitalisierungsschub wird hier nicht helfen. Der Mensch braucht den Menschen im Hier und Jetzt – und eben nicht virtuell synchron oder asynchron.

    Was halten Sie als Pädagogikforscher von Abstandsregelungen für Schüler?
    Zierer: Die Maskenpflicht außerhalb des Unterrichts und die Abstandsregelung im Unterricht bleiben aus pädagogischer Sicht problematisch, weil sie nicht zum Wesen des Menschen passen. Kinder und Jugendliche brauchen in der Interaktion eine Mimik, um Aussagen und Interaktionen verstehen zu können. Ebenso hinderlich ist der Abstand von 1,50 Meter.

    Augsburger Professor sieht Mindestabstand in Schule kritisch

    Dieser Sicherheitsabstand ist wirklich nicht sehr groß, wie begründen Sie Ihre Einschätzung?
    Zierer: In kulturanthropologischen Studien wurde beispielsweise nachgewiesen, dass es so etwas wie einen kulturellen Abstand zwischen Menschen gibt, der signalisiert: mindestens so nah und höchstens so weit entfernt, um miteinander arbeiten, spielen und lernen zu können. Für keine Kultur auf dieser Welt liegt dieser Abstand bei 1,50 Metern, wenn es um Freundschaft geht. Virologisch betrachtet, mag der Abstand sinnvoll sein, aus pädagogischer Sicht ist er es nicht.

    Wie kommen wir also zurück in die Normalität an der Schule?
    Zierer: Virologisch denken, aber vor allem pädagogisch handeln. Das muss die Devise sein. Konkret bedeutet das, jede Hygienemaßnahme in der Schule auf einen pädagogischen Prüfstand zu stellen. Ist sie spekulativ, darf sie nur dann angewendet werden, wenn sie pädagogisches Handeln nicht unmöglich macht. Ist sie gesichert, muss sie pädagogisch implementiert werden. Und dann sind dabei nicht Dressur- und Manipulationsmethoden anzuwenden, sondern es ist auf die Vernunft zu setzen. Praktisch bedeutet das, mit Kindern und Jugendlichen vernünftig und vertrauensvoll zu sprechen. Insofern besteht kein Zweifel: Hygienemaßnahmen sind wichtig. Ihre Einbindung in den Schulalltag muss aber nach pädagogischen Überlegungen erfolgen, sonst laufen sie Gefahr, inhuman zu werden.

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