„Die Neuausrichtung hilft Manroland goss aus der Krise“, so lautete die Überschrift für einen Artikel unserer Redaktion, der die positive Entwicklung beim zuletzt gebeutelten Augsburger Druckmaschinenhersteller beleuchten sollte. Allerdings wurde der Beitrag nie veröffentlicht, weil plötzlich Corona kam. Das Virus machte dem im Artikel geschilderten Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr einen Strich durch die Rechnung. Wie sieht es nun im Unternehmen aus? Eine Bilanz.
Immer wieder hatte das Augsburger Unternehmen, das vielen noch schlicht als Manroland bekannt ist, mit sich verändernden Märkten zu kämpfen. Eine Ausgliederung der Produktion in die Manroland Web Production 2017 sowie der Zusammenschluss mit US-Mitbewerber Goss 2018 sollten helfen, sich dem entgegenzustemmen. Die Produktion erhielt auf diesem Weg die Möglichkeit, auch Aufträge von Kunden außerhalb zu generieren und erzielte binnen drei Jahren im Non-Print-Geschäft einen zusätzlichen Umsatz von fünf Millionen Euro jährlich.
Durch das Joint-Venture mit dem US-Anbieter Goss wurde zudem der Markt unter anderem im Bereich Service deutlich erweitert. Gepaart mit anderen Strategien blieb das Unternehmen so auch 2019 weiterhin Marktführer im Bereich Rollenoffsetdruck und bewegte sich in der Gewinnzone. Der Mutterkonzern Possehl aus Lübeck, zu dem sowohl Manroland goss web systems als auch die web production zu 100 Prozent gehören, lobte die Entwicklung. „Für 2020 haben wir mit dem besten Ergebnis seit 2012 gerechnet“, ergänzt Franz Kriechbaum, Geschäftsführer der Manroland Goss web systems.
Corona-Krise bremst Entwicklung von Manroland Goss in Augsburg
Umso mehr fährt die Corona-Krise der positiven Entwicklung nun in die Parade – vor allem in der Produktion. „Wir sind zweifach betroffen. Zum einen kommen aktuell weniger Aufträge der Schwester Manroland goss web systems im Neumaschinengeschäft, zum anderen sind auch Kunden von extern derzeit mit der Vergabe von Aufträgen zurückhaltend“, erklärt Geschäftsführer Franz Gumpp. Er rechnet für das Geschäftsjahr 2020 daher mit deutlichen Verlusten. Wie sich diese auf die Beschäftigten auswirken wird, ist nicht abschließend klar. „Es ist zu früh zu sagen, alle Arbeitsplätze sind sicher, aber es ist genauso zu früh, sofort ein umfassendes Restrukturierungsprogramm zu starten“, sagt er. Dank der Rückendeckung von Possehl sehe er die Produktionsgesellschaft per se nicht in Gefahr. Dazu gibt es einen „Zukunftspakt“ der zusammen mit den Arbeitnehmervertretern geschlossen wurde und den man ernst nehme.
Denn grundsätzlich, davon sind Gumpp und Kriechbaum überzeugt, stimme die strategische Ausrichtung, die die beiden Unternehmensteile zuletzt eingeschlagen haben. Das sei entscheidender, als Effekte der aktuellen Krise. Man sei in der aktuellen Konstellation zukunftsfähig.
Die Manroland Goss web systems, wo Entwicklung, Konstruktion und Vertrieb von neuen Maschinen sowie der Service angesiedelt sind, kann das wohl trotz Corona auch 2020 unter Beweis stellen. Zwar liegt man im Neumaschinengeschäft aufgrund der Covid-19-Effekte unter Vorjahresniveau, dafür habe sich der Geschäftsbereich „Service“ auf Normalauslastung stabilisiert. Kriechbaum rechnet am Ende des Jahres unterm Strich so mit einer schwarzen Null. „Dementsprechend stehen wir beim Thema Personal weniger unter Druck.“
Auch den Blick in die Zukunft wagt der Geschäftsmann unaufgeregt. „Unser Haus hat schon viele einschneidende Veränderungen erlebt und wir haben gelernt, damit umzugehen. Wir warten nicht ab, sondern wir handeln“, sagt er.
Auch der Anlagenbau ist bei Manroland Goss ein Thema
„Neu“ sei normal und man fördere das Querdenken. So bewältige man auch Corona und den Strukturwandel. Konkret heißt das, das Entwicklung und Bau von Druckmaschinen weiter das Kerngeschäft bleiben sollen, man aber auch andere Geschäftsfelder und neue Märkte sucht, um sich unabhängiger zu machen. So will sich Manroland goss web systems außerhalb der klassischen Druckbranche im Bereich Anlagenbau weiterentwickeln. „Wir sind in der Lage, komplexe Anlagen nach Kundenwunsch zu bauen, zu liefern, zu installieren und auch zu betreuen“, sagt Kriechbaum. Aktuell laufen Initiativen mit Forschungscharakter, bei denen es darum geht, Beschichtungstechnologien für Verpackungsmaterialien reif für eine industrielle Anwendung im Lebensmittelbereich zu machen. Hier wären die Augsburger in Kooperation mit Beschichtungsexperten einer der wenigen Anbieter und könnten neue Kunden ansprechen.
Auch im Kerngeschäft gibt es dazu Neuentwicklungen. Die Verpackungsdruckmaschine „Varioman“ wurde installiert und produziert erfolgreich. „Es handelt sich um einen großen Kunden, der in der Branche Strahlkraft hat“, sagt Kriechbaum. Hier spüre man bereits den Effekt der Mund-zu-Mund-Propaganda. Außerdem setzen die Augsburger auf das Angebot einer digitalen und vorausschauenden Serviceplattform („Maintellisense“) und bieten Druckereien überarbeitete Gebrauchtmaschinen (Retrofit) sowie abgespeckte und damit günstigere Varianten von neuen Modellen an. Bei letzteren sei es wie bei einem Auto: „Nicht jeder nutzt eine Sitzheizung und will dafür bezahlen.“ Mit solchen Angeboten könnten Kundenwünsche auch in finanziell schwierigen Zeiten, passgenau bedient werden.
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