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Augsburg: Leserbriefschreiber: "Manchmal hasse ich es, in Augsburg zu leben"

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Leserbriefschreiber: "Manchmal hasse ich es, in Augsburg zu leben"

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    Die Cafés auf dem Rathausplatz sind ein beliebter Treffpunkt in Augsburg. Aber nicht jeder fühlt sich in Augsburg wohl.
    Die Cafés auf dem Rathausplatz sind ein beliebter Treffpunkt in Augsburg. Aber nicht jeder fühlt sich in Augsburg wohl. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es sind 17 Jahre vergangen, seitdem Rüdiger Bergmann von München nach Augsburg gezogen ist. Trotz der langen Zeit kann er sich immer noch nicht mit der Fuggerstadt anfreunden. Er findet die Menschen hier abweisend. Aber sind die Augsburger tatsächlich so verstockt, wie er es unlängst in einem Leserbrief beschrieb?

    „Das menschliche Wesen in Augsburg ist, egal ob weiblich, männlich oder divers veranlagt, etwas ganz Besonderes“, beginnt der 61-Jährige seinen Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung und legt mit negativen Beispielen los. Einführungsreden von Kulturveranstaltungen seien in Augsburg nach seinen Worten eintönig und klängen wie das „Vater unser“, in dem das Wort „Vater“ durch „Jakob Fugger“ ersetzt werde. Er berichtet von irritierten Bäckereiverkäuferinnen, weil man ihnen erst mal einen guten Morgen wünsche, bevor man einkaufe. Außerdem würden sich Augsburger auf der Straße oft demonstrativ wegdrehen, wenn man sie als Fremder anspräche – so sind seine Erfahrungen.

    Leserbriefschreiber: "Die Augsburger sind verstockt, zurückhaltend, wortkarg"

    „Die Augsburger sind verstockt, zurückhaltend, wortkarg – sie sprechen bloß kein Wort zu viel“, fasst Rüdiger Bergmann gegenüber unserer Redaktion zusammen. Diese Eigenheiten frustrierten ihn schon lange. Als er neulich in der Münchner Zeitung einen Artikel über Augsburgs Stadtpolitiker und deren häufige Parteiwechsel las, ergriff er die Gelegenheit. Er verschaffte sich Luft über den Augsburger an sich. „Für mich war der Leserbrief wie eine Art Befreiung“, meint er bei einem Glas Tee im Café Moritzpunkt. Wir waren neugierig, wer dieser Mann ist, der die Augsburger nicht leiden kann und trafen uns deshalb mit ihm.

    Wie Bergmann erzählt, ist er in den USA geboren und in München aufgewachsen. In Berlin habe er Landschaftsplanung studiert, sei aber nach München zurückgekehrt. Die Berliner lagen ihm nicht, sagt er. Er selbst bezeichnet sich als Sozialkünstler. Der alleinstehende Mann arbeitet als Quereinsteiger in sozialen Berufen, momentan ist er arbeitslos. Nach Augsburg kam Bergmann 2002, als er eine Wohnung suchte. Ein Bekannter hatte ihm damals gesagt, dass der Wohnungsmarkt entspannter sei als in der Landeshauptstadt. Und die Münchner findet er zugänglicher als die Augsburger?

    „Die Münchner sind schon hochnäsig. Da dauert es auch, bis man jemanden kennenlernt“, räumt er ein. Aber der Unterschied sei der Einstieg. „Ich kann mich in München in einen Biergarten setzen, jemandem zuprosten und komme ins Gespräch. Der entscheidende Unterschied ist, in Augsburg spüre ich dieses Anschweigen.“ Typisch für die Fuggerstadt findet Bergmann folgende Situation: Man will sich in einer Kneipe oder im Biergarten an einen Tisch dazu setzen, wird aber darauf hingewiesen, dass da noch jemand kommt. Nur – es kommt eben keiner mehr. „Es gibt Momente, da hasse ich es, in Augsburg zu leben - nämlich wenn sich solche Erlebnisse an einem Tag häufen“, sagt er ehrlich. Derzeit suche er auch wieder in München einen Job. Ob er nicht etwas verbiestert sei?

    Was Rüdiger Bergmann an Augsburg mag

    „Nein“, sagt Rüdiger Bergmann „So würde ich mich nicht bezeichnen. Ich bin nur etwas frustriert über die Art. Ich bin da aber auch wieder schnell rauszuholen nach einer kurzen netten Begegnung.“ Ob sich die Augsburger in den 17 Jahren, in denen er hier lebt, verändert haben, mag er nicht beurteilen. „Ich habe mich zurückgezogen. Vielleicht sind die jüngeren Menschen aufgeschlossener, aber zu Studenten habe ich keinen Kontakt.“

    Manches aber mag er an Augsburg. Im Sommer radelt er gerne zum Baden an den Auensee. Der sei landschaftlich so schön. Aber auch am See findet er nicht alles perfekt: „Nur die lechgewandte Seite ist super. Auf der anderen ist es sehr voll und dort gibt es nur oberflächliches Geschwätz. Auf meiner Seite findet man wenigstens jemanden, mit dem man sich unterhalten kann.“ Rüdiger Bergmann wollte sich übrigens nicht fotografieren lassen. Nach früheren Leserbriefen von ihm, die in unserer Zeitung veröffentlicht wurden, habe er anonyme Briefe und Anrufe erhalten – darunter auch Beschimpfungen. Dies wollte er sich bei diesem Thema nicht antun.

    Sein Leserbrief über das Wesen der Augsburger kam in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung in München offenbar gut an. Denn wie er erfahren haben will, soll man sich da vor Lachen auf die Schenkel geklopft haben. Gerne würde Rüdiger Bergmann Augsburg verlassen. Am liebsten würde er nach Passau ziehen. Von der Offenheit der Menschen dort zeigt er sich begeistert. „Allerdings ist es mit den Jobs dort gerade schwierig.“ Für immer in Augsburg zu bleiben, ist für ihn keine Option. „Um hier alt zu werden, müsste ich schon die große Liebe kennenlernen.“

    So reagieren unsere Leser auf die Vorwürfe: Sind die Augsburger wirklich so schlimm?

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