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Augsburg: Lechhausen verändert sich - aber nicht alle sind zufrieden

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Lechhausen verändert sich - aber nicht alle sind zufrieden

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    Bald werden die Bauarbeiten wegen der Radstreifen fertig sein. Bis das neue Gebäude anstelle des "Grünen Kranzes" steht, dauert es allerdings noch.
    Bald werden die Bauarbeiten wegen der Radstreifen fertig sein. Bis das neue Gebäude anstelle des "Grünen Kranzes" steht, dauert es allerdings noch. Foto: Silvio Wyszengrad

    Kaum ein Stadtbewohner soll eine so ausgeprägte eigene Identität haben wie der Lechhauser. Ihm werden gewisse Charaktereigenschaften nachgesagt. Demnach verfügt der Lechhauser über ein gesundes Selbstbewusstsein, auch in der Kenntnis, nicht allzu vermögend zu sein. Der Stadtteil, der durch die Arbeiterschicht geprägt ist, mausert sich allmählich. Vor allem wird an einem attraktiven Zentrum gefeilt. Und trotzdem fühlt sich manch Lechhauser im Vergleich zu anderen Stadtteilen vernachlässigt.

    Wenn sich Peter Fischer im Zentrum am sogenannten „Schlössle“ in der Neuburger Straße umsieht, fällt ihm die große Baustelle ins Auge. Von ihr erwartet er sich viel. Hier, wo die Traditionsgaststätte „Grüner Kranz“ abgerissen wurde, soll künftig eine neue Anlaufstelle für die Bürger entstehen. Ein neues Gebäude mit Gastronomie, einer Sozialstation, Räumlichkeiten für Veranstaltungen und barrierefreie Wohnungen sind geplant. „Das ist eine ganz gewichtige Entwicklung“, sagt der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Lechhausen. „Als eigener Stadtteil bekommen wir endlich eine erkennbare Mitte.“

    Lechhausen: Große Pläne für die Gestaltung am Lech

    Der Rewe gegenüber wurde bereits modernisiert, Ärzte, Apotheke und ein Eiscafé zogen in das Geschäftsgebäude. Die Radfahrer erhalten derzeit am Schlössle einen eigenen Fahrstreifen. Nicht weit entfernt von dem Zentrum spannt sich die sanierte Ulrichsbrücke über den Lech. An der begehbaren Uferanlage gibt es mit dem Flößerpark große Pläne. Allerdings ziehen sich diese in die Länge. Seit rund sieben Jahren plane die Stadt im Rahmen eines integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts die Grünanlage an der Ulrichsbrücke umzubauen und attraktiver zu gestalten, sagt Fischer. Der Fluss und sein Ufer sollen für die Augsburger erlebbar gemacht werden. Wie berichtet, werden in einem Park unter anderem eine Gastronomie und ein Wasserspielplatz entstehen. Eigentlich sollte der Spielplatz schon in diesem Herbst eröffnen. Am Dienstag erst wurde mit dem Aushub begonnen.

    Im kommenden Umweltausschuss Mitte November wird der genaue Fahrplan für das weitere Vorgehen vorgestellt. Verzögerungen gibt es unter anderem wegen eines Erbpachtvertrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Stadt Augsburg. Wie Umweltreferent Reiner Erben berichtet, müssen Formalien und grundstücksrechtliche Fragen geklärt werden. Er rechnet Ende des Jahres mit einer Unterzeichnung des Vertrages.

    Der Flößerpark in Lechhausen wird sicherlich mal eine Attraktion.
    Der Flößerpark in Lechhausen wird sicherlich mal eine Attraktion. Foto: Annette Zoepf

    „Was den Flößerpark angeht, müssen wir in Dekaden denken“, sagt Peter Fischer und hört sich dabei etwas enttäuscht an. Freilich weiß er um die Besonderheit des Projekts. Wenn die neue Uferanlage einmal fertig ist, wird sie die einzige Stelle in Augsburg sein, an der der Lech in die Stadt integriert ist. Fischer erwartet sich davon eine große Strahlkraft in andere Stadtteile hinein. „Es wäre schön, wenn die Menschen bei Lechhausen nicht mehr automatisch an das Industriegebiet oder an die Müllverbrennungsanlage denken“, sagt er nahezu inbrünstig.

    Viele Bewohner gehören der Arbeiterschicht an

    Lechhausen ist seit vielen Jahrzehnten von der Industrie geprägt. „Wir haben hier ein hohes Maß an alter Bevölkerung, die aus der Arbeiterschicht kommt“, erzählt Edgar Mathe, der selbst 50 Jahre in dem Stadtteil gelebt hat und viel über dessen Geschichte weiß. „Das sind pensionierte MANler, Arbeiter aus dem Textilgewerbe und aus dem Schlachthof.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg seien viele Gastarbeiter aus Italien und der Türkei gekommen. In den 80er-Jahren waren es die Russlanddeutschen, berichtet Mathe. Das spiegelt sich in der Bevölkerung wider.

    Edgar Mathe hat über 50 Jahre in Lechhausen gelebt und kennt den Stadtteil und die Menschen wie seine eigene Westentasche.
    Edgar Mathe hat über 50 Jahre in Lechhausen gelebt und kennt den Stadtteil und die Menschen wie seine eigene Westentasche. Foto: Silvio Wyszengrad

    In Lechhausen lebten im vergangenen Jahr 36398 Menschen. Die Bevölkerung ist innerhalb von zehn Jahren um rund zehn Prozent gestiegen. Es ist nach der Innenstadt der bevölkerungsreichste Stadtteil. Die Zahl aus dem Jahr 2017 gliedert sich auf in 15861 Deutsche ohne Migrationshintergrund, 10225 Deutsche mit Migrationshintergrund und 10312 Ausländer. Das Arbeitervolk sei für sich immer gut zurechtgekommen, erzählt Mathe. „In Lechhausen schafft Solidarität Identität.“ Das sehe man allein am regen Vereinsleben, an Theatergruppen, Handwerkervereinigungen und der Pfarrgemeinde. „Der Lechhauser sagt: ,I hab mei Sach’ selber“, sagt Edgar Mathe schmunzelnd.

    "Ich liebe Lechhausen"

    Für Feinkosthändler Mahmut Orhan, der sein Geschäft an der Neuburger Straße seit 31 Jahren betreibt, ist Lechhausen das schönste Viertel Augsburgs. „Ich liebe es. Wenn ich in einen anderen Stadtteil gehen müsste, würde ich sofort zurückkehren“, behauptet der gebürtige Türke. Er sei froh, dass sich der Stadtteil so gut entwickle. Peter Fischer von der Aktionsgemeinschaft hingegen geht die Veränderung nicht weit genug.

    Mahmut Orhan betreibt seit über 30 Jahren seinen Feinkosthandel in der Neuburger Straße.
    Mahmut Orhan betreibt seit über 30 Jahren seinen Feinkosthandel in der Neuburger Straße. Foto: Ina Marks

    Man müsse nächste Punkte anpacken, um die Stadtentwicklung voranzutreiben. Ein wunder Punkt seien die Schulen. „Zusammen mit der Firnhaberau und der Hammerschmiede sind wir in Augsburgs Osten rund 50000 Einwohner“, stellt er fest. „Aber wir haben keine einzige weiterführende Schule. Das muss man sich mal vorstellen.“ Zudem brauche man eine Art Bürgerhaus als Anlaufstelle für die vielen Vereine, wie es Hochzoll etwa habe. Seit Jahren würde auch das Fehlen kultureller Einrichtungen moniert. Der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft zählt weiter auf: Die Anbindung der Industriegebiete an den öffentlichen Nahverkehr sei verbesserungswürdig. „Wir freuen uns für Haunstetten, dass es ein so tolles neues Wohngebiet bekommt. So etwas hätten wir auch gerne. Denn damit kommt auch die Kaufkraft.“

    Er wisse natürlich auch, dass Lechhausen über keine so große freie Fläche verfüge. „Dafür muss eine Reihe kleinerer Flächen entwickelt werden.“ Tatsächlich suchen durch den Druck auf dem Wohnungsmarkt immer mehr Menschen in Lechhausen eine Heimat. Die Baugrundstücke haben hier zuletzt preislich prozentual am stärksten in Augsburg zugelegt. „Es kommen Menschen, die sich vorher von Lechhausen abgewandt haben“, beobachtet Edgar Mathe. Peter Fischer findet, dass Lechhausen einen guten Mix an Menschen habe. „Wenn man das mit einer strukturellen Verbesserung kombinieren kann, ist Lechhausen auf einem guten Weg.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Stadtteil-Entwicklung: Stadt muss über ihr Zentrum hinausschauen

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