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Augsburg: Künstliche Nasen und Augen: Dieser Mann gibt Menschen ihr Gesicht zurück

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Künstliche Nasen und Augen: Dieser Mann gibt Menschen ihr Gesicht zurück

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    So echt kann eine falsche Nase aussehen. Das Provisorium besteht aus Wachs, das Endprodukt wird aus Silikon angefertigt. Der Augsburger Noah Bach fertigt solche Epithesen.
    So echt kann eine falsche Nase aussehen. Das Provisorium besteht aus Wachs, das Endprodukt wird aus Silikon angefertigt. Der Augsburger Noah Bach fertigt solche Epithesen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Noah Bach gibt Menschen nicht nur ihr Gesicht zurück, sondern auch ihr Selbstvertrauen und ihre Würde. In seiner kleinen, geschmackvoll eingerichteten Praxis in der Heilig-Kreuz-Straße im Augsburger Theaterviertel, fertigt er Zahnprothesen, künstliche Augen, Ohren und Nasen an. Der 54-Jährige ist nicht nur Zahntechnikermeister, sondern auch Epithetiker und Ocularist. Sein Beruf erfordert viel Geduld und Präzision. Er sagt, für seine Patienten nehme er sich viel Zeit. "Ich gehe ruhig und achtsam mit ihnen um." Bach weiß, dass die Menschen, die zu ihm kommen, oft viel durchgemacht haben. Wie Erika Schuster (Name geändert), 69, die mit ihrer Tochter extra vom Bodensee in die Praxis nach Augsburg gekommen ist. Sie hat keine Nase mehr.

    Das Nasen-Provisorium für Erika Schuster sitzt tadellos. Im nächsten Schritt wird das richtige Modell angefertigt, das dann auch farblich an die Haut der Patientin angepasst wird.
    Das Nasen-Provisorium für Erika Schuster sitzt tadellos. Im nächsten Schritt wird das richtige Modell angefertigt, das dann auch farblich an die Haut der Patientin angepasst wird. Foto: Silvio Wyszengrad

    Nach einer Krebserkrankung wurde ihre Nase amputiert

    Schusters Nase wurde amputiert, kurz nachdem bei ihr ein Krebsgeschwür diagnostiziert worden war. Für sie und ihre Familie sei es ein Schock gewesen, erzählt die Rentnerin, die in der Augsburger Praxis auf dem Patientenstuhl sitzt. Dort, wo ihre Nase war, klaffen zwei größere Höhlen. Man sieht, dass darin ein Gestell verschraubt ist. Bach will mit Hilfe von Magneten daran die neue Nase, die er für Erika Schuster anfertigt, andocken. Eine Sitzung reicht nicht, um das neue Körperteil anzufertigen. Bach sieht sich seine Patienten genau an, arbeitet mit Fotos, die sie mitbringen und die er selbst aufnimmt.

    Erika Schusters Nase ist noch nicht fertig. Heute ist quasi Anprobe des Provisoriums aus Wachs. Erst wenn das sitzt, wird das Endprodukt aus einem bestimmten Silikon hergestellt. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Eine Nase hält in der Regel zwei Jahre. Die 69-Jährige und Bach sind mit dem Test zufrieden. Das Provisorium liegt tadellos auf dem Gesicht der Frau auf und verdeckt die Höhlen. So wie es der Begriff der Epithese bedeutet. Er leitet sich aus dem Griechischen ab und heißt wörtlich "das Aufgesetzte". Schuster ist von der neuen Nase überzeugt. Freilich wäre das Modell noch zu hell für ihr Gesicht. "Die endgültige Silikonnase passe ich dann farblich zur Gesichtshaut der Patientin an", erklärt Bach. Schließlich soll die "falsche" Nase nicht auffallen. Seine Patienten sind Menschen wie Schuster, die schwer erkrankt sind, oder die bei Unfällen schwer verletzt wurden. Auch Kriegsopfern habe er schon geholfen, erzählt Bach, der auch mit Ärzten an Kliniken zusammenarbeitet.

    Als Epithetiker stellt Noah Bach für seine Patienten neue Nasen, Augen oder Ohren her. Diese Arbeit erfordert auch Ruhe und Konzentration.
    Als Epithetiker stellt Noah Bach für seine Patienten neue Nasen, Augen oder Ohren her. Diese Arbeit erfordert auch Ruhe und Konzentration. Foto: Silvio Wyszengrad

    Augen faszinieren den Epithetiker aus Augsburg

    Seit 15 Jahren ist der Augsburger als Zahntechnikermeister selbstständig, seit sechs Jahren arbeitet er zudem als Epithetiker. Vier bis fünf Jahre brauche man für diese Ausbildung. "Es ist schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden, es gibt nicht viele Epithetiker." Als er von diesem Beruf das erste Mal hörte, wusste er sofort, das wolle er lernen. "Ich male schon mein ganzes Leben lang Gesichter, Augen und Nasen. Seit meiner Kindheit." Bach dreht sich in seiner Praxis um. Das Bild, das hinter ihm an der Wand hängt und ein geheimnisvolles Gesichts zeigt, hat er gemalt. "Ich weiß nicht, warum ich darauf so fixiert bin. Aber wenn ich Menschen begegne, schaue ich ihnen sofort in die Augen." Farbe und Strukturen von Augen faszinierten ihn. Seine Leidenschaft für Gesichter übt Bach, der von sich sagt, er sei ein Ästhet, in seinem Beruf aus. Vor allem künstliche Augen seien dabei eine Herausforderung.

    Kunstaugen so zu bemalen, dass sie täuschend echt aussehen, ist nahezu eine Kunst.
    Kunstaugen so zu bemalen, dass sie täuschend echt aussehen, ist nahezu eine Kunst. Foto: Silvio Wyszengrad

    Augsburger Noah Bach arbeitet auch als Dolmetscher am Gericht

    Hat er eine Abformung einer Augenhöhle genommen, baut Bach aus hautverträglichem Silikon eine Art Schale und bemalt sie akribisch. "Mit Hilfe eines Mikroskops male ich die Struktur des Auges, die einzelnen Äderchen und Leuchteffekte. Bei älteren Patienten sind die Augen meist etwas matter. Das muss ich anpassen." Sei beim Patienten noch ein Rest Muskulatur am Auge vorhanden, könne sich das künstliche Auge sogar mit bewegen. Bach scheint mehrere Talente zu haben. Neben seinem Beruf widmet er sich gerne der Kunst, malt, baut Skulpturen. Hin und wieder arbeitet er, der mehrere Sprachen beherrscht, als Dolmetscher am Gericht. Dann übersetzt er für Zeugen und Angeklagte. Das sei eine ganz andere Art von Arbeit, die er aber auch schätze.

    "Menschen haben viele Talente. Ich brauche die Abwechslung", sagt er über sich. Dann widmet er sich wieder dem Nasenprovisorium von Erika Schuster. Ruhig und konzentriert. Er weiß, wie wichtig es für die Psyche der Betroffenen ist, wieder ein äußerlich intaktes Gesicht zu erhalten. Erika Schuster sagt selbst, sie könne nicht in Worte fassen, was die neue Nase für sie bedeutet. "Ich kann mich damit wieder ganz normal unter Menschen bewegen."

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