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Augsburg: Kritik an Mietspiegel: Welche Probleme günstige Mieten verursachen

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Kritik an Mietspiegel: Welche Probleme günstige Mieten verursachen

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    Auch in Augsburg werden Eigentümer von Mietwohnungen vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass sie mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete verlangen müssen, um keine steuerlichen Nachteile zu erleiden.
    Auch in Augsburg werden Eigentümer von Mietwohnungen vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass sie mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete verlangen müssen, um keine steuerlichen Nachteile zu erleiden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Weil er seine Wohnung günstig vermietet hatte, erfuhr Hubert Haßlacher durch das Finanzamt steuerliche Nachteile. Wie berichtet, zog der Eigentümer Konsequenzen und erhöhte die Miete. Er sagt, das Finanzamt habe ihm keine andere Wahl gelassen. Der Vorgang ist kein Einzelfall und in Zeiten des angespannten Wohnungsmarktes bemerkenswert. Beim Mieterverein betrachtet man derlei Vorgänge ebenfalls als problematisch.

    Mietspiegel: Augsburger sah sich gezwungen, Kaltmiete zu erhöhen

    Zur Erinnerung: Für eine unsanierte Zwei-Zimmer-Wohnung in Lechhausen mit Gasöfen verlangte Haßlacher ursprünglich eine Kaltmiete von 320 Euro. Bis ihn das Finanzamt darauf hinwies, seine Mieteinnahmen würden weniger als die erforderlichen 66 Prozent der ortsüblichen Miete betragen. Deshalb könne er nicht alle seine Werbungskosten steuerlich absetzen. Der 74-Jährige, der sozial eingestellt ist, aber freilich nicht „draufzahlen wollte“, sah sich gezwungen, die Kaltmiete zu erhöhen. Seit einem Mieterwechsel verlangt er nun 420 Euro. Die Finanzbehörden würden mit diesem Gebaren die Mieten in die Höhe treiben, kritisierte er. Thomas Weiand, Vorsitzender der Mietervereins Augsburg, pflichtet ihm bei.

    Hubert Haßlacher hatte seine Wohnung aus Sicht des Finanzamtes zu günstig vermietet.
    Hubert Haßlacher hatte seine Wohnung aus Sicht des Finanzamtes zu günstig vermietet. Foto: Silvio Wyszengrad

    „Soziale Vermieter können nicht so sozial sein, wie sie wollen. Natürlich werden Mieten damit nach oben getrieben.“ Der Experte kennt aus der Praxis ein weiteres Problem. Manchmal nämlich würde das Finanzamt von Vermietern in diesem Rahmen einen Mietanstieg fordern, der rechtlich gar nicht zulässig sei. Hier kommt die sogenannte Kappungsgrenze ins Spiel.

    Mieterverein Augsburg erklärt, welches Problem entstehen kann

    Ihr zufolge dürfen Vermieter innerhalb von drei Jahren die Miete lediglich um 20 Prozent erhöhen. Da das Stadtgebiet Augsburg nach der bayerischen Mieterschutzverordnung zu den Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zählt, gilt hier sogar die Kappungsgrenze von 15 Prozent. Weiand veranschaulicht mit einem Beispiel, wie ein Vermieter in die Klemme geraten kann.

    „Angenommen jemand verlangt 500 Euro Kaltmiete. Laut Finanzamt müssten es aber 800 Euro sein. Dann darf der Vermieter rechtlich gar nicht so viel erhöhen“, verdeutlicht Weiand. „In diesem Fall könnte er innerhalb von drei Jahren bei einem Bestandsmietverhältnis nur 75 Euro mehr Miete verlangen.“ Eigentlich dürfte das Finanzamt nichts anrechnen, was gesetzlich nicht umsetzbar ist, meint Weiand. Die Kappungsgrenze sei im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und stünde vor dem Steuerrecht. Oft schon habe man darauf aufmerksam gemacht, nachdem sich Mieter in solch speziellen Fällen der Mieterhöhung an den Verein gewandt hatten. Wie diese Vorgänge endeten?

    „Da wir nichts mehr hörten, gehe ich davon aus, dass die Vermieter anhand der Argumentation beim Finanzamt Erfolg hatten“, sagt Weiand. Der Vorsitzende des Augsburger Mietervereins betrachtet es als notwendig, dass Vermieter statt 66 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete auch nur 50 Prozent verlangen können – ohne steuerliche Nachteile davonzutragen. Damit vertritt er auch die Auffassung des Augsburger Bundestagabgeordneten Volker Ullrich. Wie berichtet, fordert der wohnungspolitische Sprecher der CSU genau diese Senkung.

    WSA übt Kritik am Augsburger Mietspiegel

    Anhand des Falls des Vermieters Hubert Haßlacher sieht sich die Bürgervereinigung „Wir sind Augsburg“ (WSA) in ihrer Auffassung bestätigt: Der Mietspiegel habe negative Folgen. „Leider ist der Fall kein Einzelfall. Der WSA sind weitere solche Fälle bekannt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Als es um die Einführung des Mietspiegels 2017 ging, habe die WSA davor gewarnt, dass mit einem Mietspiegel noch verbliebene unterdurchschnittliche Mieten zwangsläufig angehoben würden. Sozial eingestellten Vermietern würde nichts anderes übrig bleiben. Sonst würde sie das Finanzamt aufgrund des Mietspiegels mit entsprechenden Steuernachteilen einstufen. Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) und Thomas Weiand sehen das allerdings anders.

    „Das steuerliche Problem der ,zu günstigen Vermietung‘ hat der Vermieter immer, egal ob ein Mietspiegel existiert oder nicht“, führt Kiefer an. Mit dem Mietspiegel wisse der Vermieter, woran er sich orientieren könne. Weiand gibt zu bedenken: „Anderenfalls müsste das Finanzamt Gutachten einholen, um für eine Wohnung die Miete zu ermitteln.“ Der Vorsitzende des Mietervereins ist vielmehr von einer mietdämpfenden Wirkung des Mietspiegels überzeugt. Das hätten auch die bisherigen Erfahrungen gezeigt. „Bei dem ein oder anderen Vermieter wurde der Gier Einhalt geboten.“ Zudem habe er beobachtet, dass moderate Mietanpassungen nicht sprunghaft nach oben gestiegen seien. Für Weiand gehört längst das Steuerrecht auf den Prüfstand, um Wohnraum bezahlbar zu halten. Manche Vermieter, die die Miete gering halten, aber steuerlich nicht benachteiligt werden wollen, tricksen. Wie Petra K. (Name geändert)

    Die Augsburgerin hat ihre Ein-Zimmer-Wohnung an einen Verwandten vermietet. Der Mann studiert und hat derzeit wenig Geld. K. wollte von ihm nur die Nebenkosten bezahlt bekommen. „Ich wollte ihn während des Studiums unterstützen.“ Doch ihr Anwalt riet ihr, mindestens 66 Prozent der Vergleichsmiete zu verlangen, um Werbungskosten steuerlich absetzen zu können. „Ich nehme nun die Miete von ihm, stecke ihm aber immer wieder hundert Euro Taschengeld in bar zu. Es ist doch krank, dass ich mein Eigentum nicht zu dem Preis vermieten kann, wie ich will“, echauffiert sich Petra K.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Nicht der Mietspiegel ist das Problem

    Lesen Sie auch: Steuerliche Regelung bei Mieten ist in der Form überholt

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