Die Sache sorgt vor allem im Internet für Aufregung. Polizei und Feuerwehr waren am Montagabend in Augsburg wegen eines Schriftzugs im Einsatz, der mit Kreide auf das Pflaster vor dem Augsburger Rathausportal gemalt worden war. Die Polizei hatte die Feuerwehr gerufen, damit diese den Kreide-Schriftzug mit Wasser wegwäscht. In sozialen Netzwerken wird gemutmaßt, die Polizei habe sich damit "politisch" verhalten. Denn es handelte sich um einen Schriftzug, der von Frauenrecht-Aktivistinnen angebracht worden ist. Sie wollten damit sexuelle Belästigungen von Frauen in der Öffentlichkeit anprangern. Die Polizei nimmt Stellung und eine Stadträtin stellt dazu einen Antrag.
Hinter der Aktion steht die Gruppe "Catcalls of Augsburg", die von zwei jungen Frauen ins Leben gerufen worden ist. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Belästigungen durch sexistische Sprüche, die Frauen hinterhergerufen werden, am Ort des Geschehens anzuprangern. Dazu schreiben sie die Sprüche mit Kreide auf den Boden - jeweils an der Stelle, an der es passiert ist. Mit einem Hinweis auf ihre Seite im sozialen Netzwerk Instagram. Der Spruch vor dem Rathaus bezog sich auf eine Frau, die dort belästigt worden ist. Ein Mann hatte der Frau dort 50 Euro angeboten, weil er schon immer mal Sex mit einer Schwarzen haben wollte, wie er sagte. Gespickt war seine Anmache mit Beleidigungen.
Die Augsburger Polizei ist von Passanten über den Kreide-Schriftzug informiert worden
Der Spruch sorgte für Irritationen. Polizeisprecher Siegfried Hartmann sagt auf Anfrage unserer Redaktion, die Polizei sei von Passanten über den Kreide-Schriftzug informiert worden. Die Passanten hätten darauf aufmerksam gemacht, weil sie den Spruch für rassistisch und sexistisch gehalten hätten. Die Polizeibeamten hätten deshalb im benachbarten Klimacamp nachgefragt, was es damit auf sich habe und was dahinterstecke. Ingo Blechschmidt vom Klimacamp bestätigt das und erklärt, er habe die Polizisten an "Catcalls of Augsburg" verwiesen. Die Beamten hätten ihn dennoch gebeten, den Schriftzug zu entfernen, weil sich Passanten belästigt fühlten. Dem sei er aber nicht nachgekommen. Deshalb holte die Polizei dann die Feuerwehr zur Entfernung um Hilfe.
Polizeisprecher Hartmann erklärt, die Beamten hätten sich für die Entfernung entschieden, um weitere Missverständnisse und Aufregung um den an prominenter Stelle angebrachten Spruch zu vermeiden. Konsequenzen müsse die Person, die den Spruch dort mit Kreide aufgeschrieben habe, aber keine befürchten. Es handle sich um keine Straftat - weder um eine Beleidigung, da es ja um das Anprangern derselben gegangen sei, noch um eine Sachbeschädigung, da sich die Kreide mit Wasser entfernen ließ - und spätestens beim nächsten Regen ohnehin verschwunden wäre. Eine politische Motivation für das Vorgehen der Polizei gebe es jedenfalls nicht.
Der Einsatz von Polizei und Feuerwehr in Augsburg ruft Stadträte auf den Plan
In der Stadtpolitik sorgt der Polizei- und Feuerwehreinsatz dennoch für Wirbel. Die Sozialfraktion aus SPD und Linkspartei will von Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) wissen, warum es zu solch einem "unverhältnismäßigen Einsatz" gekommen sei - obwohl sie in diesem Fall die falsche Adressatin ist, weil die Stadt damit nichts tun hatte. Die Berufsfeuerwehr gehört zwar zur Stadt, rückte aber auf Anforderung durch die Polizei an. Die Sozialfraktion kritisiert auch, dass Kreide-Schriftzüge von Abtreibungsgegnern im Herbst am Königsplatz nicht sofort entfernt worden seien. SPD-Stadträtin Anna Rasehorn schreibt: "Ich schäme mich für das Handeln der Sicherheitsbehörden." Der Freie-Wähler-Stadtrat Peter Hummel ärgert sich auf Facebook über das Vorgehen der Polizei - und CSU-Rat Bernd Zitzelsberger stimmt ihm zu: "Die Entfernung war übertrieben. Die Bemalung des Gehweges ist grundsätzlich weder strafbar noch eine Ordnungswidrigkeit."
Die Aktivistinnen von "Catcalls of Augsburg" wollen damit weitermachen, "die Täter anzukreiden und der Stimme von Betroffenen noch mehr Gehör zu verschaffen". Sie werten den Polizeieinsatz als Versuch, Betroffene mundtot zu machen. Das wollten sie nicht hinnehmen, schreiben sie in einer Botschaft im sozialen Netzwerk Instagram. Es gebe, das zeige der Vorfall, in der Gesellschaft "akuten Handlungsbedarf". Rechtlich ist das Anbringen von Kreide eine Grauzone - es gibt Städte, die es tolerieren, andere sehen darin eine Ordnungswidrigkeit. Die parteilose Stadträtin Margarete Heinrich will erreichen, dass die Stadt die "Ankreidung" durch „Catcalls of Augsburg“ als legal ansieht und toleriert - sie hat einen entsprechenden Antrag eingereicht.
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