Seit dem Jahr 1978 hat die Wahlbeteiligung in Augsburg stetig abgenommen, bei der Kommunalwahl 2014 war sie so niedrig wie noch nie zuvor bei Kommunalwahlen. Sie lag mit 41,2 Prozent nochmals 6,4 Prozentpunkte und damit deutlich unter der Marke von 2008 (47,6 Prozent). Wer diese Zahlen analysiert, muss zwangsläufig zum Schluss kommen, dass die Augsburger immer weniger Interesse daran haben, wer im Stadtrat sitzt und was vom kommunalen Gremium entschieden wird. Es ist eine bedenkliche Entwicklung, weil Menschen, die vor Ort leben, von Beschlüssen des Stadtrats direkt betroffen sind.
Wenn im März 2020 die Kommunalwahl ansteht, muss es auch darum gehen, die Augsburger wieder vermehrt zum Wählen zu bewegen. Ein spannender Wahlkampf trägt dazu bei. Aber auch die Zahl der Parteien und Gruppierungen, die antreten, nimmt Einfluss auf das Wählerverhalten. In Augsburg ist jetzt ein besonderes Phänomen festzustellen. Die Kommunalwahl 2020 ist im Vergleich zu früheren Wahlen attraktiv wie nie zuvor. Festzumachen ist dies an der Zahl der Parteien und Gruppierungen, die sich dem Votum der Wähler stellen möchten.
Es gibt vier Neulinge bei der Wahl in Augsburg
Zwischenzeitlich sind es 15 Gruppierungen, die nahezu alle bereits ihre Stadtratslisten aufgestellt haben. Es gibt vier Neulinge. Die Bürgervereinigung „Augsburg in Bürgerhand“ machte den Anfang, später folgten „Die Partei“ und die V-Partei. Ganz frisch am Markt ist die Bewegung „Generation Aux“ um den früheren Vorsitzenden des Stadtjugendrings, Raphael Brandmiller. Erstmals bei einer Kommunalwahl ist zudem die WSA (Wir sind Augsburg) dabei. Bei der Gruppierung um den früheren Kulturreferenten Peter Grab, der von Pro Augsburg zur WSA wechselte, ist zu sehen, dass sie bereits jetzt im Stadtrat agiert, weil Grabs Wechsel in der laufenden Periode erfolgte.
Die WSA möchte ab Mai 2020 im Stadtrat weiterhin vertreten sein. Doch nicht jeder, der eine Stadtratsliste aufstellt, wird zur Wahl zugelassen. Dazu bedarf es 470 Unterschriften, die vorzulegen sind. Unterzeichner müssen eigens in Bürgerbüros, um sich in eine Liste einzutragen. In Augsburg scheiterten im Jahr 2014 Piraten, Bayernpartei, FBU und eine Bürgerinitiative Ausländerstopp wegen fehlender Unterschriften. Die Hürde ist nötig. Sie verhindert zumindest einen Wildwuchs an Kandidierenden.
Wie ist es zu erklären, dass neue Gruppierungen und Kandidierende die Lust verspüren, sich in Augsburg zu engagieren? Die Motivlage mag bei den „Neulingen“ in Augsburg unterschiedlich sein. Die V-Partei, die für Veganer, Vegetarier und Veränderung steht, vereint eine Lebenshaltung, die sich auch im Ernährungsverhalten äußert. Die Vereinigung „Augsburg in Bürgerhand“ um OB-Kandidat Bruno Marcon ist entstanden, weil sich viele Personen, die sich zuvor in Bürgerinitiativen mit Einzelthemen befassten, nun auch in einem kommunalen Gremium engagieren wollen. Die Satirepartei „Die Partei“, die aber längst nicht mehr allein auf den Spaßfaktor setzt, ist vom Erfolg zurückliegender Wahlen beflügelt. Nun soll es auch in den Stadtrat gehen. Die Zahl von lediglich elf Kandidaten zeigt, dass es keinen großen Unterbau in Augsburg gibt. 60 Plätze stehen prinzipiell auf einer Stadtratsliste zur Verfügung. Fast alle Parteien und Gruppierungen schöpfen das Kontingent aus.
Der Reiz für etwas Neues führt zusammen
Der Reiz für etwas Neues führt Kandidaten der Gruppierungen zusammen. Zu sehen ist andererseits, dass es treibende Kräfte gibt, die für ihre Ideen begeistern konnten. Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand), Roland Wegner (V-Partei) und Raphael Brandmiller (Generation Aux) sind Personen, die es verstehen, sich selbst zu inszenieren. Das eigene Ego spielt immer eine Rolle, wenn „Neulinge“ angreifen. Wobei bei Wegner (vormals SPD) und Brandmiller (vormals SPD und Grüne) kommunalpolitische Erfahrung zumindest bereits vorhanden ist, auch wenn beide noch nie im Stadtrat saßen.
Wenn mehr Parteien sich zur Wahl stellen, erhöht dies den Reiz. Das mediale Interesse nimmt ebenfalls zu, weil viele unterschiedliche Positionen darzustellen sind. Kleine Parteien und Gruppierungen mögen somit für frischen Wind in der Kommunalpolitik sorgen. Fraglich ist, ob sie die konstruktive Arbeit in einem Stadtrat erleichtern. Es war in der laufenden Periode gut zu beobachten, dass speziell bei kleinen Parteien und Gruppierungen gewählte Stadträte aus teils unterschiedlichen Gründen die politischen Farben wechseln. Aber dies ist ein anderes Thema.