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Augsburg: Kleingärten in Augsburg: Corona-Krise lässt Nachfrage steigen

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Kleingärten in Augsburg: Corona-Krise lässt Nachfrage steigen

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    Die erste Ernte brachte ein Gefühl der „tiefsten Zufriedenheit“: Helene Beirit und ihre Familie sind seit Kurzem Pächter eines Kleingartens. Derzeit wollen es ihnen viele Menschen in Augsburg gleich tun.
    Die erste Ernte brachte ein Gefühl der „tiefsten Zufriedenheit“: Helene Beirit und ihre Familie sind seit Kurzem Pächter eines Kleingartens. Derzeit wollen es ihnen viele Menschen in Augsburg gleich tun. Foto: Silvio Wyszengrad

    Am Ende lohnt sich die Plackerei. Das Hände schmutzig machen, das Steine schleppen, das Schnecken jagen. Drei kleine, tiefrote Erdbeeren sind alles, was Helene Beirit durch die Finger gegangen ist. Sie verstecken sich unter den Blättern der Pflanze. Ihre erste Ernte – ein Gefühl der „tiefsten Zufriedenheit“, sagt die 32-Jährige. Seit Juni sind sie und ihre Familie Kleingärtner im Siebentischwald. Viele wollen es ihnen gleichtun: Kleingarten-Anlagen liegen in Corona-Zeiten voll im Trend. in Augsburg steigt die Nachfrage rasant.

    Auch ein Zwerg mit Zipfelmütze begrüßt die Besucher.
    Auch ein Zwerg mit Zipfelmütze begrüßt die Besucher. Foto: Silvio Wyszengrad

    300 Quadratmeter misst der „Rückzugsort“ der Familie Beirit – und was hier alles wächst. Birnen, Äpfel, Zucchini, Tomaten, Kartoffeln, Rhabarber, Erbsen, Minze, Himbeeren, Erdbeeren, Knoblauch, Rote Bete... Mitten im Garten blüht ein schöner Blütenstrauch.

    So ein Garten, sagt Beirit, mache trotz der Schönheit auch viel Arbeit. Das kann man sehen: Im vorderen Bereich liegen Steine herum, Blumen- und Gemüsebeet werden gerade erst angelegt. Auch die Hütte, sie strahlt frisch gestrichen in Braun und Metallgrau, musste erst einmal nach den eigenen Vorstellungen hergerichtet werden. „Wir haben den Boden herausgerissen und Linoleum verlegt, dazu eine kleine Küchenzeile installiert.“ Nun steht man dort in einem kleinen Wohnzimmer samt Sofa. Praktisch, wenn auch bei schlechtem Wetter der Garten ruft.

    Und diesen Ruf verspüren immer mehr Menschen – nicht erst seit Corona. Aber, das sagen die Zahlen, das Virus ist durchaus ein Verstärker der Kleingartenliebe. Beim Liegenschaftsamt der Stadt verzeichnet man ein rasant wachsendes Interesse an der Kleingärtnerei. Bei den vier verwalteten Anlagen in Göggingen mit 190 Gärten haben sich in diesem Jahr seit März mehr als 170 Personen beworben. Im Vergleichszeitraum 2019 waren es 56.

    Beim Stadtverband Augsburg der Kleingärtner spürt man ebenfalls das gestiegene Interesse. Aktuell haben dort laut Gudrun Odobescu, der stellvertretenden Vorsitzenden, 3700 Pächter einen Garten. Etwa 1700 sind vorgemerkt. Die Anzahl der Vormerkungen habe in den vergangenen Jahren immer leicht schwankend um etwa 1000 herum gelegen. Seit 2017 verzeichne man bei den Vormerkungen einen Zuwachs in absoluten Zahlen von rund 300.

    Kleingarten-Warteliste: Knapp 400 neue Vormerkungen seit Corona

    In diesem Jahr, seit Ausbruch der Corona-Pandemie, kamen knapp 400 neue Vormerkungen hinzu. Wer dort einen Platz möchte, muss mit Wartezeiten von bis zu acht Jahren rechnen. Je nach Kleingartenanlage und Glück kann man sich aber auch bereits nach einem Jahr Schrebergärtner nennen.

    Auch Helene Beirit und ihre Familie rechneten mit einer langen Wartezeit. Aber: Bereits zwei Jahre nach der Bewerbung für den Garten in der Michael-Walther-Kleingartenanlage beim Siebentischwald kam die Zusage. „Ein absoluter Glücksmoment.“ Jetzt kann die Familie dem Balkon entfliehen und mit dem Fahrrad in den eigenen Kleingarten fahren. Hier tanzen die Blätter im Wind, es riecht nach Erde und ein wenig nach der Farbe des gestrichenen Gartenhäuschens. Erzählt die 32-Jährige von ihrem Garten und zeigt dem Besucher, was sie und ihre Familie noch alles vorhaben, dann lächelt sie.

    Kleingärten sind für viele Augsburger ein erholsamer Platz im Grünen.
    Kleingärten sind für viele Augsburger ein erholsamer Platz im Grünen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Mit Klischees über Kleingärtner kann Beirit nicht viel anfangen. In ihrem Garten grüßt die Besucher zwar ein kleiner Gartenzwerg mit gelber Zipfelmütze – den wollte Tochter Emilia unbedingt. Ideen und Rezepte für den Garten holt sich die 32-Jährige ganz zeitgemäß aber aus den sozialen Medien: „Dort findet man eigentlich alles, was man für einen schönen Garten braucht.“

    Kleingärten in Augsburg: Das Durchschnittsalter der Pächter sinkt

    Gärtnern ist heute Instagram-tauglich – unter dem Hashtag (Suchbegriff) „gartenliebe“ finden sich auf der Social-Media-Plattform fast 900.000 Beiträge, mehr, als unter vielen anderen Stichworten. Odobescu vom Stadtverband bestätigt den Trend. „Das Durchschnittsalter der Pächter sinkt jedes Jahr, da aktuell sehr viele junge Familien einen Garten bekommen.“

    Einen Garten möchte auch André Müller. Der 41-Jährige ist in einem Haus mit viel Grün drumherum aufgewachsen. In der Stadt klappt es bisher nicht damit. „Einen Garten beginnt man irgendwann zu vermissen.“ Deswegen ist er seit einigen Monaten auf der Warteliste für einen Platz. Corona habe dabei keine Rolle gespielt. Bei Freunden und Bekannten stößt Müller mit seiner Bewerbung auf Zustimmung und Interesse. Mit einigen Jahren Wartezeit rechne er, sagt der 41-Jährige. Das sei aber kein Problem. Dann seien die Kinder ein wenig älter und wüssten das eigene Stück Natur besser zu schätzen.

    Helene Beirits Tochter Emilia ist schon voll dabei: In einem hinteren Eck des Kleingartens befinden sich zwei mit Steinen umrahmte Beete. Emilia hat sie zusammen mit den Eltern angelegt. Hier kümmert sich das Mädchen um die Pflanzen, die sie dort möchte. Aktuell stehen Karotten hoch im Kurs – ob sie was werden, mal sehen. Jeder Gärtner hat ja mal klein angefangen.

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