Der Tunnel unter dem Augsburger Hauptbahnhof wird zur Inbetriebnahme im August 2023 voraussichtlich nicht von Straßenbahnen durchfahren werden können. Zwar wird die unterirdische Haltestelle unter den Bahnsteigen aufgrund der eingebauten Wendeschleife von den beiden Linien 4 und 6 angefahren werden können, die Linie 3 muss aber vorläufig weiter durch die Pferseer Unterführung fahren. Denn wie der Anschluss des Tramtunnels in Richtung Westen aussehen soll, ist noch immer höchst umstritten.
Dass sich der Gleisanschluss des Tunnels im Westen verzögern könnte, hat sich schon länger abgezeichnet. Jetzt wird es aber von den Stadtwerken erstmals bestätigt. Geschäftsführer Walter Casazza stellt nun das Jahr 2026 in den Raum. An diesem Donnerstag wird der Stadtrat über das weitere Vorgehen bei der künftigen Gleistrasse im Bereich des Thelottviertels beraten. Es sind heftige Debatten mit der Opposition absehbar. Die Sozialfraktion aus SPD und Linkspartei und die Bürgerliche Mitte (Freie Wähler, FPD, Pro Augsburg) werden fordern, nicht zu entscheiden und das Thema von der Tagesordnung zu nehmen.
Tunnel unter dem Hauptbahnhof kostet zwischen 230 und 250 Millionen Euro
Die Baukosten für den Straßenbahntunnel liegen bei 230 bis 250 Millionen Euro. Dass es so weit kommen konnte, dass der Tunnel nach zehn Jahren Bauzeit nicht komplett nutzbar ist, liegt daran, dass die Stadtwerke sich zunächst den Tunnelbau genehmigen ließen, sich bei der Trasse im Westen im Bereich Thelottviertel aber noch diverse Möglichkeiten offen- ließen. Zwar war in der Genehmigung für den Tunnel eine Gleistrasse in der Rosenaustraße bis zur Kreuzung mit der Pferseer Straße genehmigt.
Allerdings sah auch die Regierung von Schwaben als Genehmigungsbehörde Probleme bei der Leistungsfähigkeit der Kreuzung Rosenau-/Pferseer Straße, wenn dort mit der geplanten Linie 5 noch eine Straßenbahnlinie mehr fährt. Im Raum stand jahrelang der Bau einer neuen großen Autostraße oben auf der Wertachleite neben den Bahngleisen - technisch schwierig, politisch aufgrund der Regierungsbeteiligung der Grünen nahezu ausgeschlossen und de facto inzwischen zu den Akten gelegt.
Augsburger Stadtrat soll am Donnerstag eine Lösung finden
Am Donnerstag soll der Stadtrat nun die Weichen dafür stellen, wie es im Westen weitergeht. Der Stadtrat soll darüber entscheiden, mit welcher Linienführung die Stadtwerke bei der Regierung von Schwaben ins Genehmigungsverfahren gehen. Die Variante von Stadt und Stadtwerken sieht vor, die Linien 3 und die künftige Linie 5 nach dem Tunnelausgang über die Rosenau- und Pferseer Straße fahren zu lassen. Dort trennen sich dann die Wege: Die Linie 3 fährt wie bisher über die Luitpoldbrücke Richtung Pfersee/Stadtbergen, die Linie 5 biegt in die Holzbachstraße in Richtung Bgm.-Ackermann-Straße und ihres Ziels Uniklinikum ab. In der Gegenrichtung stadteinwärts treffen sich die Linien am östlichen Ende der Luitpoldbrücke und fahren über Perzheimstraße und Hörbrotstraße durchs Thelottviertel zum Tunneleingang. Die Stadtwerke rechnen bei dieser Variante mit zwei Jahren fürs Genehmigungsverfahren, zwei Jahren für die Detailplanung und zwei Jahren für den Bau. "Der Bau dieser Straßenbahnlinie ist eine Operation am offenen Herzen", sagt Stadtwerkechef Casazza.
Allerdings gibt es Widerspruch zur Planung von Stadt und Stadtwerken. Der frühere Chef der Münchner Verkehrsbetriebe, Herbert König, befürwortet zusammen mit dem ehemaligen Netzplaner der Stadtwerke, Rainer Schnierle, eine Führung der Linie 3 über Rosenau- und Pferseer Straße und eine Trassierung der Linie 5 über die Rosenaustraße bis hin zur Ackermann-Brücke - einen früheren eigenen Alternativvorschlag haben König und Schnierle inzwischen selbst verworfen. Herbert König saß früher für die SPD im Augsburger Stadtrat und lebt in der Region. Die Sozialfraktion als größte Opposition wird von König beraten und sieht die Rosenaustraße ebenfalls als naheliegendste Lösung.
Nahverkehrsexperte Herbert König setzt auf eine andere Straßenbahntrasse als die Stadt
Zumindest solle sich der Stadtrat nochmal die Möglichkeit nehmen, die Varianten vertieft zu prüfen. "Der Stadtrat tut gut daran, die Entscheidung sorgfältig abzuwägen", sagt Fraktionschef Florian Freund (SPD). Der Erfolg der ganzen Linie werde im Hinblick auf die Fahrzeit mit davon abhängen, wie die Trasse in Bahnhofsnähe verlaufe. Ex-MVG-Chef König ist der Auffassung, dass diese Strecke nebst diversen Vorteilen wie kürzerer Fahrzeit und weniger Kosten auch deutlich weniger Zeit bis zur Fertigstellung benötigen würde. Nach Ansicht von König ist eine Inbetriebnahme schon 2023 möglich, weil es ja bereits Baurecht über die Tunnelgenehmigung gibt. Er sagt: „Die Stadt könnte morgen anfangen, die Planungen fertigzumachen und Bauarbeiten ausschreiben. Noch hat der Stadtrat die Chance, eine Riesenblamage abzuwenden."
Die Stadtwerke sind hingegen der Auffassung, dass dies auch bei der Rosenaustraßen-Variante bis zum Jahr 2023 nicht hinzukommen wäre. Dass der Start der Genehmigung so weit noch hinten gerutscht ist, sei nicht ideal, sagen auch die Stadtwerke. Casazza verweist darauf, dass es bei den Planungen zur Linie 5 immer wieder geänderte Vorgaben gegeben habe, speziell, was den Verlauf auf der Bürgermeister-Ackermann-Straße betrifft. "Wir sind den Änderungen hinterhergehechelt", so Casazza. Er spielt damit auf den Streit mit Stadtbergen über die richtige Trassenführung an. Aber auch von der Stadt und der Regierung von Schwaben kamen wohl immer wieder neue Anregungen.
Gleichwohl könne es jetzt nicht darum gehen, hektisch Gleise zu verlegen, meint Casazza. "Eine Straßenbahnlinie baut man für 100 Jahre." Die Stadtwerke betonen, dass der Bahnhofstunnel auch ohne durchfahrende Straßenbahnen dank der Wendeschleife funktionsfähig sei. Das Hauptziel, den Eisenbahn- und den Straßenbahnverkehr enger zu verknüpfen, werde damit schon in weiten Teilen erfüllt.
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