Dreieinhalb Jahre vor der geplanten Eröffnung des Bahnhofstunnels im August 2023 ist nach wie vor nicht geklärt, wo und wie die Straßenbahnen auf der Westseite des Tunnels geführt werden. Im peinlichsten aller denkbaren Fälle wäre der Tunnel nach mehr als zehn Jahren Bauzeit fertig, aber der Gleisanschluss im Westen wäre noch nicht so weit. Man bemühe sich und sei zuversichtlich, den Gleisanschluss im Westen, der für die bestehende Linie 3 und die geplante Linie 5 nötig ist, fertig zu bekommen, versichert Stadtwerke-Geschäftsführer Walter Casazza. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Das Ziel ist eine Anbindung bis zur Luitpoldbrücke", so Casazza. Eine Garantie will er gleichwohl nicht abgeben. Man sei abhängig davon, wie das Genehmigungsverfahren bei der Regierung von Schwaben laufen werde.
Noch haben die Stadtwerke die Planungsunterlagen für ihre Vorzugsvariante über die Holzbachstraße nicht eingereicht. Dies soll in diesem Jahr geschehen, wobei der Stadtrat vorher noch einmal damit befasst werden dürfte. Hintergrund ist, dass es – nachdem man mehrere Jahre über die Trassierung in Bahnhofsnähe stritt – zuletzt einen neuen Vorschlag der Verkehrsexperten Herbert König und Rainer Schnierle gab, der noch sorgfältig geprüft werden soll. Es ist gut möglich, dass man die Entscheidung dem neuen Stadtrat, der ab Mai im Amt ist, überlassen wird.
Anwohner im Thelottviertel gegen den Bahnhofstunnel
Eigentlich geht es bei der Genehmigung nur um mehrere hundert Meter Tramgleise – doch die haben es in sich, weil sie durch dicht bebaute und stark verkehrsbelastete Straßen führen. Von einem Teil der Anwohner aus dem Thelottviertel wird der Bahnhofstunnel seit Jahren bekämpft, weil sie keine Straßenbahn durch die Hörbrotstraße vor die Nase gesetzt bekommen möchten. Eine Klage gegen eine etwaige Genehmigung ist wahrscheinlich. Die Stadtwerke werden versuchen, ihren Standpunkt von Anfang an mit Gutachten zu untermauern. Die müssen aber erst erstellt werden.
Zum Start des Bahnhofstunnels im August 2023 geht es nur um die Trassierung der Tramlinie 3 nach Stadtbergen. Sie unterquert die Bahngleise aktuell durch die Pferseer Unterführung. Eine Fertigstellung der Straßenbahnlinie 5 bis 2023 ist schon abgeschrieben – die Trassierung auf der Bgm.-Ackermann-Straße ist wegen der Situation an den Kreuzungen schwieriger als gedacht. Darum wurde das Projekt Linie 5 zweigeteilt, um bis 2023 die Chance zu haben, den bahnhofsnahen Abschnitt, der dann auch von der Linie 3 benutzt würde, zu realisieren.
Hier sehen Sie die aktuelle und geplante Tram-Linienführung: Hellgrün dargestellt die aktuelle Trasse der Linie 3, dunkelgrün die geplante Linienführung der Linie 3. In rot dargestellt ist die Vorzugsvariante für Linie 5.
Auch wenn von Casazza eher beruhigende Botschaften zu vernehmen sind – in der Vergangenheit machten die Stadtwerke in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Stadtrat schon deutlich, dass es aus ihrer Sicht beim Zeitplan für den Gleisanschluss brennt. Bereits vor einem Jahr hieß es, dass man angesichts der Zeiträume für Genehmigungsverfahren, Vergabe an Baufirmen und eigentlichen Bau allmählich in Zeitnot komme.
Linie 4 und 6 wenden unterirdisch
Ein zunächst fehlender Gleisanschluss im Westen wäre aber eher peinlich denn katastrophal. Es würde sich dabei um keinen Dauerzustand, sondern eine Verzögerung handeln. Und die unterirdische Haltestelle unter den Bahnsteigen – Herzstück des Tunnels – wäre immerhin durch die Linien 4 und 6 erschlossen, die dort in einer unterirdischen Wendeschleife kehrtmachen. Bahnpendler hätten so den direkten Zugang zum Nahverkehr. Und die Linie 3 könnte wie seit Jahrzehnten durch die Pferseer Unterführung rollen, bis der Bahnhofstunnel durchfahren werden kann.
Dass es momentan noch keine Genehmigung für den Gleisanschluss im Westen gibt, macht es auch für die Stadt Augsburg schwierig, definitive Ansagen zum Zeitplan bei der Gestaltung des neuen westlichen Bahnhofsvorplatzes zu machen, der am westlichen Tunnelausgang entstehen soll. Unter anderem ist dort ein städtisches Fahrradparkhaus geplant. Solange nicht ganz klar ist, dass die Tram wirklich durch die südliche Rosenaustraße und Hörbrotstraße läuft, ist auch die exakte Lage der Gleise auf dem Platz offen. "Wir haben noch keinen exakten Zeitplan. Priorität hat die Straßenbahn", so Baureferent Gerd Merkle (CSU).
Nach elf Jahren Bauzeit soll der Tunnel in Betrieb gehen
Was den Tunnel als solchen betrifft, haben die Stadtwerke aber schon recht genaue Zeitpläne. Aktuell laufen die Bauarbeiten für den Tunnel unter dem historischen Bahnhofsgebäude und den Personengleisen 5 und 6. Bis zum Mai 2022 soll der Tunnelrohbau auf ganzer Länge fertig sein. Bis Ende 2022 wollen die Stadtwerke mit dem Innenausbau fertig sein und im Februar 2023 in den Testbetrieb gehen. Bis Juli 2023 müssen alle Fahrer für die Fahrt durch den 400 Meter langen Tunnel geschult werden, weil hier andere Signalisierungsnormen als im oberirdischen Sichtbetrieb gelten. Im August 2023 soll der Tunnel nach rund elf Jahren Bauzeit und diversen Kostensteigerungen und Verzögerungen in Betrieb gehen.
Die Stadtwerke gehen von Kosten zwischen 230 und 250 Millionen Euro für den Tunnel aus. Für das technische Innenleben mit Brandmeldetechnik, Signalen und Lüftung steht eine große Ausschreibung bevor, deren Ergebnis offen ist. Dies erklärt die Schwankungsbreite von 20 Millionen Euro, wobei bei der Gesamtsumme deutlich höhere Baupreissteigerungen als in der Vergangenheit angesetzt wurden, um keine weiteren bösen Überraschungen zu erleben.
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