Der Tod von Johannes H., 13, liegt fünf Jahre zurück. Der Bub starb im April 2010 nach einer Operation in der Augsburger Hessing-Klinik. Nun steht fest, dass die Ärzte dafür nicht bestraft werden.
Das Amtsgericht sprach zwei ehemalige Mediziner der Klinik vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Was passiert ist, sei tragisch, aber nicht strafbar, begründete Richterin Elke Bethge das Urteil.
Fest steht für das Gericht, dass den Medizinern bei der OP an der Wirbelsäule des Jugendlichen ein Fehler unterlief. Laut Urteil setzen sie beim Anbringen eines sogenannten Fixateurs eine Schraube falsch. Die Schraube durchbohrte einen Wirbel, stand mehr als einen Zentimeter über und verletzte die Speiseröhre.
In der Folge entwickelte sich eine Entzündung, die auf die Schlagader übergriff. Die Ader verlor schließlich Blut – und Johannes starb rund zwei Wochen nach der OP an einem Verblutungsschock.
Dass eine Schraube bei einem derart komplizierten Eingriff falsch sitzt, ist aber nach Angaben eines Gutachters ein übliches Risiko. Für das Gericht stand fest, dass Johannes’ Eltern darüber vorab ausreichend aufgeklärt wurden.
Für die Richter ging es deshalb in erster Linie um die Frage, ob die beiden Ärzte in der Zeit nach der Operation den Zustand des 13-Jährigen ausreichend kontrolliert haben. Richterin Elke Bethge stellte dazu am Ende fest: „Den Angeklagten kann kein Abweichen von medizinischen Standards vorgeworfen werden.“
Hätten die Ärzte genauer hinschauen müssen?
Vor allem um einen Punkt drehte sich der gesamte Prozess: Hätten die Ärzte nach der OP nicht nur Röntgenbilder, sondern eine Computertomografie zur Kontrolle anfertigen müssen? Die Eltern meinen – auch nach dem Freispruch – dass sich die Ärzte schuldig machten, weil sie auf eine solche CT-Untersuchung, die genauere Bilder liefert, verzichteten. Die Eltern klagen, ihrem Sohn sei es nach anfänglichen Lichtblicken immer schlechter gegangen.
Niemand hätte ihre Sorgen ernst genommen. Dem widersprachen die Ärzte. Johannes habe anfangs nur Symptome gehabt, wie sie nach einer Aufrichtung der Wirbelsäule üblich seien, unter anderem einen Blähbauch, so Verteidiger Klaus Rödl. Nur bei einem ungünstigen Verlauf sei es üblich, eine CT einzusetzen – und damit eine erhebliche Strahlenbelastung in Kauf zu nehmen. Ein Gutachter bestätigte diese Sichtweise. Er sagte, eine CT-Untersuchung nach einer solchen OP sei kein Standard.
Die Frage, bei welchen Warnzeichen man sich dazu entscheiden müsse, beantwortete der Gutachter nicht klar: Es sei ein Grauzone und hänge wesentlich von der Einschätzung der Ärzte ab. Der Gutachter machte aber auch klar, dass es durchaus Kliniken gibt, die schneller eine CT anordnen.
Ein Arzt sagte zu den Eltern: "Bitte behalten Sie unser Haus trotzdem in guter Erinnerung."
Nicht geklärt wurde im Prozess die Rolle der Kinderklinik am Augsburger Klinikum – dorthin wurde Johannes H. verlegt, als sich acht Tage nach der OP plötzlich die Entzündungswerte im Blut des Buben verschlechterten. Auch dort machten die Ärzte erst nach Tagen auf Druck der Eltern eine Computertomografie. Aber von der falschen Stelle.
Die entscheidende Schraube war darauf nicht zu sehen. Am 19. April spuckte Johannes dann plötzlich Blut. Wenige Stunden später war er tot. Ein Arzt sagte zu den Eltern: „Bitte behalten Sie unser Haus trotzdem in guter Erinnerung.“
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft auch einen Arzt der Kinderklinik angeklagt – allerdings eröffneten sowohl das Amts- wie auch das Landgericht dieses Strafverfahren nicht, weil sie bei dem Mediziner nach Aktenlage keinen ausreichenden Tatverdacht erkennen konnten. Strafrechtlich ist der Fall nun abgeschlossen.
Die Staatsanwaltschaft hatte am Ende des Prozesses ebenfalls einen Freispruch gefordert. Der Anwalt der Eltern kündigte an, auf einen Gang in die nächste Instanz zu verzichten. Er will nun aber auf zivilrechtlichem Weg ein Schmerzensgeld einklagen.