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Augsburg: Jugendliche im Corona-Frust: 2020 – das verlorene Jahr

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Jugendliche im Corona-Frust: 2020 – das verlorene Jahr

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    Bis junge Menschen wieder in Augsburgs Klubs und Bars feiern können, dürfte noch viel Zeit vergehen.
    Bis junge Menschen wieder in Augsburgs Klubs und Bars feiern können, dürfte noch viel Zeit vergehen. Foto: Britta Pedersen, dpa (Symbolbild)

    Das Jahr 2020 wurde durch eine Pandemie geprägt, die von allen Opfer und Umstellungen verlangte. Die Generation aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen erlebt die Digitalisierung der Schulen und Universitäten. Aber sie muss lernen, mit neuen Ängsten, reduzierten Freizeitmöglichkeiten und strengen Regeln umzugehen. Dass ein Ende irgendwann kommen wird, ist den jungen Menschen bewusst, aber auch, dass ihnen die Zeit, in der sie auf Dinge verzichten mussten, niemand zurückgibt.

    David Kirchberger wohnt seit September 2019 in Augsburg. Er ist für seine Ausbildung zum Erzieher in die Stadt gezogen. Anschluss hat der 20-Jährige anfangs durch seine Hobbys gefunden. Er betreibt in seiner Freizeit japanischen Kampfsport in einem Augsburger Dojo. Während des Lockdowns konnte er dem Hobby aber nicht mehr nachgehen. Das Gleiche gilt für seine zweite Passion: "Ich spiele Horn und habe durch einen Freund auch hier in einer Blasmusikkapelle neue Leute kennengelernt. Dienstags und donnerstags hatte ich also Training und mittwochs Probe."

    An den Wochenenden ging er gerne feiern, vergangenes Jahr war er viel auf Festivals. An Silvester hatte er sich noch die gesammelten Festival-Bändchen abgeschnitten, mit dem Gedanken, dass es 2020 ja wieder neue gäbe. "Das war leider nicht so." Dass er momentan nichts unternehmen kann und noch immer relativ neu in Augsburg ist, wirkt sich aber auch noch anders aus. Neue Leute kennenlernen oder sich mit Frauen zu verabreden sei für den angehenden Erzieher gerade so gut wie unmöglich. "An meinem Single-Leben wird sich vorerst nichts ändern", sagt Kirchberger.

    Sogar Partymuffel würden jetzt gerne tanzen gehen

    Für das Augsburger Nachtleben konnte sich Katharina Kuhnke vor Corona nie so richtig begeistern. Jetzt sagt die 22-Jährige, dass sogar sie als Partymuffel wieder Lust hätte, tanzen zu gehen. Kuhnke geht schon seit den ersten Monaten der Pandemie nur in die Innenstadt, wenn es wirklich nötig ist. "Ich treffe mich nicht mehr wie früher mit Freunden auf einen Kaffee oder einen Drink." Auch das Reisen fehlt der jungen Frau. Ersetzt hat sie alles zumindest teilweise durch Video-Telefonate. Das Leben finde jetzt online statt. Die 22-Jährige akzeptiert, dass eine Einschränkung persönlicher Kontakte in solchen Zeiten einen Beitrag leisten kann, das Virus einzudämmen. "Das Wissen, eine potenzielle Gefahr sein zu können für Menschen wie zum Beispiel meine Eltern, ist belastend. Gerade eine herzliche Umarmung, wenn man jemandem zufällig über den Weg läuft, fehlt zurzeit auf jeden Fall."

    Als Schüler stört sich Daniel Beck weniger an den fehlenden Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, als an der Handhabung des Lehrplans. "Wenn ich Präsenzunterricht habe, passt ja alles ganz gut, aber mit dem Online-Unterricht ist es unmöglich, das abzudecken, was auf dem Plan steht." Dem 17-Jährigen fällt es leicht, sein soziales Leben zu digitalisieren. "Ich habe auch schon vor der Pandemie mit Freunden online gezockt. Man trifft sich halt in den Gruppen online, mit denen man sich vorher in der Schule real getroffen hat." Aber deshalb fühlt Daniel sich nicht wirklich im Nachteil, er versucht, optimistisch zu bleiben. "Es ist ja alles nur eine Frage der Zeit mit der Impfung."

    Junge Menschen sind wegen Corona psychisch gefährdet

    Die Ärztin und Psychiaterin Michele Noterdaeme arbeitet im Josefinum und weiß, dass diese Probleme nicht nur Einzelfälle sind. Besonders bei jungen Menschen, die in einer Übergangsphase wie zum Beispiel der vom Abitur in die Ausbildung, der eines Wohnortwechsels oder dem Start eines neuen Jobs sind, sieht sie das höchste Potenzial für Perspektivlosigkeit. "Wenn es eine neue Entwicklungsphase gibt, wie den Beginn eines Studiums, dann löst sich die alte, feste Schulstruktur auf. Dazu zählt auch der tägliche Kontakt zu den Mitschülern und Freunden. Jetzt sollten sie an der Uni neue Kontakte machen, miteinander reden, sich treffen", sagt die Ärztin. Durch Corona und die damit einhergehende Online-Lehre gibt es aber kaum eine Aussicht auf neue Beziehungen und Kontakte. "Das hat emotionale und kognitive Auswirkungen. Diskussionen, Lerngruppen und ähnliches sind durch Online-Unterricht nicht ersetzbar."

    Wenn Corona nach der zweiten Welle abklingt, wird das Bedürfnis, nach draußen zu gehen und Leute zu treffen, wieder groß sein, glaubt Noterdaeme. Aber sie kann sich auch vorstellen, dass junge Menschen teilweise vorsichtig bleiben, auch nachdem es einen wirkungsvollen Impfstoff gibt. Die Zeit und alles was während der Pandemie verpasst wurde, bekomme niemand mehr zurück. Noterdaeme kann verstehen, dass das viele junge Menschen frustriert. "Ob es nun verpasste Feiern oder die Zeit mit der Familie und Freunden ist, die man nicht hatte. Nachholen kann man das Jahr 2020 nicht mehr."

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