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Augsburg: In Fängen von Zuhältern: Wenn junge Frauen in der Prostitution landen

Augsburg

In Fängen von Zuhältern: Wenn junge Frauen in der Prostitution landen

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    In Fängen von Zuhältern: Wenn junge Frauen in der Prostitution landen
    In Fängen von Zuhältern: Wenn junge Frauen in der Prostitution landen

    Das „Hostessen-House“ im Gewerbegebiet in Lechhausen ist ein kleineres, übersichtliches Bordell. Hinter der Fassade eines Wohnhauses arbeiten, so steht es im Internet, acht Frauen als Prostituierte. Auch Sabia (Name von der Redaktion geändert), 19, aus Rumänien heuert hier vor rund zwei Wochen an. Kurz darauf stehen vier muskulöse, tätowierte Männer vor der weißen Tür des Bordells. Die Männer holen die junge Prostituierte aus dem Bordell, zerren die Frau in einen dunklen 5er-BMW und fahren weg.

    Die Entführung der Prostituierten hat Anfang Oktober Schlagzeilen gemacht. Noch immer leuchten die Ermittler der Augsburger Kripo die Hintergründe des Falls aus. Für Helmut Sporer, Chef des zuständigen Kommissariats 1, ist Sabia ein typisches Beispiel für junge Prostituierte, die unter dem Druck eines Zuhälters ihren Körper verkaufen. „Vor allem junge Frauen sind gefährdet, zum Opfer zu werden“, sagt Sporer. Die Zuhälter, die oft deutlich älter sind, suchten sich gezielt junge, naive Frauen.

    Das meiste Geld muss sie an die Zuhälter abtreten

    Prostituierte und Prostitution in Augsburg

    In Augsburg arbeiten laut Kripo rund 600 Prostituierte.

    Die Zahl ist nach dem Verbot des Straßenstrichs in Augsburg vor knapp zwei Jahren leicht gesunken.

    Rund 90 Prozent der Frauen kommen aus dem Ausland, die meisten aus Osteuropa.

    Sie bleiben in der Regel nur einige Zeit in der Stadt und ziehen dann weiter.

    Es gibt in Augsburg ein gutes Dutzend Bordelle und etwa 130 Bordellwohnungen.

    Prostitution wurde 2002 durch ein Gesetz in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Verboten ist zwar Ausbeutung von Prostituierten – für die Polizei ist das aber oft schwer nachweisbar.

    Der Kripobeamte Helmut Sporer macht sich schon seit Jahren dafür stark, das Mindestalter für Prostituierte auf 21 Jahre anzuheben. Der Augsburger Kommissar gilt inzwischen auch in Berlin als anerkannter Experte fürs Rotlichtmilieu. Er saß schon in TV-Talkshows. Erst vor wenigen Tagen war Sporer wieder einmal in der Hauptstadt, um mit Ministerialbeamten über geplante neue Gesetze zu sprechen.

    Sabia gerät mit 18 Jahren in ihrer Heimat Rumänien in die Fänge eines 37-jährigen Mannes, der sie in ein Bordell nach Wien bringt. Dort muss sie mit Sex Geld verdienen – und das meiste an ihren Zuhälter abtreten. Bei der Kripo weiß man: Oft stellen sich die Frauen die Arbeit im Milieu einfach vor. Die Menschenhändler versprechen ihnen schnelles und einfach verdientes Geld.

    Doch die Realität ist allzu oft eine andere: Frauen werden gezwungen, möglichst viele Männer zu bedienen – mit teils entwürdigenden Sexpraktiken. Sabia will ihrem Zuhälter entkommen. Sie flüchtet aus Wien und landet in Augsburg. Sie habe sich selbst per Telefon um ein Zimmer beworben, berichtet der Chef im „Hostessen-House“. Sabia habe einen erleichterten Eindruck gemacht, als sie zu arbeiten anfing. Auch bei der Kripo meldet sie sich an. Von ihrer Flucht aus Wien erzählt sie nichts.

    Kolleginnen aus dem Bordell alarmieren die Polizei

    Doch ihr Zuhälter denkt nicht daran, sie entkommen zu lassen. Mit drei Helfern entführt er Sabia am 1. Oktober aus dem Augsburger Etablissement und verschleppt sie in eine Wohnung im Münchner Stadtteil Giesing. Ihre Kolleginnen aus dem Bordell alarmieren die Polizei. Sabia gelingt es noch, eine SMS abzusetzen. Auf der Fahrt nach München wird sie vom Zuhälter geschlagen.

    Am Ende stürmt ein Sondereinsatzkommando das Apartment in München. In der Wohnung unweit des Stadions an der Grünwalder Straße stoßen die Beamten auch auf fünf weitere junge Frauen aus Osteuropa. Offenbar sind sie nach München gebracht worden, um mit Oktoberfestbesuchern Geld zu machen. 90 Prozent der rund 600 Prostituierten, die in Augsburg arbeiten, kommen nach Schätzungen der Kripo inzwischen aus dem Ausland – die meisten, wie Sabia, aus

    Als Helmut Sporer und seine Kollegen vor Kurzem mehrere Bordelle in der Stadt kontrollierten, trafen sie keine einzige deutsche Frau. Da die ausländischen Prostituierten oft schlecht deutsch sprechen, sind sie besonders abhängig von Zuhältern und Banden. Die Bordellbetreiber haben damit aber meist nichts zu tun – sie vermieten in der Regel nur die Zimmer zu einem festen Tagessatz. Auch dem Chef des „Hostessen-House“ wirft die Kripo im Fall von Sabia nichts vor. Der Chef selbst beteuert: „Man konnte nicht ahnen, was mit ihr los ist.“

    Meist ist es Armut, welche die Frauen ins Sexgeschäft einsteigen lässt. Der Ausstieg fällt ihnen oft schwer – viele sehen keine Alternative. Auch Sabia will nach ihrer Befreiung durch die Polizei keine Hilfe, um das Milieu zu verlassen. Sie verkauft sich weiter an Freier. Angeblich hat sie nun einen Freund, der sie beschützt. Doch die Grenze zwischen Freund und Zuhälter, weiß man bei der Kripo, ist oft fließend.

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