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Augsburg: In Augsburg entstehen riesige Blühwiesen für Insekten

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In Augsburg entstehen riesige Blühwiesen für Insekten

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    Das nächste Modular-Festival am alten Gaswerk in Oberhausen könnte inmitten von bunten Blumenwiesen laufen. Vor Kurzem wurde dort artenreiches Saatgut aus dem Stadtwald angesät. Christoph Süßmair verteilte es auf dem Gelände.
    Das nächste Modular-Festival am alten Gaswerk in Oberhausen könnte inmitten von bunten Blumenwiesen laufen. Vor Kurzem wurde dort artenreiches Saatgut aus dem Stadtwald angesät. Christoph Süßmair verteilte es auf dem Gelände. Foto: Thomas Hosemann

    In diesem Jahr fällt das Modular-Festival auf dem alten Gaswerkgelände in Oberhausen wegen Corona aus. Wenn es nächstes Jahr wieder stattfindet, dürften viele Fans eine Überraschung erleben. Das Außengelände soll sich dann in eine blühende Wiese verwandelt haben. Wenn alles klappt, wird bei Modular nicht nur Musik, sondern auch das Summen und Brummen von Insekten zu hören sein. Soweit der Plan der städtischen Landschaftspflege, die noch viel mehr vorhat.

    Ob Wildbienen, Hummeln, Käfer oder Schmetterlinge – viele Arten sind vom Aussterben bedroht. Das dramatische Insektensterben hat viele Schlagzeilen gemacht und in Bayern zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ geführt. In Augsburg hatten Kritiker der Stadt vorgeworfen, sie mähe die öffentlichen Grünflächen tot und trage zum Artenschwund bei. Das war vor zwei Jahren. Inzwischen hat sich viel getan.

    In Augsburg entstehen Blühwiesen auf 18 Hektar Grund

    Seit einigen Wochen werden mitten in der Stadt riesige neue Blühflachen für mehr Artenvielfalt angelegt. Insgesamt sollen die Blumenwiesen eine Fläche von 18 Hektar haben. Damit werden sie etwas größer sein als der Augsburger Kuhsee. Das Projekt läuft unter dem Stichwort „Insekten. Vielfalt. Augsburg“. Initiator ist der städtische Landschaftspflegeverband, der mit der Stadt und vielen anderen Partnern zusammenarbeitet.

    Die Honigbiene

    Zu einem Bienenstock gehören 30.000 bis 60.000 Bienen, in einigen Fällen sogar bis zu 80.000 Tiere. Den Großteil des Bienenvolkes bilden die so genannten "Arbeiterinnen".

    Männliche Bienen, die Drohnen genannt werden, haben im Leben nur eine Aufgabe: Fortpflanzung. In einem Stock leben zwischen 500 und 2.000 von ihnen. Haben sie ihren Zweck erfüllt und die Königin befruchtet, werden sie im Herbst in der "Drohnenschlacht" aus dem Stock geworfen. Da sie keinen Giftstachel haben, sind sie macht- und harmlos.

    Jeder Bienenstock hat eine Königin. Sie legt nicht nur als einzige die Eier. Nach ihrem Hochzeitsflug mit den Drohnen trägt sie auch noch für drei bis vier Jahre den Spermienvorrat in sich, mit dem die Eier befruchtet werden können.

    Auch die Bienenkönigin hat nicht viele Aufgaben: Sie muss nur für den Nachwuchs sorgen. Etwa 2.000 Eier legt eine Königin täglich, bis zu 120.000 im Jahr. Unterstützt wird die Mutter aller Bienen dabei von Arbeiterinnen, die die Kleinen füttern, putzen und umsorgen.

    Eine Arbeitsbiene fliegt pro Tag etwa 4000 Blüten an. Mit ihrem Saugrüssel saugt sie süßen Nektar aus den Blütenkelchen und lagert ihn in ihrem Magen ein. Beim Blütenbesuch bleibt Pollen an ihren Hinterbeinen kleben, den sie so weitertransportiert. Dadurch kommen Pollen, das männliche Produkt der Staubgefäße, mit der Narbe des Stempels, dem weiblichen Teil der Blüte, in Kontakt.

    Rund 80 Prozent aller Blütenpflanzen sind auf die Insektenbestäubung angewiesen. Im Obstanbau übernehmen die Bienen sogar rund 90 Prozent der Bestäubung. Der Nutzwert der Tiere liegt in Deutschland bei etwa vier Milliarden Euro. Damit ist die Biene nach Rindern und Schweinen das drittwichtigste Nutztier.

    Für ein halbes Glas Honig müssen Bienen rund 40.000 Mal ausfliegen und dabei vier Millionen Blüten besuchen. Durchschnittlich sind die Blüten einen Kilometer vom Bienenstock entfernt. Das bedeutet: Die Bienen müssen 40.000 Kilometer zurücklegen - quasi einmal rund um die Erde für ein halbes Glas Honig.

    Bienen schützen sogar afrikanische Plantagen und Dörfer vor trampelnden Elefanten. Die britische Biologin Lucy King entwarf eine Umzäunung mit Bienenkörben, deren Bewohner ausschwärmen, sobald ein Elefant den Draht berührt. Und tatsächlich: Die Elefanten nehmen vor den kleinen Insekten Reißaus.

    Bienen sind unglaublich nützlich, allerdings auch stark bedroht. Die Gründe für das schon Jahre andauernde Bienensterben sind vielfältig: Monokulturen beim Mais- und Rapsanbau, Schädlingsbefall und Pestizide sind vermutlich für das Massensterben der Bienen verantwortlich.

    Wer Bienen helfen will, sollte ihnen einen Blütenvielfalt im Garten oder auf dem Balkon bieten. Es gibt sogar spezielle Blumenwiesen-Saatmischungen, die auf die Bedürfnisse von Bienen abgestimmt sind. Sie liefern hochwertigen, eiweißreichen Pollen und ein gutes Nektarangebot.

    Selbst auf einem Balkon können Sie Bienen etwas Gutes tun. Verabschieden Sie sich von den meisten Blumen, die eine gefüllte Blüte haben, wie Geranien und Pelargonien. Pflanzen Sie Kräuter wie Schnittlauch, Basilikum und Thymian.

    Verzichten Sie in Ihrem Garten auf bienenschädliche Pflanzenschutz-, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel! Sogenannte Pestizide, Herbizide und Biozide stehen im Verdacht, das massenhafte Bienensterben zu verursachen.

    Nicolas Liebig vom Landschaftspflegeverband benennt die größten Flächen, die entstehen. Eine ist beim alten Gaswerk in Oberhausen. Dort wurde auf 7500 Quadratmetern Samen von heimischen Gräsern und Blumen aus dem Siebentischwald gesät und Häufen aus Totholz und Lehm angelegt, um Lebensräume für Insekten zu schaffen. Das Projekt läuft mit den Stadtwerken. Es soll die biologische Vielfalt unterstützen, so Stadtwerke-Geschäftsführer Alfred Müllner. Liebig betont, dass auf den Naturflächen Menschen ausdrücklich erwünscht sind – Festivalbesucher genauso wie Bürger aus Stadtteilen wie Oberhausen, in denen es wenig öffentliches Grün gibt. Auf der Blühwiese beim Gaswerk werden künftig auch Ferienprogramme für Kinder laufen.

    Mit einem Mähplan die Insekten retten

    Eine zweite große Blühfläche mit über 6000 Quadratmetern wird am Uniklinikum angelegt, und zwar am alten Fußballplatz beim Betriebskindergarten. Neben einer artenreichen Wiese sind blühende Hecken und Insektenlebensräume mit Totholz vorgesehen. Liebig sagt, dass auch die Außenanlagen der Uniklinik optimiert werden, um dem Insektensterben zu begegnen, und zwar mit einem abgestuften Mähplan, bei dem nicht alle Blumen gleichzeitig geschnitten werden. Auch eine dritte große Blühfläche wurde vorbereitet. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit den Lechwerken auf einer Grünfläche zwischen Augsburg-Oberhausen und der Nachbarstadt Gersthofen.

    Das Areal ist an einen Bauern verpachtet. Mit diesem Projekt will die Landschaftspflege zeigen, wie sich artenreiche Natur und eine schonende landwirtschaftliche Nutzung gut vereinbaren lassen. Weitere Blühwiesen werden bei der Abfallverwertung in Lechhausen und in der Kleesiedlung entstehen. Der Plan ist, dass Kinder aus der Siedlung die Blumenwiese betreuen sollen. „Wir hoffen, dass dieses Projekt in den Privatgärten der Siedlung Schule macht“, sagt Liebig. Er ist auch Sprecher der bayerischen Landschaftspflegeverbände und kennt die Entwicklungen. Augsburg liege beim Insektenschutz bayernweit gut im Rennen und sei mit anderen Großstädten wie München und Nürnberg auf Augenhöhe, sagt er. Dennoch gebe es noch Luft nach oben, etwa beim Mähen.

    Naturforscher kritisiert radikales Mähen

    Umstritten ist nach wie vor der städtische Mähplan fürs öffentliche Grün. Naturforscher Eberhard Pfeuffer beanstandet, dass auch heuer wieder im Univiertel, in Haunstetten und am Rand des Stadtwaldes beim Lochbach früh und radikal gemäht worden sei, so das für spezialisierte Insekten keine Nahrung blieb. Die Mähverträge der Stadt mit Fremdfirmen laufen 2020 aus. Liebig sagt, im Amt für Grünordnung werde intensiv an neuen Regelungen gearbeitet.

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