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Augsburg: Immer neue Schmierereien: Augsburger verzweifeln an Graffiti

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Immer neue Schmierereien: Augsburger verzweifeln an Graffiti

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    Ein Symbolort für Graffiti in Augsburg ist das Butzenbergle zwischen der Wintergasse und dem Hunoldsgraben.
    Ein Symbolort für Graffiti in Augsburg ist das Butzenbergle zwischen der Wintergasse und dem Hunoldsgraben. Foto: Silvio Wyszengrad

    Monatelang muss sich ein Altstadt-Bewohner über die Penisse am Haus geärgert haben. Dann griff er selbst zur Farbe und übermalte das illegale Graffiti. Auch das war nicht rechtens. Es war nicht sein Haus. Zudem verwendete er eine knallrote Farbe, die nicht denkmalschutzkonform war. Der Fall vom Vorderen Lech sorgte für Aufsehen. Letztendlich zeigt er jedoch die Machtlosigkeit der Bürger gegenüber Sprayern. Und er richtet den Fokus auf ein fortwährendes Ärgernis. Die Zahl der Graffiti-Delikte ist in Augsburg weiterhin auf hohem Niveau. Das zeigen nicht nur die Zahlen der aktuellen Polizeistatistik.

    672 Graffitistraftaten hat die Polizei demnach im vergangenen Jahr in der Stadt registriert. „Das sind 43 Fälle weniger als im Jahr 2017“, sagt Polizeisprecher Siegfried Hartmann. „Dennoch stellen wir insgesamt eine hohe Zahl von Sachbeschädigungen durch Graffiti fest, die seit mehreren Jahren anhält.“ Die Dunkelziffer der nicht angezeigten Fälle dürfte zusätzlich hoch sein. Nicht nur Privatleute, sondern auch die Stadt leidet unter illegalen Sprayern. „Vor allem die historische Stadtmauer muss permanent von Graffiti befreit werden, aber auch Verwaltungsgebäude, Schulen und Skulpturen sind immer wieder betroffen“, heißt es aus dem Baureferat. In einem anderen Bereich sei es noch schlimmer.

    Ist eine Schmiererei weg, kommt die nächste

    Brücken, Lärmschutzwände und Unterführungen gerieten zunehmend in den Fokus von Sprayern. Der Stadt koste die Beseitigung jährlich Tausende von Euro. Laut Baureferat werde grundsätzlich versucht, jedes Graffiti schnell zu beseitigen. „Damit es keine Nachahmer gibt und der Schaden nicht noch größer ausfällt.“ Doch es gleicht einer Sisyphusarbeit. Ist eine Schmiererei entfernt, folgt bald die nächste. Vor allem Hausbesitzer in der Altstadt können ein Lied davon singen. Das weiß der Leiter der AG Graffiti der Polizei, der namentlich nicht genannt werden will.

    Klar wäre es besser, besprühte Wände neu zu streichen, sagt der Polizeibeamte. Aber die Schlagzahl der Taten sei so hoch, dass man den Betroffenen nicht mehr guten Gewissens einen Rat geben könne. „Man muss schon eher sagen, wenn es sie nicht stört, dann lassen sie das Graffiti dran.“ So wie es die Eigentümergemeinschaft des mit Penissen verunstalteten Hauses am Vorderen Lech gemacht hat. Schlichtweg aus Resignation hatten sie die Geschlechtsteile stehen gelassen.

    Eigentümer: "Wir sind ohnmächtig"

    „Man kommt einfach nicht mehr hinter her“, sagte einer der betroffenen Miteigentümer unlängst. „Wir sind ohnmächtig“, ergänzte eine weitere Hausbewohnerin. „Irgendwann schmeißt einen ja auch die Versicherung raus.“ Privatpersonen gehen die Ausbesserungen ziemlich ins Geld, weiß der Leiter der AG Graffiti. Da können schnell mal 2000 bis 3000 Euro anfallen. Vor allem in der Altstadt, wo viele Gebäude unter Denkmalschutz stehen, würde es wesentlich teurer. Die normale Gebäudeversicherung käme für Graffiti-Schäden nicht auf. „Als Privatmann muss man eine Zusatzversicherung abschließen.“ Für die AG Graffiti sind vier Polizisten im Einsatz. Sie sind auf verschiedene Stadtinspektionen aufgeteilt. Der Beamte ist ehrlich: „Wir wären froh, wenn wir noch mehr Personal hätten.“ Im Stadtbereich Augsburg wurden im vergangenen Jahr rund 37 Prozent der angezeigten Graffiti-Straftaten aufgeklärt. 2017 lag die Aufklärungsquote bei circa 40 Prozent. Meist muss sich ein Täter dann für mehrere Schmierereien verantworten. Den überführten Sprayern begegnet die Stadt Augsburg mit dem Projekt "EinWandFrei".

    Es setzt auf Prävention durch Wiedergutmachung. Vor gut einem Jahr ist es nach vielen Debatten gestartet. Es richtet sich an 14- bis 21-Jährige, die erstmalig des illegalen Sprayens überführt wurden. In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft bessern sie beschädigte Flächen aus – mit Zustimmung der Geschädigten. Für die Opfer soll der Vorteil sein, dass Schäden zeitnah beseitigt werden. Die Täter erhalten die Chance, die meist hohen finanziellen Schadensersatzansprüche abwenden zu können. Bei erfolgreicher Teilnahme kann sogar das strafrechtliche Verfahren gegen sie eingestellt werden. Das Projekt wird vom Verein „Brücke“ umgesetzt. Ein Sozialpädagoge begleitet die Sprayer. Brücke-Geschäftsführer Erwin Schletterer zieht eine positive Bilanz. „Es wird gut angenommen. Gerade stauen sich sogar die Fälle.“ Die Täter müssen sich finanziell an den Reinigungsarbeiten beteiligen. Auch das soll zum erzieherischen Effekt gehören.

    Ist es das richtige Projekt?

    Laut Schletterer klagten manche Teilnehmer über die mühselige Arbeit. Einer der Sprayer, auf dessen Konto viele Schmierereien gingen, habe ein Dreivierteljahr lang zum Arbeiten kommen müssen. 18 junge Männer und zwei junge Frauen, so Schletterer, sind dem Projekt im ersten Jahr zugewiesen worden. Sie regulierten 141 von 171 Schadensfällen. Auch bei der Stadt ist man zufrieden. Diana Schubert vom städtischen Büro für Kommunale Prävention findet: „Das Projekt ist aus unserer Sicht sehr gut angelaufen.“ Manchen geht der Kampf gegen Graffiti aber nicht weit genug.

    Polizist und CSU-Stadtrat Peter Schwab etwa, der sich für ein anderes Projekt stark gemacht hatte. „Jeder, der vom illegalen Sprayen abgebracht wird, ist gut“, sagt er über „EinWandFrei“. Dennoch sei das Projekt täterorientiert und schieße am Ziel vorbei. Es müsse viel mehr gegen illegale Graffiti unternommen werden, sagt er. „Die gesamte Stadt und ihr Bild leidet unter den Graffiti.“

    Lesen Sie auch den Kommentar: Graffiti-Problem muss neu diskutiert werden

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