Wer ab Juli mit Bussen und Bahnen in Augsburg fahren will, muss im Schnitt knapp fünf Prozent mehr für sein Ticket bezahlen. Die Tariferhöhung im Augsburger Verkehrsverbund (AVV) sei beschlossene Sache und könne auch nicht mehr abgewendet werden, sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) bei der jüngsten Sitzung des Stadtrats.
Auch Weber räumte ein, dass die aktuelle Preisrunde im AVV zur Unzeit komme. Über die Frage, ob man die Tariferhöhung nicht zumindest hätte verschieben können, entzündete sich eine Debatte mit giftigen Zwischentönen. Vertreter des schwarz-grünen Regierungsbündnisses und der Opposition warfen sich gegenseitig vor, nicht ehrlich zu agieren. Eva Weber erhob gegenüber der gemeinsamen Fraktion von SPD und Linkspartei sogar den Vorwurf, nicht bei der „Wahrheit“ zu bleiben.
Kurzstreckenticket kostet in Augsburg ab 1. Juli 1,60 Euro
Die einfache Wahrheit in dieser Sache ist zunächst: Ein Kurzstreckenticket kostet ab 1. Juli 1,60 Euro und damit zehn Cent mehr, für eine Streifenkarte zahlt man 11,90 statt 11,30 Euro. Und beim Mobil-Abo für den Innenraum geht es um 2,50 Euro hoch – auf 55 Euro pro Monat. AVV und Stadtwerke begründen die Preiserhöhung mit gestiegenen Kosten. Die aktuelle Tarifrunde hole Kostensteigerungen nach, die in der Zeit von April 2018 bis März 2019 angefallen seien. Mit der Corona-Krise und den damit verbundenen Einbrüchen bei Fahrgastzahlen und Einnahmen habe das nichts zu tun, sagte Stadtwerke-Chef Walter Casazza.
Bei den Bürgern kommt das trotzdem anders an. SPD-Rat Dirk Wurm schimpfte, gerade die Abo-Kunden hätten dem AVV trotz der Taktausdünnung in der Corona-Krise die Treue gehalten. „Und als Dank dafür sehen sich die Leute jetzt mit einer Tariferhöhung konfrontiert.“ Wurm sagte an die anderen Stadträte gewandt: „Jeder hier im Raum weiß es, dass die Tariferhöhung ein Fehler ist, aber wir sollen es trotzdem tun.“ Anfang des Jahres sei es auch möglich gewesen, die geplante Tariferhöhung auf Juli zu verschieben. Aus „Marketinggründen“, wie Wurm sagt, weil die Einführung der kostenlosen City-Zone in der Innenstadt nicht mit negativen Neuigkeiten verknüpft werden sollte.
Der Ex-OB-Kandidat der SPD, der sich im Wahlkampf für ein 365-Euro-Jahresticket ausgesprochen hatte, polterte weiter: „Das versteht kein Mensch mehr.“ Eva Weber konterte: „Ich würde mich freuen, wenn Sie und Ihre Fraktion auch mal bei der Wahrheit bleiben würden.“ Die umstrittene Tarifreform von 2018 und die aktuellen Preiserhöhungen würden zu Unrecht verknüpft. Im Übrigen habe die SPD nie einen Vorschlag geliefert, wie man günstige Tickets im Nahverkehr finanzieren wolle.
Geld für den Nahverkehr: Benachteiligt der Freistaat die Region Augsburg?
CSU und Grüne haben als Reaktion auf die aktuelle Debatte beantragt, dass die Stadt prüfen soll, was ein 365-Euro-Ticket kosten würde. Zudem soll sich OB Eva Weber auf Landesebene dafür einsetzen, dass der Freistaat mehr Geld für den Nahverkehr zur Verfügung stellt. Grünen-Stadtrat Matthias Lorentzen sagt, München und Nürnberg würden hier deutlich besser unterstützt. Weitere Vorschläge zur Finanzierung des 365-Euro-Tickets machen Grüne und CSU allerdings auch nicht – außer dem eher vagen Hinweis darauf, dass auch die Parkgebühren in der Stadt überprüft werden müssten.
Das Problem im AVV ist: Alle Entscheidungen müssen einstimmig fallen. Die Gesellschafter des Verbunds – neben der Stadt Augsburg sind das die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen – müssen, trotz teils unterschiedlicher Interessen, immer eine gemeinsame Linie finden. Was Tariferhöhungen angeht, gilt seit mehreren Jahren ein Automatismus: Die Fahrpreise sollen jährlich angepasst werden, auf der Basis von sogenannten Indizes – also Auswertungen, wie sich die relevanten Kosten etwa für Energie oder Personal entwickelt haben.
AVV: Zumindest die nächste Tariferhöhung soll ausgesetzt werden
Setzt man eine Preisrunde aus oder verschiebt sie, dann müssen die Stadt Augsburg und die Landkreise das höhere Defizit ausgleichen. Eva Weber sagte im Stadtrat, sie sei aber in Gesprächen mit ihren Landratskollegen, die nächste reguläre Tariferhöhung, die schon für den 1. Januar 2021 vorgesehen wäre, auszusetzen. Auch wolle man im AVV eine Lösung finden, wie man die vorübergehende Mehrwehrsteuer-Senkung an die Kunden weitergeben könne. Ohnehin stehe für 2021 eine Überprüfung der Tarifstruktur an.
Ob das ausreicht, Kunden zurückzuholen, die in der Corona-Krise abgesprungen sind? Laut Stadtwerke-Chef Walter Casazza liegen die Fahrgastzahlen noch immer bei nur 45 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Stadträtin Margarete Heinrich (parteilos) sagt, ihr seien vage Ankündigungen für Verbesserungen deshalb zu wenig. „Wir brauchen einen Zeitkorridor, was bis wann zu schaffen ist.“ ÖDP-Rat Christian Pettinger ist überzeugt, dass es ein Fehler war, das Angebot im öffentlichen Nahverkehr während der Corona-Krise auszudünnen. Den Kunden sei zu viel zugemutet worden. Die Unzufriedenheit habe schon mit der Tarifreform 2018 begonnen. Er sagt: „Es war der Grundfehler, nur aufs Geld zu schielen. Es sollte besser, fairer und übersichtlicher werden, aber es durfte nichts kosten.“
Die Stadtwerke haben in der Vergangenheit schon mal ausgerechnet, was sie ein 365-Euro-Jahresabo wohl kosten würde. Sie rechnen in diesem Fall mit Mindereinnahmen von rund zwölf Millionen Euro – für die irgendjemand aufkommen muss.
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